Abderhalden-Straße: vorerst keine Umbenennung

von 11. August 2010

Die Emil-Abderhalden-Straße behält vorerst ihren Namen. Ein Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen zur Umbenennung wurde mehrheitlich vertagt (8 Ja, 3 Nein). Zunächst soll ein Gutachten der Leopoldina abgewartet werden. Die Akademie der Naturforscher will im September eine Untersuchung über die Vergangenheit ihres langjährigen Präsidenten starten. Voraussichtlich im Jahr 2012 werden die Ergebnisse vorliegen. Grünen-Stadträtin Inés Brock will nicht so lange warten und kündigte eine Untersuchung der Zulässigkeit an.

Zuvor hatte der Ausschuss heftig und lange über die Notwendigkeit der Umbenennung debattiert. Diese Forderungen fußen vor allem auf rassehygienischen Äußerungen Abderhaldens. So sah er eine Sterilisierung von „erblich belasteten“ Menschen als notwendig an. Er forderte eine „rassisch reine“ Gesellschaft und. Behinderte waren für ihn nur „Ballastexistenzen“ ohne Lebensanspruch.

Der ehemalige Leiter des Instituts für Biochemie verteidigte im Ausschuss Abderhalden. Dieser sei ein bedeutender Leopoldina-Präsident gewesen, sei einer der angesehensten Wissenschaftler seiner Zeit gewesen. “Er war beseelt vom Willen, Menschen zu helfen.” So habe er den Bund zur Erhaltung und Mehrung der deutschen Volkskraft gegründet. Hier zahlten Ärzte und Apotheker ein. Ziel sei es gewesen, Armen zu helfen. So sei aus dem Finanzstock ein 2000 Morgen großes Brachland gekauft worden, was an kinderreiche Familien verteilt worden sei. Nach dem ersten Weltkrieg habe er mit einem Programm bis zu 100.000 kranken deutschen Kindern einen Erholungsaufenthalt in der Schweiz ermöglicht. Und zu Zeiten der Inflation habe er Wärmstuben und Volksküchen aufgebaut.

Diese Leistungen wolle man nicht in Frage stellen, äußerten mehrere Ausschussmitglieder. Doch sein Verhalten gegenüber jüdischen Mitgliedern der Leopoldina und seine Überlegungen zur rassisch reinen Gesellschaft seien mit keiner guten Tat aufzuwiegen, erklärte Inés Brock. Ähnlich äußerte sich Robert Bonan (SPD), der gerade Forschungen darüber betreibt, was blinden und behinderten Menschen im zweiten Weltkrieg angetan wurde. Abderhalden soll entsprechende theoretische Grundlagen gelegt haben. “So jemand sollte in Halle keine Straße haben.” Deutliche Worte fand auch der für die CDU als sachkundiger Einwohner im Kulturausschuss sitzende Historiker Frank Hirschinger. So habe Abderhaldens Bund zur Erhaltung und Mehrung der deutschen Volkskraft von Anfang an eugenische Züge getragen – Überlegungen, die später von den Nationalsozialisten in ihrer Rassenhygiene pervertiert worden. “Das dürfen wir nicht vergessen”, mahnte Hirschinger. Abderhalden habe die ideologische Vorarbeit geleistet. Gegen die Umbenennung äußerte sich hingegen Günter Kraus, sachkundiger Einwohner der SPD-Fraktion. Kein Wissenschaftler habe eine lupenreine Biografie.

Nun wird 2012 erneut über den Antrag diskutiert. Bis dahin soll wissenschaftlich unterlegt vorliegen, welche Leistungen aber auch Untaten Abderhalden zugeschrieben werden.

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