Vom Speisen der Stände im Mittelalter

von 11. April 2021

Archäologen graben in Gräbern und selbst kleinste Mauerspuren erzählen viele Geschichten. Na ja, nicht nur die Mauerspuren werden entdeckt, sondern, und jetzt bitte Augen und Nase schließen, auch die Latrinen von damals. Keine Angst, es geht jetzt nicht um das danach, sondern um das davor oder dabei, also um das Essen damals. Auch das Essen war damals für damalige Verhältnisse etwas Besonderes. 1542 ist in einem Kochbuch die Rede von der ehrlichen ziemlichen auch erlaubten Wollust des Leibes, sich satt essen, trinken, Kurzweil und allerhand vergnügen.

Das ist kein WhatsApp-Deutsch heutiger Jugendlicher, sondern die Sprache der damaligen Zeit. Aber was aß man damals? Das hing von den gottgegebenen Ständen ab. So wie die Kirche immer höher in den Himmel getrieben wurde, um Gott näher zu kommen, der zum Dank auch mal Pest, Überschwemmungen, Folter und Hexenverbrennungen zuließ und die Kleriker an den besten Tischen mit den schönsten willenlosen Frauen sitzen ließ, so glaubte man auch, je höher das Essen, desto göttlicher sei es. An die Tafel des Adels und auf die Tische der frömmsten Kirchenoberen kamen neben Kapaunen und Pfauen auch die Früchte, denn diese wuchsen ja geradezu in den Himmel. Je höher, desto gottgewollt.

Dem Bauern, als untersten Stand, blieb das Gemüse oder besser die erdgebundene Knolle. Der Adel hatte das Recht zu fischen und zu jagen, der Bauer gab den Zehnten in Form von Gemüse, Obst und Getreide ab. Schlachtvieh wie Kuh, Schwein, Lamm war beim Adel nicht so beliebt, mit Ausnahme des Spanferkels. Man erfreute sich an Fisch (vor allem in der Ritterzeit), an Huhn, Gans, Wachtel, Drossel und Fasan, aber auch an Wild wie Biber, Bär, Kranich, Storch und Pfau. Der Bauer hingegen lebte weitaus genügsamer als der Kraut- und Rübenfresser. Täglich gab es Brei aus Gerste, Hirse und Hafer, dazu Salat aus Sauerampfer, Löwenzahn und Rapunzel. Die Feiertage, von denen es reichlich gab, wurden hoch gepriesen, und auch für das einfache Volk gab es fetten, kräftig gewürzten Schweinebraten und eine ebenso fette Brühe mit Griebn und Brotbrocken darin. Halleluja.

Ansonsten gab es im Alltag Kraut und Rüben mit Speck und Schmalz, soweit vorhanden. In Halle gibt es die Schmeerstraße, die ihren Namen den Schweinen und dem von ihnen gewonnenen Speck verdankt. Irgendwann nahm das mit den freilaufenden Schweinen überhand und der Rat der Stadt verbot 1468 die Haltung von Schweinen in der Stadt bei 3 Mark Strafe (heutiger Materialwert ca. 500 Euro, damalige Kaufkraft ca. 1400 nach mittelalterlichem Rechner). Mehr noch, man sprach den Bäckersleut sogar das Bürgerrecht ab, weil sie das nicht einsahen. Mit Brot ließen sich sogar Schweine mästen. Das wissen gestandene DDRler aus Zeiten, als Brot billig war (0,89 Pfennig) und tonnenweise für die (private) Schweinemast gekauft wurde.

Im Mittelalter wurde das Essen auf oder besser mit Brotscheiben angerichtet und gegessen, natürlich alles mit den Händen. Löffel und Gabeln waren zwar nicht gänzlich unbekannt, aber anfangs noch nicht sehr gebräuchlich. Ein Messer und eine Art Spieß hatte man schon. Wenn es zu flüssig war, wurde mit Brot getaucht und gelöffelt. Heute muss man sich schon das Wort “Schweinchen” gefallen lassen, wenn man es wagt, das Essen ein wenig auf die Gabel zu schieben, weil die Schwerkraft mal wieder dazwischenfunkt. Aber Fingerfood kommt langsam wieder, wenn auch nur mit zwei Fingern und abgespreiztem kleinen Finger.

An den Höfen war der Truchsess (der, der das Fleisch zerlegt) mit dem Tranchieren beschäftigt, und manche brachten es dabei zu seltsamer Kunst. So gab es einmal einen, der jedes Tier, je nach Anzahl der Gäste, in gleich große Scheiben säbelte und über sich den Braten aufspießte. Heute ist es meist der Hausherr, der sich daran versucht, nicht ganz so kunstvoll und auf die Gefahr hin, dass ihm Pute und anderes Getier noch als Braten davonfliegen, oder besser gesagt, davonfliegen.

