Ampel in Halle: FDP umwirbt Linke und Grüne

von 10. Februar 2016

Den Affront nehmen Andreas Schachtschneider (CDU) und Detlef Wend (SPD) gelassen, indem sie zwischen sich als neue Kandidaten und der Regierungsarbeit unterscheiden. Das ist Moderator Olaf Scheibe zu kuschelig, was er offen anspricht. Jetzt fehlt, schwant dem neutralen Beobachter, die AfD – als Anheizer, Quertreiber oder Prügelknabe. Doch den „rechten Parolen“ der Alternative für Deutschland will der DGB kein Podium bieten, wird Johannes Krause, DGB-Vorsitzender in Halle, nach der Veranstaltung gegenüber Hallelife erklären. Beschlusslage! Auch inhaltlich hätte die AfD nichts gebracht, so Krause, denn es sollte an diesem Abend gerade nicht um die seit Monaten ventilierten Reizthemen Europäische Union und „Flüchtlinge“ gehen.

Im Zentrum der Runde stehen die Themen Wirtschaft, Arbeit, Bildung und Kultur. „Was ist gute Arbeit?“, will Scheibe wissen. Arbeit, mit der man gutes Geld verdient und die dem Gemeinwohl dient, beginnt Schöder. Bei der Gelegenheit wirbt er für die „Gemeinwohl-Ökonomie“ von Christian Felber. Schachtschneider erwähnt, dass er viele Jahre Berufsschullehrer war und sah, wie viele Schüler die Region verließen. Sein Fazit daraus: „Ich muss für meine Arbeit anständig bezahlt werden.“ 8,50 Euro, 10 Euro, 20 Euro – was anständig ist, sei zu klären. Wend stimmt zu: „Ich muss davon leben können.“ Er erwähnt den Mindestlohn und meint, dass das zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist. „Wir wissen alle, dass das ein Anfang ist.“ Der Mindestlohn hätte viel eher kommen und schon mit Hartz IV verbunden werden müssen. Aldag meint, dass Arbeit Spaß machen muss, „denn dann mache ich das auch gut“. Jeder soll seinem Wunschberuf nachgehen können. Ordentliche Entlohnung findet auch er wichtig. Knöchel beginnt mit der Bemerkung, dass einmal dahingestellt ist, ob Arbeit immer Spaß machen muss. Mit einer ordentlichen Entlohnung sei es nicht getan. Es gehe um einen sicheren Arbeitsplatz. Den nun geltenden Mindestlohn sieht er im Gegensatz zu dem, weswegen die Linke das Thema einst aufgegriffen hatte: Die Linke sah die Arbeitenden zu wenig vertreten, Lohndumping griff im Osten um sich. Der Wettbewerb lief zulasten der Löhne, die Linke will aber einen Wettbewerb der Ideen und Innovationen. Der Mindestlohn sollte die unterste Lohngrenze sein. Dass die Flüchtlingswelle in CDU-Kreisen zu Überlegungen führte, den Mindestlohn wieder zu kippen, wehrt Schachschneider schließlich ab als eine Idee, die seinem Anliegen als ehemaligen Arbeitnehmervertreter widerspricht. Wend ergänzt, dass der Lohn ein gesellschaftlicher Prozess ist und berichtet, was Putzkräfte über den Mindestlohn sagen: Er hat ihnen nichts gebracht. Schöder erneuert nun seine Attacke gegen die Regierungsparteien CDU und SPD: „Die Landesregierung ist auch ein Arbeitgeber.“ Er erinnert an die Sparrunden des Landes im Öffentlichen Dienst bei Bildung und Kultur. Seit Jahren gebe es Kürzungen, Haustarife, Lohnverzicht. Das Theater in Dessau habe kurz davor gestanden, dass eine ganze Sparte schließt. „Es reicht hinten und vorne nicht.“ An der Stelle lobt er die Zusammenarbeit mit Linken und Grünen, hingegen er bei CDU und SPD auf Mauern gestoßen ist.

