Aktuelle Informationen der Stadt Halle (Saale) zum Corona-Virus

von 13. April 2020

Hier das Statement des Oberbürgermeisters im Wortlaut:

Zur medizinischen Situation in der Stadt:

Infizierte Einwohner der Stadt Halle: 260 (+2). Geheilte Einwohner: 101 (+8).
Belegung in den Krankenhäusern in der Stadt: 42 (-5), davon 10 Hallenser (+/-0).
Bei der Verdopplungs-Statistik mit Blick auf die Infektionszahlen liegen wir bei 15,5 Tagen.
In den geöffneten Schwerpunkt-Ambulanzen in der Stadt wurden am gestrigen Sonntag 107 Abstriche durchgeführt.

Zu Sicherheit und Ordnung:

Insgesamt gab es 391 Kontrollen durch Ordnungsamt und Polizei. Dabei wurden nur zwölf Verstöße festgestellt.

Die Bilanz zur Pandemie:

Vor genau einem Monat, am 13. März 2020, hat die Stadt Halle Schulen, Kindertagesstätten und Horte geschlossen. Öffentliche und private Veranstaltungen wurden untersagt.

Am 17. März 2020 folgte die Schließung von Gaststätten. An diesem Tag habe ich außerdem den Katastrophenfall festgestellt. Das Robert-Koch-Institut hatte zuvor die Corona-Risiko-Einschätzung auf „hoch“ gesetzt und von einer „dynamischen Lage“ gesprochen. Die Zahl der Infektionsfälle stieg in der Stadt um acht auf 27. Die Labore kamen mit den Auswertungen der Tests nicht nach. Eine Station des Krankenhauses Martha-Maria in Halle-Dölau wurde unter Quarantäne gestellt, die Folgen waren ungewiss.

Virologen prognostizierten zu diesem Zeitpunkt zudem erhebliche Steigerungsraten, die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern war eingeschränkt, es gab einen Mangel an Blutkonserven. Auch fehlte ein Bestand an Schutzausrüstung für mehrere Wochen. Damals hatte ich von einem Versuch gesprochen, mit einem zielgerichteten und konsequenten Einsatz aller personellen Kräfte die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Dem vorausgegangen waren schon am 4. März 2020 eindringliche Bitten der Krankenhäuser, die Stadt möge die bevorstehende Pandemie intensiv begleiten.

In der Stadt Halle wurde und wird im Vergleich zu anderen Gegenden sehr viel getestet, in Fieberzentren, Ambulanzen, Praxen, auch mobile Angebote stehen bereit.

Stand 12. April 2020, 19.40 Uhr, beträgt die Zahl der Infizierten pro 100000 Einwohner: in Deutschland 149, in Sachsen-Anhalt 54 und in Halle (Saale) 107. Gleichwohl: Die festgestellte Zahl der infizierten und geheilten Einwohnerinnen und Einwohner ist nicht aussagekräftig. Wie wir wissen, gestalten sich viele Krankheitsverläufe wie eine normale Grippe, viele Einwohnerinnen und Einwohner haben sich folglich auch nicht testen lassen. Es gibt eine hohe Dunkelziffer. Auch deshalb hat sich in den vergangenen Tagen ein Ärzteteam unter der Leitung von Dr. Hanni Bartels zusammengeschlossen, um dazu Näheres zu erforschen.

Was bleibt an klaren Aussagen, um die Lage zu beurteilen? Zum einen ist es die aktuelle Belegung in den Krankenhäusern, zum anderen die Zahl der zu beklagenden Toten, zum, Dritten die Versorgung mit Schutzausrüstung. Hinzu kommt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 10. April 2020 (1 BvQ 28/20) zum Verbot von Gottesdiensten:

„[…] Der überaus schwere Eingriff in die Glaubensfreiheit zum Schutz von Gesundheit und Leben ist auch deshalb derzeit vertretbar, weil die Verordnung […] bis zum 19. April 2020 befristet ist. […] Hierbei ist […] eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen und zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, das Verbot von Gottesdiensten unter – gegebenenfalls strengen – Auflagen und möglicherweise auch regional begrenzt zu lockern.“

