„Wir wollen Vertrauensanker sein“

von 28. Januar 2017

Traudel Gemmer, AOK-Verwaltungsratsvorsitzende, bilanzierte das Jahr 2016 als sehr erfolgreich für ihre Krankenkasse: 72.000 neue Versicherte – das ist ein Plus von rund zehn Prozent. Sie dankte den anwesenden Partnern und Gästen des Gesundheitswesens, ohne deren Können und Netzwerke die AOK nicht so gut arbeiten könnte. „Der Preis der Größe heißt Verantwortung.“ Dabei betonte sie Prävention und Pflege. Mehr als zwei Drittel der 90.000 Pflegebedürftigen des Landes seien bei der AOK versichert. Diese würden von über 100 speziell qualifizierte Pflegeberater betreut. Für Mai 2017 seien mehrere Pflegeforen für Betroffene und Angehörige angesetzt. Im Frühjahr soll es zudem eine Informationstour zur Pflege geben. Gemmer betonte bei der Gelegenheit den Pflegebedarf der Pflegenden selbst: „Ich würde mir wünschen, dass der Gesetzgeber stärker an diejenigen denkt, ohne die die gesamte Pflegeversicherung nicht funktionierte: an die Pflegekräfte.“ Sie riskierten an jedem Arbeitstag ihre eigene Gesundheit und bräuchten spezielle Präventionsangebote. Gemmer wies auch auf die notwendigen Anstrengungen hin, junge Allgemeinmediziner zu finden. Der Bedarf sei inzwischen höher als das Angebot. Wie die AOK dazu mitteilte, kümmert sich jetzt die „Allianz für Allgemeinmedizin“, ein Bündnis aus Landesregierung, Krankenkassen, Ärztevertretern, Universitäten und Kommunen, darum.

„Wir wollen Vertrauensanker sein“

Karola Wille schlug, wunschgemäß, den Bogen zwischen Gesundheit und Fernsehen. „Das Fernsehen ist eine Krankheit, die von der Krankenkasse finanziert werden müsste“, stieg sie mit einem Zitat von Komiker Otto Waalkes ein. Es gebe Tausende von Krankheiten aber nur eine Gesundheit. Sie kritisierte, ohne Namen zu nennen, dass US-Präsident Donald Trump „ObamaCare“ (eigentlich Patient Protection and Affordable Care Act), die von seinem Vorgänger angeschobene Krankenversicherung für am Ende 20 Millionen US-Amerikaner, „mit einem Federstrich“ abgeschafft hat. In Deutschland sei das solidarische Krankenkassen-System selbstverständlich. Darauf könne man stolz sein. Da zu sein, wenn die Menschen das brauchen, sei eine Gemeinsamkeit von Krankenkasse und Mdr. Das öffentlich-rechtliche Medium erkläre komplexe Zusammenhänge, informiere objektiv und bilde die Vielfalt ab. „Wir wollen Vertrauensanker sein.“

Die Medienwelt befindet sich in einem tiefgreifenden und rasanten Wandel, so Wille. Die Menschen seien immer mehr im Internet. Im Schnitt schauten die Deutschen 240 Minuten Fernsehen am Tag. Sachsen habe Sachsen-Anhalt als Spitzenreiter abgelöst mit 272 Minuten täglich. Im Internet seien die Menschen pro Tag im Schnitt zwei Stunden pro Tag. Für sechs Prozent der Menschen in Deutschland sei Facebook inzwischen die Hauptnachrichtenquelle. In den USA liege dieser Anteil bei 44 Prozent. Die Medienbranche reagiere darauf mit so genannten Media-Walls (bündelt alle Informationsangebote im Internet). Wille sprach davon, wie erfolgreich Arztserien sind und erwähnte die Mdr-Serie „In aller Freundschaft“ und nannte sie eine der erfolgreichsten Serie im deutschen Fernsehen.