„Alle sind sehr sympathisch, aber darum geht es nicht“

Nach dem Kuscheleinwand des Moderators und der Attacke von Schöder lässt sich Wend nun doch herauslocken und keilt zurück. Die FDP habe jahrelang für den Abbau gestanden. Die FDP sei noch nie als besonders sozial aufgefallen. Gott sei dank liege die Partei unter fünf Prozent. Herr Schöder leide unter einer einer Wahrnehmungsstörung, wenn er jetzt als „sozialer Racheengel“ auftrete. Knöchel geht rhetorisch klüger vor und erklärt: „Alle vier, die hier neben mir sitzen, sind sehr sympathisch. Aber darum geht es nicht.“ Die Frage sei, was die Parteien und ihre Kandidaten nach der Wahl konkret unternehmen werden. Knöchel spricht von unzähligen Angriffen der CDU gegen Arbeitnehmerinteressen. „Die CDU hat sich mit dem Mindestlohn immer noch nicht abgefunden.“ Schachtschneider wehrt sich: Die CDU sitzt mit 42 Personen im Landtag, also 42 unterschiedlichen Meinungen. Für ihn ist klar: 8,50 Euro Stundenlohn sind zu wenig, nicht zuletzt mit Blick auf die Rente. Die Löhne unterschieden sich mitunter im selben Haus gewaltig. Schöder ist nun wieder an der Reihe und nutzt die Gelegenheit, um sich gegen Wends Retourkutsche zu verteidigen. „Die FDP hat sich erneuert und ist nicht mehr die Partei, die sie vor fünf Jahren war.“ Arbeit müsse sich lohnen. Mut zur Eigenverantwortung sei gefragt. Die FDP habe diese Mutigen unterstützen wollen, woraus in der Presse die „Partei der Besserverdiener“ geworden sei. Diese eine Wortverdreherei habe eine ganze Partei kaputt gemacht.

Ralf Scheibe schaut auf die Uhr. Eine Stunde ist herum. Jetzt sollen die Bürger Fragen stellen können. Eine Bürgerin steht auf. Statt einer Frage formuliert sie ein Statement: „Ich finde, dass die Wirtschaft genug bekommen hat. Jetzt ist das Volk an der Reihe.“ Ein Bürger legt nach: CDU und SPD hatten jahrelang Zeit. „Was wollen Sie denn nun anders machen?“ Die Reichen seien geschont und das Geld von unten nach oben gereicht worden. Schöder und Schachtscheider wenden dagegen ein, dass ihnen diese Aussage zu pauschal ist. Es ist nicht wahr, dass alles schlechter geworden ist, sagt Schachtschneider, aber es gibt viele Baustellen. Jetzt spricht wieder eine Frau: Nur in 40 Prozent der Betriebe gibt es eine Tarifbindung. Sachsen-Anhalt hafte das Image „Billiglohn-Land“ an. Junge Menschen wandern ab. Das Billiglohn-Image müsse man loswerden. Aus der Sicht von Aldag, der vor 23 Jahren aus Stuttgart zugezogen ist, gibt es dafür kein Allheilmittel. Er könne nichts versprechen. Sachsen-Anhalt habe eine strukturelles Problem. Das zu ändern, liege auch an den Menschen. Sie müssten Stolz auf ihr Land entwickeln und es nach außen positiver darstellen. Sachsen-Anhalts Landschaft und seine Menschen mit Ideen könnten sich sehen lassen. Knöchel will es nicht bei solchen Allgemeinplätzen lassen: „Da gibt es schon einige Stellschrauben.“ Der Linke erinnert an die Rolle von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) und seine Kürzungen im Öffentlichen Dienst. Kritisch sei auch die Vergabepolitik des Landes zu sehen. Der von der Landesregierung verfolgte Grundsatz, wonach sozial ist, was Arbeit schafft, greife zu kurz. Bei der Vergabe von Aufträgen sollte das Land nicht auf das billigste Angebot, sondern auch nach den Bedingungen in den Unternehmen schauen, denen es Aufträge zuteilt. Knöchel kritisiert den Arbeitgeber Land, der unter anderem bei der Universitätsklinik Halle Arbeitsplätze ausgliedert, um so Geld zu sparen. Ein weiterer Bürger greift das Thema Vergabe auf: „Warum schreibt man nicht in die Vergabe: Bedingung Betriebsrat?“ Er nennt das Kfz-Gewerbe: 800 von 16.000 Mitarbeitern landesweit erhielten noch Tariflohn. Dann verweist er auf die Leiharbeit. In Frankreich bekämen Leiharbeiter mehr Geld als die Stammbelegschaft. Die Leiharbeit sei ja eigentlich für Auftragsspitzen, also kurzzeitige Engpässe, vorgesehen. Tatsächlich aber seien das in Deutschland die Sklaven, die schlechter bezahlt werden, jahrelang. Wend nimmt den Faden auf und sagt: „Das mit der Leiharbeit ist unerträglich.“ Bei der SPD stehe das Thema im Programm.

