30. July Ao. 1584

von 30. Juli 2015

Die weltliche Gerichtsbarkeit für Halle lag beim Erzbischof, der dieses Amt auf seinen Burggrafen übertrug. Der Schultheiß wirkte als Stellvertreter für den Burggrafen und schlichtete regelmäßig die kleineren Händel in der Stadt. In späterer Zeit belieh der Burggraf den Schultheiß häufig mit dem Blutbann zu Afterlehen, so dass der Schultheiß nun auch berechtigt war, peinliches Gericht zu halten.
Ein Afterlehen war ein Lehen, das weiter gegeben wurde. In diesem Falle hatte der Erzbischof seinen Stellvertreter mit dem Amt des Burggrafen belehnt und der Burggraf belehnte den Schultheiß mit dem Amt des Richters.
Erst im 13. Jh. setzte sich die Praxis durch, dass der Erzbischof das Amt eines Schultheißen als erbliches Mannlehen vergab.

Mittlerweile hatte die Stadt Halle (nach großen Streitigkeiten im Jahre 1474) beim Erzbischof das Privileg erwirkt, die Person für ein vakantes Schultheißenamt selbst benennen zu dürfen, welche dann vom Erzbischof bestätigt wurde. Dabei machten es sich die Ratsherren zur Regel, dass nur ein Bürger der Stadt Halle für das Amt in Frage kam.

Nun wurde am 30. Juli Ao. 1584, um 9:00 Uhr morgens, der Pfänner und Bürger der Stadt Halle Johann Pöllner als Schultheiß vereidigt und bekam den Bann vom Landesherrn übertragen.

Als Bann wurde das Recht bezeichnet, die Gerichtsbarkeit auszuüben.

Eigentlich war Johann Pöllner schon seit dem 21. Oktober Ao. 1575 als Schultheiß in Halle tätig. Aber damals war er vom Burggrafen Magdeburgs, Kurfürst August von Sachsen, eingeschworen worden. Administrator Joachim Friedrich (nach der Reformation wurden die Erzbischöfe als Administratoren bezeichnet) beanspruchte dieses Recht jedoch für sich als Landesherrn. Daher erklärte er die Übertragung des Bannes und die Vereidigung Johann Pöllners im Jahre 1575 für ungültig und ließ den Schultheißen erneut einschwören.

Zur Durchführung und Überwachung der Vereidigung waren hochrangige Vertreter des Administrators erschienen: Fürstlich Magdeburgischer Rat Andreas von Drachsdorff, Hofmarschall Wiprecht von Treschkau, Hauptmann auf der Moritzburg zu Halle Hennig Hameln und Doktor des Rechts Bartholomeo Ude.

Zur Vereidigung waren im Saal des Neuen Gebäudes (heute Neue Residenz) erschienen:

Schultheiß Johann Pöllner,

Salzgraf und Senior des Schöppenstuhls Anthonius Feudemann, Doktor des Rechts Joachim Schober und Ratsmeister Leonard Zeise als alte Schöppen,

Doktor des Rechts Johann Schultz und Lizenziat Wolff Schrötter als neue verordnete Schöppen,

Schöppenschreiber Samuell Ockel und

Gerichtsfrohn (Gerichtsdiener) Andreas Reiche.

Die Fürstlichen Räte lassen den zu vereidigenden Personen die Eidesformeln vorlesen.

Schultheiß Johann Pöllner merkt an, dass in den Eidesformeln erwähnt wird, man wolle sich nach den jüngst reformierten Rechtsgrundsätzen richten. Da hierfür jedoch nicht alle Punkte und Artikel allen anwesenden Personen bekannt sind, sollten sie vorgelesen und zur Beachtung übergeben werden. Erst dann könne man eingeschworen werden. Dem stimmten die Fürstlichen Räte zu.

Nachdem die reformierten Verordnungen und die Verfassung verlesen worden sind, brachte Johann Pöllner vor, dass der Schöppenstuhl mit nur 5 Schöppen für die bevorstehenden Aufgaben kläglich unterbesetzt sei. Außerdem stünde in den Verordnungen, dass weder Schultheiß noch Schöppen die Gerichtsakten mit nach Hause nehmen dürfen, wo doch die zur Prüfung notwendigen Bücher stünden und somit eine sorgfältige Arbeit gar nicht möglich sei.

Die Fürstlichen Räte antworten, dass dem Administrator die Unterbesetzung des Schöppenstuhls sehr wohl bekannt sei und er die Anzahl der Schöppen auf acht erhöhen wolle. Des Weiteren solle den Schöppen gestattet werden, Akten zur Prüfung mitzunehmen und danach kollegial darüber zu beraten.

Nachdem nun alle Fragen geklärt waren, zog die ganze Gesellschaft in Begleitung von Sekretären vom Neuen Gebäude aus auf den Markt vor den Roland.

Vor dem Roland warteten schon die Ratsherren der Stadt Halle und wohnten der Zeremonie bei. Die zu vereidigenden Personen wurden von den Fürstlichen Räten ins Gerichthaus geführt und schworen dort den jeweils für sie gedachten Amtseid.