„Wir müssen uns mit dem Thema Glaubwürdigkeit befassen“

Der Mdr habe seine Sendung „Hauptsache gesund“ modernisiert. Wille erwähnte dabei die langjährige Moderatorin der Sendung Franziska Rubin (die 2015 geheiratet hat und nach Australien ausgewandert ist) und wie beliebt sie gewesen sei. Es gehe jetzt verstärkt um Gesunderhaltung. „Gesundheit soll und muss auch junge Menschen interessieren.“ Zu diesem Zwecke arbeite der Mdr mit Bloggerin Pauline zusammen, die gutem Essen befasse. Wille verwies ferner auf Themenwochen unter anderem zum Thema Depressionen.

Von den Gesundheitsthemen im Fernsehen kam sie noch einmal auf die Arbeit der etablierten Medien insgesamt zurück. „Wir müssen uns mit dem Thema Glaubwürdigkeit befassen.“ Wie Ärzte seien auch der Mdr damit konfrontiert, dass viele Menschen auf „Dr. Google“ setzen, also die Antworten der größten Internet-Suchmaschine der Welt. „Fakten und Meinungen verschmelzen im Netz.“ Konsumenten würde selbst zu Produzenten. Deswegen sei die Wahl des Wortes „postfaktisch“ zum „Wort des Jahres 2016“ kein Zufall. „Kommunikationsräume und -wege verschieben sich.“ Es werde immer schwerer zu unterscheiden, was Fiktion und was Wahrheit ist. „Dass wir alternative Fakten jetzt haben, ist ein Novum.“ Wille plädierte als Reaktion darauf für mehr Diskurs und Dialog. „Es geht um Verstehen und Zusammenhalt in der Gesellschaft. Wir brauchen Einblick, Durchblick und Weitblick.“

Klassische Moderne und „Hotel de Pologne“

AOK-Vorstand Ralf Dralle bemerkte, wie viel ärztlicher Sachverstand im Saal versammelt war und wünschte den abwesenden Vertreterinnen des Sozialministerium gute Genesung. Bevor er das Büfett eröffnete, lenkte er die Aufmerksamkeit auf den Umbau im AOK-Verwaltungsgebäude und fragte, aus welchem Jahr das Bauwerk stammt. Das moderne, zeitlose Aussehen mache die Einordnung schwer. Ihm jedenfalls. Er verriet das Baujahr und den Architekten: 1931, Martin Knauthe. Es handele sich um ein Objekt im Stil der Klassischen Moderne (1900-1937). Wer in einem Baudenkmal bauen, habe mit vielen derartigen Informationen zu tun.

Das Duo „Hotel de Pologne“ aus Leipzig begleitete den Neujahrsempfang musikalisch. Die sinnliche Sängerin Karolina Trybala und ihr Begleiter am Klavier unterhielten mit Musik aus der Zeit der Klassischen Moderne.

Nachbemerkungen: „In aller Freundschaft“ kam 2015 laut https://de.statista.com auf eine durchschnittliche Reichweite von 5,37 Millionen und lag damit direkt hinter der „Tagesschau“ (5,76 Millionen) auf dem zweiten Platz. Am erfolgreichsten war die Staffel 12, die 2009 ausgestrahlt wurde und 6,3 Millionen Menschen erreichte.

Die AOK Sachsen-Anhalt betreute zum Jahresbeginn 2017 insgesamt 739.000 Versicherte und 45.000 Betriebe. Sie hatte 44 regionale Kundenzentren und war mit einem Marktanteil von 35,5 Prozent weiter die größte Krankenkasse in Sachsen-Anhalt.

der Blog von Pauline Bossdorf aus Berlin (englisch)

http://livingthehealthychoice.com

„Wort des Jahres 2016“ auf der Seite der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS)

http://gfds.de/wort-des-jahres-2016/

Kostprobe von Karolina Trybala (youtube)

https://youtu.be/21k8BkHrmYk