Appell an Menschlichkeit, Aufruf zu Solidarität mit den Flüchtlingen

von 28. August 2015

In einem Wort an die Gemeinden schreibt Junkermann: “Grundlegende Werte unseres Zusammenlebens sind in Gefahr. In dieser Situation sind wir als Christinnen und Christen besonders herausgefordert.” Kern des Glaubens sei es, die Schwachen zu stützen und den Verfolgten Schutz zu gewähren: “Ich bitte Sie eindringlich, Herz und Gesicht zu zeigen, wo immer die Menschenwürde bedroht wird. Sagen wir Nein, wenn Menschen diffamiert und verunglimpft werden.”

Zugleich bittet Landesbischöfin Junkermann aber auch, im Gespräch zu bleiben mit jenen, die Ängste haben und Vorbehalte gegen Flüchtlinge: “Es stimmt ja: Die Herausforderungen für unsere Gesellschaft sind enorm. Manche zweifeln, ob die Sozialsysteme der Belastung gewachsen sind. (…) Ich bin mir sicher: Unser Land ist auch heute stark genug, um die Menschen aufzunehmen, die ein Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung haben”, so Junkermann.

Wort der Landesbischöfin an die Gemeinden

Jesus sagt: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Matthäus 25, 40)

Liebe Schwestern und Brüder in den Kirchengemeinden!

Schlimme Bilder sehen wir in diesen Tagen: Häuser brennen. Steine fliegen. Menschen werden beschimpft und bedroht und fürchten um ihr Leben. Umstehende klatschen Beifall dazu. Das geschieht nicht nur in Heidenau. Es geschieht leider an vielen Orten in Deutschland, auch auf dem Gebiet unserer Landeskirche. Mich erschüttert das Ausmaß an Hass und Gewaltbereitschaft Menschen gegenüber, deren einziges “Vergehen” es ist, in unserem Land Schutz zu suchen. Grundlegende Werte unseres Zusammenlebens sind in Gefahr. In dieser Situation sind wir als Christinnen und Christen besonders herausgefordert.

“Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu Essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen.” (Mt 25, 35ff) Mit diesen Worten stellt Jesus sich eindeutig auf die Seite der Schutzsuchenden. Aus dieser Haltung speist sich unsere europäische Kultur, und sie gehört erst recht zum Kern unseres Glaubens: den Schwachen stützen, dem Verfolgten Schutz gewähren, dem Notleidenden helfen. Mitmenschlich handeln, das gehört elementar zu unserem Menschsein.

So bitte ich Sie besonders in diesen Tagen und Wochen, für Menschlichkeit einzustehen. Jeder Mensch hat eine unverlierbare Würde, ganz egal, woher er kommt und welche Sprache er spricht. In jedem Flüchtling begegnet uns das Antlitz Christi. Ich bitte Sie eindringlich, Herz und Gesicht zu zeigen, wo immer die Menschenwürde bedroht wird: Sagen wir Nein, wenn Menschen diffamiert und verunglimpft werden – auf der Straße, am Stammtisch, in der Schulklasse und unter Kollegen. Fühlen wir uns ein in die Situation derjenigen, die vor Krieg, Verfolgung und Not geflohen sind und oft Furchtbares erlebt haben. Hören wir ihnen zu. Helfen wir ganz praktisch – mit Kleidung, mit Sprachunterricht, mit Unterstützung im Alltag. Öffnen wir unsere kirchlichen Räume für Gespräche und Begegnungsmöglichkeiten. Unsere Landessynode hat einen Fonds bereitgestellt, um diese Arbeit finanziell zu unterstützen. Herzlich danke ich allen, die sich jetzt schon für Flüchtlinge engagieren!

Und ich habe eine zweite Bitte an Sie: Bleiben Sie im Gespräch mit denen, die Ängste und Vorbehalte haben angesichts der großen Zahl von Menschen, die zu uns kommen. Denn es stimmt ja: Die Herausforderungen für unsere Gesellschaft sind enorm. Manche zweifeln, ob die Sozialsysteme der Belastung gewachsen sind. Manche fürchten um die kulturelle Identität. Erinnern wir uns: Nach dem 2. Weltkrieg haben Millionen von Flüchtlingen im heutigen Deutschland Zuflucht gefunden. Ich bin mir sicher: Unser Land ist auch heute stark genug, um die Menschen aufzunehmen, die ein Recht auf Schutz vor Krieg und Verfolgung haben. Treten wir als Kirche, als Kirchengemeinden und als einzelne Christinnen und Christen dafür ein – im Namen der Menschlichkeit und im Namen Jesu!