„Die Politiker haben verlernt, den Menschen zuzuhören“

Schachtschneider berichtet von seiner Erfahrung: Wo es Tarife gibt, hängt auch vom Organisationsgrad der Menschen ab. „Gerade wir im Osten haben so einen schlechten Organisationsgrad.“ Er habe seine Lehrlinge immer für die IG Metall geworben, so der CDU-Mann. Jetzt erklärt auch Schöder (FDP), immer für die Gewerkschaften geworben zu haben. Wenn das Orchester am Theater beispielsweise besser dastehe, dann weil es zu 99 Prozent organisiert sei. Er habe für das Orchester geredet und sei dafür gelobt worden, doch als er erklärte, Direktkandidat für die FDP zu sein, war es vorbei mit dem Lob. Eine Bürgerin kritisiert, dass die Kandidaten im Podium alle Verantwortung von sich weisen. Dabei sie die Wirtschaftspolitik Sachsen-Anhalts ein Trauerspiel. Die Bürger hofften auf Besserung. Die Politiker sollten endlich agieren und nicht nur erzählen. Schachtschneider weicht der Kritik aus. Mit der Wirtschaft kenne er sich nicht aus, Bildung sei sein Thema. Aldag reagiert anders: „Die Politiker haben verlernt, den Menschen zuzuhören und auf sie zuzugehen.“ Sie müssen mehr rausgehen, um von den vielen Fragen und Lösungsansätzen zu erfahren. Das sagt der Grüne, um schließlich auch auf dem Thema Wirtschaft auszuweichen. Er nennt stattdessen die grünen Kernthemen Bildung, Natur- und Klimaschutz sowie artgerechte Tierhaltung und gute Ernährung. Schweigen im Saal, kein Beifall. Es ist wichtig, die Menschen im Land zu halten, meint Knöchel. Er betont die Hochschulen und das kulturelle Umfeld. Das Geld sei da. Das Land habe zuletzt 500 Millionen Euro vorhandene Steuergelder nicht ausgegeben.

