1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vor 25 Jahren beschlossen

von 27. Oktober 2017

Am 29. Oktober 1992 beschloss der Deutsche Bundestag das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz. Damit war der Weg frei, Unrechtsurteile aus der politischen Gerichtsbarkeit der SBZ/DDR überprüfen zu lassen. Seit Inkrafttreten wurden in Sachsen-Anhalt 36.256 Anträge auf strafrechtliche Rehabilitierung gestellt (bundesweit sind es rund 215.000 Anträge). 12.953 Betroffene haben daraufhin Haftentschädigung erhalten und 7.206 Frauen und Männer erfüllen die Voraussetzungen dafür, die ‚Opferpension‘ zu erhalten, weil sie länger als 180 Tage nach einer als rechtsstaatswidrig anerkannten Verurteilung in Haft waren. Viele dieser Haftopfer waren Menschen, die sich politisch engagiert hatten, die sich für Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Versammlungsfreiheit eingesetzt hatten.

Im Jahr 2016 wurden in Sachsen-Anhalt 299 Anträge auf strafrechtliche Rehabilitierung gestellt und zusätzlich 938 Anträge in weiteren Rehabilitierungsangelegenheiten neu eingereicht. Insgesamt wurden also in 2016: 1.237 Anträge nach den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen allein Sachsen-Anhalt eingereicht.

Zeitgleich mit dem 30. Jubiläum der Friedlichen Revolution endet nach aktueller Gesetzeslage am 31.12.2019 die Frist zur Geltendmachung von Anträgen nach den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen. Ab diesem Zeitpunkt ist es für ehemals
SED-Verfolgte dann nicht mehr möglich, strafrechtlich, beruflich oder verwaltungsrechtlich rehabilitiert zu werden.

Da viele SED-Verfolgte jedoch erst mit Eintritt ins Rentenalter beginnen, diese Anträge zu stellen, ist absehbar, dass dies durchaus bis 2029 (dann werden die 1989 15-jährigen 55) oder bis 2041 (Renteneintrittsalter mit 67 Jahren) zu erwarten ist, schließlich waren die jüngsten zu rehabilitierenden Inhaftierten 1989 erst 14 Jahre alt.

Birgit Neumann-Becker: „Die Aufarbeitung von SED-Unrecht muss weiter ganz konkret die Möglichkeit der Rehabilitierung und Anerkennung von SEDVerfolgten offen halten, denn die Kriminalisierung ihrer politischen Gegner gehörte zur Praxis der SED-Diktatur. Verurteilungen zu Haftstrafen erfolgte mit dem Vorwurf der „Staatsfeindlichen Hetze“ (§106), der „Ungesetzlichen Verbindungsaufnahme“ (§219) oder des „Ungesetzlichen Grenzübertritts“ (§213) StGB DDR. Würde diese Möglichkeit entfallen, wäre das Anliegen der Aufarbeitung insgesamt gefährdet.

Denn die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der historischen und medizingeschichtlichen Aufarbeitung führen teilweise erst zu den nötigen Informationen und Einordnungen, dass staatliche Maßnahmen in der DDR rechtsstaatswidrig waren. Das gilt beispielsweise für die Frauen und Mädchen, die unter dem Vorwand von Geschlechtskrankheiten grundlos in geschlossene Venerologische Stationen eingewiesen und dort nicht nur ihrer Freiheit, sondern auch ihrer Würde beraubt worden waren. Durch medizingeschichtliche Aufarbeitungdie von mir angeregt und unterstützt wurde- ist mit wissenschaftlichen Methoden herausgearbeitet und von Rehabilitierungsbehörden anerkannt worden, dass diese Zwangsmaßnahmen als rechtsstaatswidrige Eingriffe aufgehoben werden müssen.

Auch die vom BMBF ausgeschriebenen Forschungsprojekte würden im Blick auf die SEDVerfolgten
ins Leere laufen. Ich kann keinen vernünftigen Grund erkennen, die Anerkennung von Unrecht zu beenden. Es würde den Eindruck der Verfolgten verstärken, dass ihr Beitrag für Freiheitsrechte nicht genug anerkennt wird. Anläßlich des 30. Erinnerungstages an die Ereignisse der friedlichen Revolution ist vielmehr eine stärkere und selbstverständliche Anerkennung der SEDVerfolgten und ihrer Leistungen zu erwarten.“