Diese Aussagen, heruntergebrochen auf die Stadt Halle (Saale), bedeuten Folgendes:

Zu der aktuellen Belegung in den Krankenhäusern und Arztpraxen: Am gestrigen Tag, am 12. April 2020, wurden zehn Hallenserinnen und Hallenser in halleschen Krankenhäusern behandelt. Zum Vergleich: Am 18. März 2020 wurde der erste Patient in ein Krankenhaus aufgenommen. Die Situation in den Krankenhäusern wird von den Ärzten als stabil bezeichnet. Es gibt genügend Kapazitäten, auch die Arzt-Praxen sind funktionsfähig. Gleiches gilt für die Alten- und Pflegeheime und mobilen Altenpflegedienste. Es besteht aktuell nicht die Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems.

Wir beklagen insgesamt neun Covid-19-Tote, von ihnen waren sechs Bewohnerinnen und Bewohner des Alten- und Pflegeheimes „Johannes-Jänicke-Haus“. Ein Toter war 55 Jahre alt, ein weiterer über 70 Jahre alt; zwei Tote waren über 80 Jahre alt, ein weiterer über 85 Jahre; vier Tote waren älter als 90 Jahre. Insgesamt fünf von ihnen hatten schwere Vorerkrankungen. Ob auch die anderen gestorbenen Patienten Vorerkrankungen hatten, ist derzeit nicht bekannt, aber auf Grund des hohen Alters anzunehmen.

Zur Schutzausrüstung: Die Versorgung mit Schutzausrüstung reicht für zwölf Tage. Weitere Bestellungen sind ausgelöst, bundesweit beginnen Unternehmen mit der Produktion von Schutzausrüstung.

Zur Verbreitung des Virus: Alle Länder sind mittlerweile vom Virus betroffen, einige Nachbarländer sogar schwer. In anderen wiederum beginnt die Ausbreitung des Covid-19 erst. In Deutschland flacht die Ausbreitungskurve hingegen ab. In unserer Stadt ist die Zahl der Covid-19-Erkrankten nicht exponenziell gestiegen, mittlerweile liegt die sogenannte Verdoppelungszahl bei 15,5 Tagen.

Im Ergebnis haben wir die ungebremste Ausbreitung des Covid-19-Virus bislang verhindert. Die Stadt Halle hat mit Blick auf die getroffenen Maßnahmen zudem drei bis sechs Tage Vorsprung vor den landesweiten Maßnahmen. Das heißt, wir haben früher mit der Einleitung der Maßnahmen begonnen. Vor genau einem Monat haben wir das öffentliche Leben „eingefroren“. In dieser Zeit haben wir die Inkubationszeit von maximal 14 Tagen im Grunde bereits zweimal durchlaufen. Zu Beginn des Katastrophenfalls hatte ich davon gesprochen, dass dieses plötzliche „Einfrieren“ ein Versuch ist mit offenem Ausgang. Heute können wir mit Stolz sagen, dass dieser Versuch erfolgreich war. Das ist das Verdienst aller Einwohnerinnen und Einwohner in unserer Stadt.

Aus der Sicht des Katastrophenschutzstabes ist es nun wichtig, damit zu beginnen, das öffentliche Leben wieder anlaufen zu lassen. Auch mit Blick auf die mittlerweile katastrophale Situation in der Wirtschaft darf damit keinen weiteren Tag gewartet werden.

Aus diesen Gründen ergeht folgende Entscheidung:
Eine Notlage in der Stadt Halle (Saale) liegt nicht mehr vor, die Lage in der Stadt ist stabil. Damit liegen auch die Voraussetzungen eines Katastrophenfalles nicht mehr vor, so dass ich hiermit gemäß § 16 Abs. 1 des Katastrophenschutzgesetzes das Ende des Katastrophenfalles feststelle.

Ausdrücklich möchte ich dazu betonen:

Die strengen Regeln aus den Verordnungen des Landes bleiben weiterhin selbstverständlich gültigund sind bis zum Ablauf des 19. April 2020 zu beachten. Bis zu diesem Datum ist dies auch gerechtfertigt, wie das Bundesverfassungsgericht in der oben zitierten Entscheidung bestätigt hat.