Rezepte gab es im Mittelalter viele, aber immer ohne Mengenangaben. Wer sie heute nachkochen will, braucht starke Geschmacksnerven, denn allzu leicht geraten die Kräuter außer Kontrolle, was sich an einem seltsam verzerrten Gesicht ablesen lässt. Der Salzstadt-Clan kann ein Lied davon singen, wenn er Rezepte aus dem Mittelalter und der Kartoffelzeit nachkocht. Damals waren unsere Vorfahren geschmackssicherer. Da wurde gebraut und gebraut. Zum Brauen komme ich in einem anderen Artikel, aber zunächst ein Rezept aus dem Orient. Die Kreuzritter haben in Jerusalem im Namen Gottes nicht nur viele umgebracht, sondern auch die verwaisten Rezepte mitgebracht. Die Kreuzzüge hatten also doch einen Sinn.

Willst du ein gutes Fastemus machen, so nimm bersige (Barsche) und dicke Mandelmilch darunter, und siede sie gut in Mandelmilch, und nimm dann Zucker drauf, so einfach war’s und hieß Mus von Jerusalem.

Apropos Mandelmilch. Im 16. Jahrhundert war sie das Tiramisu von heute und allgegenwärtig. Mandelmilch, aus der die Mandelcreme als Dessert hergestellt wurde, ist ein Auszug aus gemahlenen Mandeln in Wein, Wasser oder Fleischbrühe und diente zum Verfeinern von Speisen und Bratensoßen. Das war natürlich wegen der teuren Mandeln eher den Kaufleuten und der Oberschicht vorbehalten. Auch Eier waren für die Bauern eher rar, und Zucker war für die Reichen erschwinglich und kostete viel Kleingeld. So kamen schon mal 15 Eier auf ein Dessert (das Cholesterin war noch nicht erfunden), und wer sich heute an solche Rezepte heranwagt, dem wird vor lauter Eigelbgeschmack die Zunge schlackern. Aber als Creme zum Rumtopf passt es gut, da schmeckt man nach einer Weile sowieso nichts mehr.

Apropos Mandelmilch. Im 16. Jahrhundert war die Mandelmilch das Tiramisu von heute und allgegenwärtig. Die Mandelmilch, aus der die Mandelcreme als Dessert hergestellt wurde, ist ein Auszug aus gemahlenen Mandeln in Wein, Wasser oder Fleischbrühe und diente zur Verfeinerung von Speisen und Bratensoßen. Natürlich war dies wegen der teuren Mandeln eher den Kaufleuten und der Oberschicht vorbehalten. Auch Eier waren für die Bauern eher rar, und Zucker war für die Reichen erschwinglich und kostete viel Kleingeld. So kamen schon mal 15 Eier auf ein Dessert (das Cholesterin war noch nicht erfunden), und wer sich heute an solche Rezepte heranwagt, dem wird vor lauter Eigelbgeschmack die Zunge schlackern. Aber als Creme zum Rumtopf passt es gut, da schmeckt man nach einer Weile sowieso nichts mehr.

In den Wirtshäusern (die damals noch nicht so hießen) gab es für die unteren Schichten meist nur Käse und Brot. Für Kaiser Karl, dem das einmal serviert wurde und der an üppige Speisen gewöhnt war, ein eher befremdlicher und karger Anblick. Es schmeckte ihm trotzdem, nur die verdammten kleinen blauen Schimmelinseln puhlte er sorgfältig heraus. Man sagte ihm vorsichtig, das sei das Beste, was er verschmähte. Er köpfte den Koch nicht, er probierte, und seine Liebe zum berühmten Roquefort war geboren. Der ist auch heute noch nicht jedermanns Sache, so wie man sich an die mittelalterliche Küche erst gewöhnen muss. Aber dann kann es auch zu Geschmacksexplosionen kommen, zumindest wenn man Adelige, Kleriker oder Kaufleute mimt. Das mit dem Brei als Bauer müsste man erst mal üben.

Apropos üben. Schon der Salzstadtclan e.V. übte fleißig das Kochen. Vor der Corona-Zeit waren es Rezepte aus alten Zeiten, die fantasievoll umgesetzt wurden und auf You Tube zu sehen sind. Dazu kamen zwei Kochwettbewerbe, ebenfalls auf You Tube zu sehen, und wenn das normale Vereinsleben wieder möglich ist, wird der Verein in seinem Salzwinkel noch einiges aus dem Mittelalter kochen, denn Spaß macht es auf jeden Fall, ob es schmeckt, wird man dann sehen.

Fotografien und Zeichnungen (DAZ 3d Bilder) von Michael Waldow