Halles runder Tisch leidet (an Ecken und Kanten)

Halles runder Tisch leidet (an Ecken und Kanten)
von 22. November 2017

DAS Wandbild ( sexistisches abgedunkelt)DAS Wandbild (sexistisches ist ausgeblendet, auch Symbole)

Halle leidet. Nicht unter der Wärme oder gar der Kälte, nicht unter Erdbeben oder Schlimmeren, nein es leidet unter dem gnadenlosen Kunstgeschmack der Künstler. Ob das der Göbelbrunnen war, wo ein sinnesfroher Kardinal seinen Hut (die Mitra) im wahrsten Sinne des Wortes nehmen musste, oder ob das der Lebenskreis-Brunnen auf dem Domplatz war, der nackte Figuren in aufgehender und untergehender Sonne zeigt. Heute freilich sind die Brunnen Stolz der Stadt und die Animositäten gern verkündete und schon liebgewonnen Anekdoten. Erst sie haben die Brunnen in den Mittelpunkt geholt, freilich mit Gedanken, die einst die Schöpfer selbst nicht hatten. Die Stadt hat viele Kunstwerke, manche sind halt Geschmackssache und manche einem Zeitgeist unterworfen, manche lassen schmunzeln, manche nachdenklich erscheinen, vielleicht sind einige bedenklich, das muss jeder für sich entscheiden. Teuer waren sie freilich alle, im Entwurf, der Gestaltung und Ausführung und sie sind durch viele Meinungen aller möglichen Geister gewatet, um präsentiert zu werden. Da ist auf dem Boulevard auch jenes sinnesfreudige Paar, das kaum noch einen Passanten aufhalten lässt und die Jugend auch durch sein aufreizendes Benehmen nicht aus der Bahn wirft. Manche Jugend bemerkt dies nicht mal, mit der heiligen Bierflasche danebenstehend.

Und nun stehe ich vor einem neuen Kunstwerk, eben jenes vor dem Christian-Wolff-Gymnasium. Riesig an der Seitenwand der Schule, ein Mädchen zeigend. Ich sah über Wochen der Entstehung zu und rätselte, wem ich diese Asiatin zuordnen sollte; oder war es gar eine Indianerin, weil die Muster mich etwas irritierten. Nun ja, hab ich mir gedacht, wird schon irgendwas bedeuten, aber es belebt diese Ostseite und wertet sie aus. Sogar kosmopolitisch. Dann nahm ich das abzuholende Kind ins Auto und hatte schon wieder andere Gedanken. Doch die Wirklichkeit holt mich ein und ich fange an mich zu schämen. Endlich wurde ich von den frauenpolitischen runden Tisch (Warum eigentlich runder Tisch, hat das was mit weiblichen Formen zu tun? Sollte es nicht lieber eckiger Tisch heißen?), auf den Boden der Tatsachen geholt. Es handelt sich demnach um ein sexistisches Frauenbild und diskriminiere Selbige. Aha. Ich hab keine Ahnung wer die Frauen sind, die dies verkünden, ob es die Verhüllten, Verzweifelten, Verschämten oder die Frustrierten sind. Schämen tue ich mich aber dafür, dass ich es nicht erkannte. Schließlich bin ich als Lehrer mit dem gesellschaftspolitischen Auftrag gebeutelt, Kindern die Welt geschlechtsneutral und sinnesfrei zu zeigen. Nicht Aufklärung ist schließlich das Ziel, sondern Verhüllung (das wird ja in Deutschland „Gott“ sei Dank nun endlich auch anders) oder ganz und gar Verbote. Ich habe ein wenig Angst zu diesem Seminar gehen zu müssen, das den Lehrern des Gymnasiums droht, aber bestimmt auch bald allumfassend in den Schulen gang und gäbe sein wird. Schließlich muss ich dort meine Unzulänglichkeit zugeben, die Welt nicht aus den Augen einer „Runde-Tisch-Frau“ zusehen mit ihrem ambitionierten Tiefblick. Dieser Tiefblick ist nicht sexistisch gemeint. Ich hab auch keine Ahnung, wer die Frauen sind, die das so empfinden und bin froh gebunden zu sein, um nicht bei einem Blind Dating ihnen zu begegnen. Da bleib ich bei besagten Bildern lieber ein wenig blind. Ich werde also das Kind, was ich abhole, vor dem Wandbild abfangen und ihm die Blicke verstellend, es schnellstmöglich ins Auto schleifen, um es zu schützen vor dieser sexistisch geprägten Welt, die doch eigentlich hausgemacht ist.

Ich finde, dass im Kunstunterricht ab sofort ein frauenpolitischer Sprecher gehört, der nachweisen muss, dass er keine erotischen Bilder guckt, nie fremdgegangen ist und an keiner Sinneslust leidet, verheiratet ist und das Licht ausmacht bei intimen Dingen. Anderen ist nicht zu trauen und ein Mann darf es gleich gar nicht sein. Ach so, geht ja nicht, ist ja rein frauenpolitisch, ähnlich den Freimaurern, die keine Frauen zulassen. Und das Schüler an dem Werk daran beteiligt sind, kann ja wohl auch keine Ausrede sein, denn schließlich schauen sich diese jungen Menschen dauernd pornografische Filme an und jedes zweite Schimpfwort fängt mit „F“ an. Ich dachte schon, ich sei ein harter Knochen, weil ich diese „F“ Wörter aus meinem Unterricht vehement verbanne und uneinsichtige auch mal des Unterrichts für einen Moment verwiesen werden, aber nun dieses Bild, das wohl alles in den Schatten stellt.

Wie sagte doch ein großer Dichter

„Mit dem nackten Körper stets den Begriff der Erotik zu verbinden, das ist ungefähr so intelligent, wie beim Mund stets ans Essen zu denken.“(Kurt Tucholsky)

Aber das sagte ja wiederrum auch nur ein Mann, der sich noch dazu umbrachte. Es gab damals schon Feministinnen (was nicht heißt, dass er sich wegen ihnen umbrachte, es aber auch nicht ausschließt).

Nur geht es diesmal nicht um die Nacktheit, um Himmels willen, sondern um den „schamlosen“ Blick eines jungen Mädchens an der Wand einer geschlechtsneutralen Schule (nun haben wir also das vierte Geschlecht). Das ist, was die Welt unbedingt zum Kritisieren braucht und ein toller Gesprächsstoff für den themenarmen frauenpoltitischen runden oder doch lieber „eckigen“ Tisch. Frauen aller Länder vereinigt euch, ein Gespenst geht um die Welt – das Gespenst des Sexismus.

Machen wir doch aus dem Kopf des Mädchens ein Mainzelmännchen, die dürfen sogar auch mal ein Feigenblatt tragen oder Hintern zeigen. 🙂

(Was alles zu einer gesunden Meinung gehört, kann man hier erleben)