Von Hamburg nach Santiago de Compostela – eine Kreuzfahrt / Tag 1 Hamburg

Von Hamburg nach Santiago de Compostela – eine Kreuzfahrt / Tag 1 Hamburg
von 7. August 2018

Urlaub. Urlaaaaub.

Die nächsten 10 Tage dienen der Erholung, dem Abschalten. Doch zuerst muss ich einschalten, nämlich unser Auto. Das Gepäck habe ich die Treppen runtergebuckelt, die Frau lässt ewig auf sich warten, dann endlich sitzt sie und beginnt mit ihrem Urlaub. Auf nach Hamburg zu unserem Kreuzfahrtschiff. Kreuzfahrer sind Menschen, die keine Zeit haben, sich mit den Menschen und Ländern intensiv zu beschäftigen. Sie lassen sich treiben auf den Meeren, um dann in Ausflügen mehr oder weniger durch die Lande zu hasten.

Wie gesagt, meine Frau hat schon in den ersten Fahrminuten Urlaub und nutzt die erholsame Zeit, um schon nach einem Kilometer über die roten Ampeln zu meckern. 380 km weiter ist sie bedeutend ruhiger und wir am Ziel, dazwischen geschah nicht viel; Asphalt, Pausen, etwas Stau, viel blauer Himmel. Hamburg empfängt uns mit offenen Armen und noch mehr Verkehr. Wir drehen eine Ehrenrunde, weniger weil uns die Stadt gefällt, vielmehr weil wir eine Abfahrt verpassen. Dann geht alles sehr schnell; Autoabgabe; Transfer zum Schiff und schon stehen wir nach Security und Dokumentenabgabe vor unserer Suite in der MSC Magnifica. Die Suite ist funktionell, man kann gut schlafen darin, hat eine Duschzelle mit Toilette. Das reicht. Die restlichen Stunden werden eh auf dem Schiff und auf Landgängen verbracht.

16 Stockwerke ist die MSC Magnifica hoch und 286 Meter lang, die wollen erstmal erkundet werden. Mit 8 Kreuzfahrten sind wir schon alte Hasen und finden uns schnell zurecht. Unter-wegs begegnen uns orientierungslose Menschen, die versuchen sich zu orientieren. An der Rezeption bilden sich Schlangen mit hilflosen, ratsuchenden, und einfach unzufriedenen Gästen, die sich mit einem radebrechenden Englisch Gehör verschaffen wollen. Man muss zwar hier kein Englisch können, nur ohne dauert alles länger. Etwas hochmütig lächelnd, da wir alles sowieso schon wissen und Englisch ganz gut verstehen, haben wir das riesige Schiff schnell in „unseren Besitz“ gebracht. Uns dünkt dieses Kreuzfahrtschiff etwas klein, gegenüber dem letzten, dass voller Strasssteine an den Treppen war und wunderbare Panoramaaufzüge hatte. Hier ist alles etwas gedrängter, einfacher. Wir sind schon ganz schön verwöhnt.

Die Zeit bis zur Abfahrt vergeht rasend schnell und mit der Musik „It’s time to say goodbye“, dreht das Schiff sich 180 Grad. Mit einem röhrenden Signal wird dann der Hamburger Hafen verlassen. Vorbei geht es an der Altstadt zur Rechten und dem riesigen Containerhafen zur Linken. Dort ist reger Verkehr von Transportmaschinen, die ohne Besatzung automatisch gesteuert durch die Gänge wuseln und die Ladungen verstauen. Dieser menschenleere Automatismus ist faszinierend und gruselig zugleich. Die Reling ist dichtgedrängt von knipsenden Menschen, die sich wundern, wie ich mich fast auf den Boden lege, um zu fotografieren. Ich sende meiner besten Freundin ein paar Bilder, wohl wissend, dass sie sich dieses Jahr keinen Urlaub leisten kann. In ihrem Alter von zarten 31 Jahren ist an eine solche Reise noch nicht zu denken. Ein bisschen Neid kommt bei ihr auf, aber in gewohnter Manier findet sie schnell einen Kritikpunkt: der Pool scheint ihr zu klein für die vielen Menschen. Der Neid hält sich somit in Grenzen, auch wenn die Größe eine Frage der Perspektive oder vielmehr Sichtweise ist. Wir Männer kennen das.

Schon ist Abendbrotzeit und wir bekommen die gewohnten Gänge serviert. Je drei Kellner bedienen einen Zehnertisch. Wir haben eine internationale Truppe: Dumda, schwarz wie die Nacht mit goldigem Humor präsentiert die weißen Teller eindrucksvoll, kommen sie doch bei ihm besonders zur Geltung. Joel aus Honduras ist ein lustiger Gnom, sehr behände, der jedes Späßchen mitmacht. Der Dritte im Bunde ist etwas steif und serviert den Wein. Die anderen Gäste an unserem Tisch sind zum ersten Mal auf Kreuzfahrt und schon können wir unsere Geschichten erzählen, von Piraten, untergegangenen Schiffen und Erlebnissen bei Windstärke 10. Lustig wird’s mit dem Fotografen, der sich bemüht, ein Paarfoto mit den Gästen zu machen. Ich will nicht fotografiert werden, da die Fotos extraorbitant teuer sind. Er besteht darauf und macht damit einen Fehler. Sehr zum Gelächter der am Tisch sitzenden Gäste und denen von Nachbartischen, ziehe ich eine Show ab und zeige ihm die wunderbare Welt eines verrückten Darstellers. Dabei lasse ich keine Verrenkung aus. Der Fotograf kriegt sich nicht wieder ein, Sylvia und die anderen am Tisch sitzenden Gäste auch nicht. Der Fotograf zeigt seine geschossenen Fotos auch an den Nebentischen. Die Gäste amüsiert das prächtig. Er bietet mir seine Freundschaft persönlich an und ist heute nicht der Einzige, der daran glauben muss. Wenig später trifft es einen Kellner an der Bar, dem ich meinen Nachnamen erkläre und ihn in einem amerikanischen Slang ausspreche. Bei jedem Vorbeigang übt er die Aussprache. „Woaldooh“ Prima macht er das.

An der Bar geht der Tag langsam zur Neige. Ich beobachte die Menschen, und denke ihnen Geschichten in die Gesichter. Da ist der einsame Gähner, der wohl alleine fährt und Ausschau nach irgendetwas weiblichen hält. Er scheint ein Angestellter zu sein, der sich die Reise zusammensparte für ein bisschen Spaß im Leben und jetzt ein Bier nach dem anderen nuckelt. Da ist der muskulöse Mann, bestimmt ein Frauenschwarm, aber ihm springt die Langeweile aus dem Gesicht. Ein junges Mädchen trägt ein wunderschönes rotes Abendkleid mit tiefen Ausschnitt, das von einem Träger T-Shirt in beige überdeckt wird. Über dem Kleid hat sie eine hässliche Jacke gestülpt und an den Füßen trägt sie eine Art Badelatschen. Das ist dann gruselig.

Am Taschenshop steht eine etwas zu dünn geratene Verkäuferin, die ihre überteuerten Taschen mehr bewacht als verkauft. Die Lifemusiker bemühen sich redlich und die Drinks helfen darüber hinweg, die Musik zu ertragen. Es wird Zeit ins Bett zu gehen.