„Trump muss beweisen, was er kann“ (Teil 2)

von 22. November 2016

Viele Analysten, Mainstream-Medien und Hillary-Clinton-Anhänger fielen am Tag nach der Wahl in Schockstarre. Vom Ende des Westens und der Demokratie war die Rede. Seitdem wird noch einmal aus allen Rohren gegen Trump geschossen. Hallelife hat sich bei prominenten Hallensern umgehört, wie Sie diese US-Wahl sehen und welche Folgen sie für die Bundestagswahl 2017 erwarten. Zu den Befragten gehört auch Dr. Thomas Müller-Bahlke, Direktor der Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale).

Hallelife: Sie sind in Mexiko geboren und aufgewachsen. Was sagen Ihre mexikanischen Freunde zur Wahl Trumps und wie waren die bisherigen Beziehungen zwischen Mexiko und den USA, zumal es die jetzt viel diskutierte „Mauer“ zwischen beiden Staaten ja schon seit Jahren gibt?

Müller-Bahlke: Dazu gab es noch keinen Austausch mit mexikanischen Freunden. Das Verhältnis ist seitdem ich es verfolge wie das von zwei sehr ungleichen Brüdern, die einander auf eine Weise sehr nah und vertraut sind, aber ebenso gefangen in ihren stereotypen Urteilen und gegenseitigen Erwartungen.

Sie haben die USA mehrfach bereist, auch als Student. Ist die Wahl Trumps wirklich so überraschend oder zeichnete sich der Trend schon länger ab?

Ich gehöre nicht zu den Propheten, die die Wahl Trumps vorausgesehen haben. Ich finde die Wahl überraschend, weil ich den Zustand der US-Gesellschaft zwar schon seit langem mit Sorge betrachte, ihn aber nicht für so zerrüttet gehalten habe, dass ein Mann wie Trump die Wahl gewinnen könnte. Es zeigt für meine Begriffe vor allem die erschütternden Bildungsdefizite in den USA. Andererseits glaube ich an die Selbstreinigungskräfte der Demokratie. Trump gehört jetzt zum politischen Establishment und muss beweisen, was er kann. Wenn er sein Amt nicht ausfüllen kann, wird er darin keine Zukunft haben.

Was sagen Ihre US-amerikanischen Freunde zum Wahlausgang? Geht durch deren Reihen möglicherweise auch der viel diskutierte Riss der Gesellschaft?

Es gab noch keine Gelegenheit für einen Austausch mit meinen amerikanischen Freunden. Aber der Riss, der durch die Gesellschaft geht, ist schon seit langem unübersehbar und inzwischen ja auch in Europa deutlich spürbar.

Welche Folgen hat die Wahl Trumps für die Bundestagswahl 2017 in Deutschland?

Die demokratischen Kräfte in Deutschland müssen sich noch deutlicher als bisher zu Wort melden und mit Selbstbewusstsein die Grundwerte unserer Gesellschaft verteidigen, die im Grundgesetz verankert sind. Das beginnt mit einem respektvollen Umgang (Artikel 1 des Grundgesetzes), egal ob im Netz, auf der Straße, in der Kneipe, in der Schule, im Betrieb oder zuhause. Das vorausgesetzt, kann man über alles diskutieren. Eine demokratische Gesellschaft lebt vom Diskurs und ist darauf angewiesen. Um das zu ermögliche, muss dieser immer in gegenseitiger Achtung geführt werden, so unterschiedlich die Positionen auch sein mögen. Genau das scheint mir im Moment aber verloren zu gehen, womit den demokratischen Prozessen der Boden entzogen würde. Darin sehe ich die größte Gefahr.

inhaltlicher Nachtrag zu der Frage, was in Artikel 1 des Grundgesetzes steht

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.