20 Jahre AWO in Sachsen-Anhalt

von 13. November 2010

Aus dem Nichts heraus sei man 1990 gestartet, so umschrieb die AWO Landesvorsitzende Petra Grimm-Benne das, was in den letzten Jahren passiert ist. Mit einem Festakt in der Händelhalle in Halle (Saale) hat der Arbeiterwohlfahrt-Landesverband am Samstag sein 20-jähriges Bestehen gefeiert. „Wir blicken auf bewegte Jahre zurück“, meinte Grimm-Benne. „57 Jahre nachdem die Arbeiterwohlfahrt von den Nazis verboten worden war, haben 1990 engagierte Menschen angefangen, einen Sozialverband wieder aufleben zu lassen.“ Vor allem aus Niedersachsen sei Hilfe gekommen. „Die Arbeiterwohlfahrt ist in Sachsen-Anhalt ein Sozialpartner mit Stimme und Gewicht“, erklärte Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Haseloff. Die AWO-Mitarbeiter seien für viele Menschen in schwierigen Lebenssituationen unverzichtbare Ansprechpartner.

Heute hat die AWO im Land 5.400 Mitglieder. 4.400 Mitarbeiter sind bei dem Wohlfahrtsverband tätig, hinzu kommen 2.000 Ehrenamtliche. Ihnen müsse auch einmal Danke gesagt werden, so die Vorsitzende Grimm-Benne. 30 Gründungsengagierte wurden deshalb auf der Festveranstaltung mit einem Engagementpreis ausgezeichnet – ein manuell gefertigtes Kunstwerk aus Harzkristall, hergestellt in der Glasmanufaktur Derenburg. Zu den Ausgezeichneten gehörte unter anderem der ehemalige Bundestagsabgeordnete Dr. Uwe Küster, Gründungsmitglied der AWO-Gemeinschaftsstiftung Sachsen-Anhalt, die unter anderem mit dem AWO Kinderfonds Bildungsprojekte fördert.

Im Rahmen des Festakts wurde die Marie-Juchacz-Plakette, die höchste Ehrung der AWO, an die ehemaligen Vorsitzenden Gerlinde Kuppe, Erdmuthe Fikentscher und Rosemarie Hajek verliehen. Prof. Dr. Erdmuthe Fikentscher hat als Gründungsvorsitzende des AWO Landesverbandes Sachsen-Anhalt e.V. in den Jahren von 1990 bis 1992 den Aufbau der AWO maßgeblich mitgestaltet und aktiv befördert. Ihre Initiative für die AWO ist gerade vor dem Hintergrund der Vereinigung der deutschen Länder und der damit verbundenen extremen Rahmenbedingungen hinsichtlich der völligen Umgestaltung einer Gesellschaft in rasanter Geschwindigkeit eine besonders anerkennenswerte Leistung. Mit ihrem Engagement hat sie dazu beigetragen, dass die Gestaltung gesellschaftspolitischer Grundlagen im Sinne der grundsätzlichen Vorstellungen der AWO in den neuen Ländern möglich wurde und die entsprechenden Voraussetzungen für einen heute starken AWO Verband in Sachsen-Anhalt nachhaltig geschaffen wurden.

Rosemarie Hajek hat von 1992 bis 2004 die Geschicke des Verbandes geleitet und wesentlich dazu beigetragen, dass dieser, nach 57 Jahren des Verbots der AWO zur Zeit der Nationalsozialisten und zur Zeit der DDR, wieder ins Leben gerufen und aufgebaut werden konnte und seine Position in Sachsen-Anhalt gefunden hat. Heute ist die AWO, dank des unermüdlichen Engagements von Frau Rosemarie Hajek, fast überall in Sachsen-Anhalt vor Ort präsent und in allen Feldern der sozialen Arbeit, wie Demokratie- und Engagementförderung, Altenhilfe, Kinder- und Jugendhilfe, Behindertenhilfe und Rehabilitation, Gesundheitswesen, Stadtteilmanagement, Aus- und Fortbildung und vielfältiger Beratung tätig.