Wend wechselt das Thema. Er findet, dass die Ebenen Stadt, Land und Bund besser zusammenarbeiten müssen. Die Verhärtung prekärer sozialer Strukturen in Halle sei nicht hinnehmbar. Halle schaffe das nicht alleine. Das Land müsse die Kinder- und Jugendhilfe unterstützen. Und dann kommt er doch noch auf die Wirtschaft: Den Mittelstand und das Handwerk zu stärken, bringe mehr als Großansiedlungen. Schöder, selbst Kulturschaffender, erklärt, dass er seit 1990 erzählt, wie wichtig Kultur und Bildung sein. Künstler gäben Kindern Mut die aus schwierigen sozialen Verhältnissen kommen. Jetzt mischt sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby ein, der mit im Publikum sitzt. Er berichtet von seiner studierenden Tochter und stellt die Frage an alle in der Runde, welche Anreize man schaffen kann, damit die jungen Menschen hier bleiben. Von Knöchel will er zudem wissen, wie er das Koalitionsangebot der FDP sieht, wo es da Schnittmengen gibt. Die Schnittmenge mit der FDP ist nur Schöder, antwortet Knöchel. Er habe auch die FDP kennengelernt, mit der es keine Gemeinsamkeiten gebe. Um die Jugend zu halten, will er bei der Bildung ansetzen. Man müsse sich mehr um die Sekundarschulen kümmern und die Unternehmen müssten mehr für qualifizierten Nachwuchs tun und könnten nicht immer fertige Mitarbeiter erwarten.

Mehr Hilfe beim Berufseinstieg nötig

Nun spricht Aldag ein Spannungsverhältnis an: Einerseits gibt es viele offene Ausbildungsplätze, andererseits sagen Betriebe, dass zu viele Schulabgänger nicht zu gebrauchen sind. Es müsse mehr Hilfe beim Berufseinstieg geben und bessere Bedingungen für Unternehmensgründungen. Es er sich selbstständig machte, habe er ein Jahr lang jeden Monat 1000 Euro bekommen. Das gebe es nicht mehr. Für Wend steht hingegen fest, dass Diabys Tochter spätestens dann aus dem Westen nach Halle zurückkommt, wenn sie einen Kindergartenplatz braucht. Dafür kassiert er Gelächter im Publikum. Schachtschneider betont, dass die Ausbildung gut ist, es aber auf die Bezahlung ankommt. Auch Schöder reitet das Bildungsthema. Die besten Schüler, die er bei Kulturveranstaltungen erlebte, kamen aus der Kreativitätsschule in Halle-Neustadt. „Dort werden alle Sinne entwickelt.“ Jetzt kommt die letzte Meldung des Abends aus dem Publikum. Ein Jungspund von der IG Bau fordert ein Tariftreuegesetz. Er kritisiert das Land als schlechtes Vorbild. So werde eine gelbe Baufirma (er meint die Günter Papenburg AG) überall hofiert und bekomme viele öffentliche Aufträge, obwohl sie teilweise deutlich unter Tarif bezahle. Schöder schlägt in die Kerbe und bringt Kosten und Qualität prominenter GP-Baustellen ins Spiel: die verpfuschte A14 und das teure Finanzamt Halle, das es gar ins Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler schaffte. Der Jugendliche von der IG Bau schiebt hinterher, dass in Sachsen-Anhalt zwar viel ausgebildet wird, die Übernahmechancen jedoch sehr gering sind. Das sei in anderen Bundesländern besser organisiert. So in Bayern, wo es dafür sogar eine Anstalt Öffentlichen Rechts gebe.

Fazit des Abends: Den meisten Beifall erhielt Swen Knöchel (Linke), die meisten Lacher Olaf Schöder (FDP). Wolfgang Aldag (Grüne) und Detlef Wend (SPD) sorgten immer wieder für Unbehagen oder ungläubiges Schweigen, wobei Wend oft schlecht zu verstehen war. Bei Schachtschneider blieben die Gefühle der Zuhörer lauwarm. Insgesamt entstand, so oder so, der Eindruck, dass Kandidaten und Wahlvolk nicht so richtig zueinander fanden.

Wer ist eigentlich Olaf Schöder?

http://www.olaf-schoeder.de

Olaf Schöder – Bariton, Gesangspädagoge, Lebenscoach

www.olaf-schoeder.de

Olaf Schöder – Politische Arbeit. MUT und ENTSCHLOSSENHEIT braucht es, als Direktkandidat des WK 37 in Halle, und auf dem Listenplatz 9 für die FDP zur Landtagswahl …

Gemeinwohl-Ökonomie nach Christian Felber, eine Idee zur Rettung der Demokratie

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