Appell an die Stadt Halle: Kulturbarbarei beenden!

von 16. Juni 2015

Nun häufen sich Brandstiftungen in den Objekten und man hört schon die Stimmen, die sagen, „die Schandflecken müssen weg“ oder scheinheilig verklausuliert gesprochen, „war leider nicht zu retten“. Es ist eine Schande, ja kriminell, was da passiert. Von Halles Verwaltungsspitze ist dazu schon seit Jahren nichts zu hören. Wenn sich Bürger engagieren wollen, dann bekommen sie im günstigsten Fall Schulterklopfen. Sonst hat der Abrissbagger Vorfahrt. Ruckzuck wurde etwa die Zuckerraffinerie einem schnöden Zweckbau von Dell geopfert, statt den Weltkonzern für die Sanierung einer geschichtsträchtigen Immobilie zu gewinnen. Die ehemalige Most-Schokoladenfabrik wurde einem bis heute nicht vollendeten Betonmonster geopfert.

Der Finanzamt-Neubau an der Spitze belegt, dass den Entscheidern in Stadt und Land offenbar die nötige Sensibilität fehlt, um Halle an der Saale wirklich als Kulturstadt und architektonisches Flächendenkmal wahrzunehmen. Geradezu schockierend ist die Kosten-Chronik des Mitteldeutschen Multimedia Zentrums (MMZ). Nicht genug damit, dass mitten in die historische Vorstadt ein hässlicher Klotz gesetzt wurde, der alle Sichtachsen versperrt. Nein. Jetzt werden dort nach Fehlern bei Planung und Hochwasserschutz des Gebäudes weitere 20 Millionen Euro versenkt. Für das viele Geld hätte in schönster Lage direkt an der Saale, zudem hochwassersicher und denkmalerhaltend die ehemalige Freybergs Brauerei als Medienzentrum auferstehen können. Dass der geschichtesvergessene Ton immer wieder auch durch Halles Stadtrat und diverse Medien weht, komplettiert das Dilemma. Aber, so ist das: Wer hat, der weiß das nicht zu schätzen.

Wer mit offenen Augen durch die ostdeutschen Länder fährt, der sieht den massiven Raubbau an deutscher Kultur und Geschichte allerorten. Von immer neuen Wellen der Ignoranz, Profitgier und Vandalismus werden große Teile des deutschen Industriezeitalters überrollt und weggerissen. Erst durften die Hyänen die Betriebe plündern, denen die Treuhand die Tore öffnete. Ihnen assistierten Antiquitätenhändler vornehmlich aus Holland, die herrliche Holztreppen, kunstvolle Kamine und Öfen wegschleppten. Dann kamen die Schrottdiebe, die Kabel, Rohre, Stahltreppen und die noch nicht ins Ausland verscherbelten Maschinen und Geräte heraus rissen. Es folgte die „Beräumung“ von Flächen für Investoren, die an die Stelle stolzer Klinkerburgen hässliche Zweckbauten aus Beton, Stahl und Glas setzten oder später zunehmend große Solarkraftwerke, vornehmlich aus China, auf die Grabplatten der kaiserzeitlichen Wirtschaftswunderjahre setzten. Über all die Jahre trugen hirnverbrannte Randalierer und dubiose Immobilienbesitzer ihrer Teil dazu bei, dass der einstige Stolz deutschen Ingenieurwesens und deutscher Industriearchitektur vom flächendeckenden Museumsensemble zu traurigen Ruinen, Brachen und Kistenarchitekturwüsten verkam. Über diverse Förderprogramme wurden schließlich Steuermillionen dafür ausgegeben, die nach jahrelanger Vernachlässigung und Zerstörung heruntergekommenen Anwesen zu schleifen und die rekultivierten Flächen öffentlichkeitswirksam als Parks und Gartenschauen anzupreisen.

Es reicht! So kann es nicht weitergehen mit Halles Industrieobjekten. Gerade die Brauerei ist ein herausragendes Gebäudeensemble. Sie war einmal die größte Privatbrauerei Deutschlands. Halles Verwaltungsspitze sollte endlich aktiv werden und eine Stiftung zur Rettung wichtiger historischer Gebäude in Halle einrichten. Schließlich sind alle geretteten Einrichtungen der Stadt, die eine vergleichbare Größe haben, Stiftungen, seien es die Franckeschen Stiftungen, die Paul-Riebeck-Stiftung oder die Stiftung St. Cyriaci et Antonii.

Ein Funke Hoffnung zeigte sich nach dem Höllenfeuer an der Glauchaer Straße. Zahlreiche Hallenser und ehemalige Hallenser zeigten sich betroffen, traurig und verärgert über den Frevel. Nach Fluten gibt es Flutmittel. Und nach Feuer? Die Brandstifter müssen endlich gefunden und hart bestraft werden. Dass die Polizei die Ermittlungen einstellt, wenn das Feuer am Tatort die Spuren vernichtet, wie es beim Brand des Böllberger Weges Nummer 1 erst vor wenigen Monaten geschah, ist nicht weiter hinnehmbar. Kulturbarbarei ist kein Kavaliersdelikt.