Dr. Gerlinde Kuppe engagiert sich seit der Gründung der AWO in Sachsen-Anhalt sowohl auf Ortsvereins-, Kreisverbands- und Landesverbandsebene. Dabei liegt ihr vor allem das traditionsgemäße Selbstverständnis der AWO im Sinne der Solidarität mit den Benachteiligten der Gesellschaft am Herzen. Auf Landesebene begleitet sie die AWO in einer Zeit des Umbaus des Sozialstaates und versucht für die AWO neue Antworten für die zukünftigen Weichenstellungen des Verbandes zu finden. Sie setzt sich maßgeblich für die Rolle der AWO als Sozialanwalt ein, was sich in ihrem Engagement über Gliederungsebenen hinweg ausdrückt. In ihrer Amtszeit als Landesvorsitzende (2004-2006) wurden besonders Strategien und Aktionen des sozialen Engagements der AWO angeschoben, wie die Mitgliederwerbekampagne „Dabei sein mit Herz“.

Die AWO in Sachsen-Anhalt ist seit ihrer Gründung ein durchgängig von Frauen geführter Verband und knüpft damit an eine wertvolle historische Tradition im Sinne der AWO Gründerin Marie Juchacz an. Bundesweit ist der AWO Landesverband Sachsen-Anhalt der einzige Wohlfahrtsverband auf Landesebene, der von Anfang an von Frauen geführt wird.

Der AWO Landesverband wurde am 21. Oktober 1990 in Quedlinburg gegründet. Heute ist die AWO in Sachsen-Anhalt Träger von ca. 490 Einrichtungen und Diensten. Dazu zählen Kliniken, Alten- und Pflegeheime, Kitas, Horte und Jugendeinrichtungen. Die vielfältigen Beratungsangebote helfen betroffenen Menschen, ihren Alltag bei Sucht, Geldnot oder familiären Problemen wieder zu meistern. Die AWO wurde nach dem ersten Weltkrieg von der SPD gegründet. Während des Nationalsozialismus und zu DDR-Zeiten war sie eine verbotene Organisation.

Doch trotz der Feier mussten auch kritische Punkte angesprochen werden, unter anderem der ständige Kampf um eine ausreichende Finanzierung. Grimm-Benne berichtete von einer Resolution gegen weitere Kürzungen. Denn das würde bedeuten, „dass vieles nicht mehr gemacht werden kann.“ Auf Dauer brauche es eine neue Gemeindefinanzierung. Die Kommunen müssten auskömmlich ausfinanziert werden, um sogenannte „Freiwillige Leistungen“ weiter finanzieren zu können. Was ansonsten auf der Kippe stehen könnte, nannte Wolfgang Schuth. So stehe das von der AWO-Tochter SPI betriebe Nachbarschaftszentrum "Pusteblume" in Halle-Neustadt vor dem Aus. Noch immer ist nämlich unklar, ob es im neuen Jahr Fördermittel von der Stadt gibt. Man werde aber darum kämpfen, dass das Erreichte nicht kaputt gehe. Aufmerksam werde man auch die neue Kita-Novelle im Land beobachten. Denn durch die darbenden Kommunen und oft monatelang verzögerte Leistungen seien viele kleine Kita-Träger gefährdet. Der Bundesvorsitzender Wilhelm Schmidt sagte im Gespräch mit HalleForum.de, er komme gerade von einer Konferenz der SPD-Kommunalpolitiker. In diesem Bündnis ist Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados die stellvertretende Vorsitzende. Ihr und den anderen Bürgermeistern habe man ins Stammbuch geschrieben, nicht im Sozialbereich zu kürzen und sich an der Grundausstattung zu beteiligen. Denn auch wenn es sich „Freiwillige Leistungen“ genannt wird, seien es doch gesellschaftliche Pflichtaufgaben. Damit das auch alles möglich ist, müssten Bund und Länder die Kommunen finanziell besser ausstatten.