Alte Buchstadt Leipzig überflügelt Frankfurt

von 26. März 2017

So jubelten die Messeveranstalter am Sonntag, 26. März 2017, gegen 18.45 Uhr und damit kaum eine Stunden nach Messe-Ende auf Facebook: „Wir bedanken uns bei unglaublichen 285.000 Besuchern, 2.493 Ausstellern aus 43 Ländern, 3.300 Mitwirkenden des Lesefestes Leipzig liest, bei unserem Schwerpunktland Litauen in Leipzig 2017 sowie bei allen Partnern und helfenden Händen.“ Für Deutschlands ehemalige Buchhauptstadt Leipzig ist das eine besonders wichtige Wertschätzung, denn die großen Jahre sind Geschichte. 1825 hatten 101 Buchhändler in Leipzig die älteste, noch heute bestehende Branchenorganisation, den Börsenverein, gegründet. Schwere Bombenangriffe 1943 trafen das Herz der deutschen Geisteswelt, große Teile des Buchhändlerviertels wurden zerstört. Die Teilung Deutschlands nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der weitere Lauf der Geschichte machten Frankfurt am Main zur Hauptstadt der Bücher. Dort ist bis heute die größte deutsche Buchmesse. Doch das gilt aktuell nur noch für die Zahl der Aussteller, denn mit 285.000 Besuchern 2017 liegt die Leipziger Buchmesse nun eine Nasenspitze vor Frankfurt, wo der letzte Branchentreff im Herbst 2016 mit 278.000 Menschen schloss.

Weltoffenheit und Internationalität sind auf der Leipziger Buchmesse keine Floskeln. Lesen bildet und fördert den Humanismus – das ist spürbar und sichtbar, auch wenn es diesmal erneut offene politische Kontroversen gab gegen den Messestand des Compact-Magazins, das schon 2016 mit dem Vorwurf, ein Sprachrohr der neuen Rechten zu sein, offen angefeindet wurde. Auch der ebenfalls mit einem Stand vertretenen Zeitung „Junge Freiheit“ (JF) haftete aufgrund aufgrund des gleichlautenden Vorwurfes das Etikett „Schmuddelkind“ an. Im Gegensatz zur Angriffsfreude von Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer übte sich die JF jedoch in Understatement.

Derweil positionierten sich freie Autoren klar gegen die politische Entwicklung in der Türkei, wo Staatschef Erdogan sich nach Jahren des wirtschaftlichen Erfolgs und der relativen Offenheit inzwischen auf den Ausbau einer Diktatur verlegt hat. Thema eines entsprechenden Standes war die Forderung nach der Freilassung von Deniz Yücel. Seit 27. Februar 2017 sitzt der deutsch-türkische Autor, der nach etlichen Jahren bei der linken Zeitung Taz für die rechtskonservative „Welt“ schreibt, in der Türkei in Untersuchungshaft. Ihm werden „Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung“ vorgeworfen. Wie die „Welt“ zuletzt berichtete, brachte seine Schwester Ilkay Yücel von einem Besuch bei ihrem Bruder im Gefängnis die Aussage mit, dass die Einzelhaft wie Folter ist. Unabhängig vom Kampf um die Pressefreiheit hat der Fall Yücel ein Geschmäckle, denn 2011 schrieb Yücel in einer Kolumne in der Taz unter anderem: „Der baldige Abgang der Deutschen aber ist Völkersterben von seiner schönsten Seite.“

Zur Freude der Messebesucher ging es auf der Leipziger Buchmesse 2017 nicht immer so politisch zu und für die Kinder gab es etwas Schönes zu feiern: 60 Jahre kleiner Maulwurf. Die beliebte Trickfilmfigur aus Prag (Tschechien) hat in diesem Jahr ein rundes Jubiläum.

Gastland der Leipziger Buchmesse 2017 war Litauen. Das kleine Land im Baltikum, einst Teilstaat der Sowjetunion, bot ein vielfältiges Programm aus Literatur, Musik und Kunst. 26 Neuerscheinungen waren im Gepäck. Ein spezieller Akzent lag auf der vielsprachigen Tradition der Stadt Vilnius sowie den Beziehungen Litauens zu seinen polnischen, russischen und deutschen Nachbarn. Dazu gehörte auch ein Blick auf Thomas Mann, Johannes Bobrowski und das kulturhistorische Erbe Ostpreußens.

Yücel-Kolumne in der Taz

http://www.taz.de/!5114887/