Das Völkerschlachtdenkmal

von 24. Juli 2020

Am 18.10. 1813 war hier ein riesiges Feld voller russischer, preußischer, schwedischer, österreichischer und französischer Leichen in der größten bekannten Schlacht der Menschheit mit über 100000 Toten. Tote die erst im Tode friedlich vereint wurden. Genau einhundert Jahre später am 18.10.1913 erfolgt die Einweihung des mit 91 m größten Denkmals Europas. Das ist fast ein Witz, ein Wahnwitz, wenn man bedenkt, dass fünf Jahre später schon wieder ein Krieg noch größeren Ausmaßes tobte, der I. Weltkrieg. Ein weiterer beeindruckender Fakt sind die seitlichen Wälle. Dafür lieferte die Leipziger Müllabfuhr fast zehn Jahre ihren Abfall, um diesen Berg aufzuschütten.

So hat dieses Monument schon viel gesehen in seiner 107-jährigen Geschichte von Politikern, brauner Zeit, FDJ-ler singen und anderen Paraden, von Lichtshows und Feuerwerk und weiteren gigantischen Aufmärschen. Da sind doch die Toten nicht ganz umsonst gestorben, wird ihnen im Inneren doch gedacht. Die Kuppel ist imposant und 3414 mannshohe Reiterreliefs sind dort angebracht. In der Krypta befinden sich 16 archaische Krieger mit gesenktem Kopf, die als symbolisches Grabmal für die Gefallenen stehen. Immerhin bekommen sie so nach dem Schlachten noch eine Totenwache. Es befriedigt doch ungemein, nach dem Sterben mit dem Feinde vereint, ein Monument zu bekommen. Dann gibt es noch die Ruhmeshalle mit den vier, zehn Meter hohen Riesenfiguren, die die Eigenschaften des deutschen Volkes verkörpern sollen: Tapferkeit, Glaubensstärke, Volkskraft, Opferfreudigkeit. Die haben sich wohl im Laufe der Zeit auch gewandelt; die Glaubensstärke wurde zu „Ich-habe eine-Meinung“ und mit der Opferbereitschaft habe ich es persönlich nicht so, besonders wenn es das Leben kostet.

Hier in Probstheida, dass damals ein Dorf war, tobte die Schlacht an allen Ecken und Enden. Das Geschrei war groß, es wurde geschossen, gehauen und gestochen, das Blut floss und der Verursacher des Krieges hatte unweit vom Denkmal seinen Befehlsstand an der Quandtschen Mühle. Die Mühle wurde zerstört, der Schlachtengeneral bekam seinen Stein. Nun kann er wohl seine Geisterarmee befehligen. Immerhin 100 Jahre später stand dann das 300.000 t schwere Denkmal, macht 3 Tonnen pro Toten, also haben sie immerhin doch noch Gewicht.

Das Auge ist von der Monumentalität irritiert, wenn es an dem angelegten und eingefassten Teich, der in gewissen Stunden, das Monument widerspiegelt, vorbeigeht und den Eingang samt geharnischten Erzengel Michael erspäht, der links und rechts vom Relief der Kriegsfurien eingefasst ist. Eine Pathetik die keine Grenzen kennt. Immerhin ist für den bequemen Schlachtenbummler heutzutage ein Fahrstuhl bis in luftige Höhen angebracht, wo man in einem Ring von einer-Personen-Breite einen beschaulichen Blick auf die Stadt hat und das vor einem liegenden Schlachtfeld, das heute einer sanften Idylle entspricht. Im Forum 1813, das eigentlich ganz gut Museum heißen könnte, ist ein Diorama mit dem Schlachtgetümmel ausgestellt. Irgendwo findet man auch den Korsen, General, Kaiser, Feldherr und weiß die Geschichte noch was, der letztendlich hier aufgeben musste und damit seine Kariere als Möchte-gern-Kaiser beendete. Das 15 qm große Diorama im Museum mit dem Schlachtengetümmel, hat zwar nur 3000 vollplastische Figuren, aber auch dies zu Besehen kostet Mühe und man mag seine Fantasie nicht einschalten wollen, wenn man hört, dass es nur ein winziger Bruchteil der tatsächlich antretenden Armeen waren.

Da ist es unvorstellbar, dass in diesem langen Deutschland des Friedens es doch wieder Kräfte gibt, die an nichts anderes als ein erneutes Hauen und Stechen denken und vielleicht schon jetzt ihre Ruhmeshallen und gigantischen Denkmäler im Kopf haben. So bin ich hin- und hergerissen vom Eindruck und der Gewaltigkeit menschlicher Schöpfungskraft und dem unwiderstehlichen Drang der Menschen nach Krieg und Zerstörung.

Ich habe den Ausblick auf Leipzig genossen und meine Fantasie heute abgeschaltet. Mein Kopfkino reichte nicht aus, um diese Völkerschlacht zu erfassen.