Gleichwohl ist der Zeitpunkt gekommen, sich Gedanken über die Zeit danach zu machen. Ähnlich wie es auch das Bundesverfassungsgericht angesprochen hat, ist der Pandemiestab der Stadt Halle zu der festen Überzeugung gelangt, dass regionale Besonderheiten in die künftigen Entscheidungen des Bundes und des Landes einfließen müssen.

Bezogen auf die spezielle Situation in der Stadt Halle (Saale) kann der Krisenstab aus heutiger Sicht die grundsätzliche Rücknahme vieler Einschränkungen befürworten.

Die folgenden wichtigen Einschränkungen sollten weiter bestehen bleiben:
o Grundsätzlich ist ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten: zwischen zwei Personen oder Tischen. Zudem gelten überall konsequent die Hygiene-Regeln.
o Das Tragen von Mund-Nasen-Schutz hat zwingend dort zu erfolgen, wo der Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann.
o Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Einrichtungen und Unternehmen sind verpflichtet, vor Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Gesundheitsfragebogen auszufüllen. Und falls erforderlich, ist ein Arzt aufzusuchen.
o Alle Personen, die aus dem Ausland nach Halle (Saale) zurückkehren, müssen unverzüglich beim Gesundheitsamt melden und sich einer 14-tätigen Quarantäne unterziehen.

Verboten bleiben: Veranstaltungen und Versammlungen jeder Art.Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit oder Straftat geahndet. Die Maßnahmen sollten auf maximal 20 Tage befristet werden, um dann neue Entwicklungen zu berücksichtigen. Danach kommen weitere Lockerungen in Betracht, z. B. bei Veranstaltungen bis zu 500 Zuschauern – wenn die Infektionslage stabil bleibt.

Wir sind uns bewusst: Jede Lockerung der Beschränkungen wird unvermeidbar zu einem entsprechenden Anstieg neuer Fälle führen. Deshalb ist dieser Vorschlag auch ein Versuch, der ständig kontrolliert und angepasst werden muss. Das Ziel bleibt: Die Kapazitäten der Krankenhäuser in der Stadt sind so lange zu sichern, bis es wirksame Medikamente oder einen entsprechenden Impfstoff gibt.

Sollten die Kapazitäten der Krankenhäuser an ihre Grenzen geraten, muss sofort gegengesteuert werden. In einer Notlage käme auch wieder der Eintritt in den Katastrophenfall in Betracht.

Noch über Monate hinweg wird uns die Krankheit fordern. Der richtige und angemessene Weg zwischen Einschränkungen und Lockerungen ist zu finden. Bis ein Impfstoff gefunden wurde.

Wir haben uns in der Stadt Halle (Saale) überdies entschieden, weiter intensiv zu testen. Denn wenn nicht oder nur wenig getestet wird, bleibt die Situation weiter vage. In der kommenden Woche werden wir stufenweise alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter testen, die in Alten- und Pflegeheimen tätig sind – in der Pflege, in der Verwaltung und in der Versorgung.

Viele von Ihnen, liebe Hallenserinnen und Hallenser, haben sich bereits bereiterklärt, an der eingangs erwähnten Studie teilzunehmen. Für dieses Engagement danke ich sehr herzlich. Die E-Mail für interessierte Teilnehmer lautet: corona@halle.de.

Wie gesagt: Das öffentliche Leben muss Schritt für Schritt wieder anlaufen. Nach und nach muss auch der normale Betrieb in den Krankenhäusern wieder beginnen, auch aus wirtschaftlichen Gründen.

Dass dieser Vorschlag sehr weitgehend im Sinne der Wirtschaft ist, ist uns bewusst. Er ist unserer Auffassung nach dennoch möglich, da die Stadt Halle frühzeitig entsprechende Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet und sich die Kurve der Neuinfektion deutlich abgeflacht hat.

Wir bitten den Ministerpräsidenten, unseren Beitrag bei künftigen Entscheidungen zu berücksichtigen – im Interesse unserer Stadt und unseres Landes.