Bachelor, Master und studentisches Engagement

von 15. Juli 2009

Die Bildungsstreiks in den letzten Wochen haben es gezeigt: sonderlich beliebt sind die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge an der Uni Halle nicht. “Verschulung des Studiums”, “Kaum noch Zeit” – das sind einige der Vorwürfe, die von Seiten der Studentenschaft immer wieder laut werden. Ein straff durchgezogenes dreijähriges Bachelor- und ein anschließendes zweijähriges Masterstudium lassen kaum noch Zeit für studentisches Engagement, ist zu hören. Doch ist das tatsächlich so? Und – wenn ja – was kann man dagegen tun? Damit beschäftigte sich am Mittwochabend im Löwengebäude eine Podiumsdiskussion der Sozialdemokratischen Hochschulgruppe. Zwischendurch driftete die Diskussion aber auch in andere hochschulpolitische Themen ab.

Engagement – das legt Michael Seifert mit seiner Arbeit im Studentenrat an den Tag. Konflikte mit dem Wechsel auf BA/MA kann er zumindest bei seinem Studium nicht erkennen. “Die Naturwissenschaften warne eh schon stark verschult.” Das aber gerade aus den Geisteswissenschaften Klagen kommen, kann er nachvollziehen. Kritik übte Seifert an den von einigen Dozenten geführten Anwesenheitslisten.

Deutliche Worte fand Studentin Stephanie Scholz. “Ich hab keine Zeit für studentisches Engagement.” Für die Geisteswissenschaften sei die Umstellung auf Bachelor und Master ein harter Fall gewesen. Denn in diesen Fächern müsse viel gelesen werden. “Jeder Mensch braucht unterschiedliche Zeiten, um einen Text zu lesen und zu verstehen.” Darauf würde das neue Studiensystem keine Rücksicht nehmen, beklagte Scholz.

Die Bundespolitik vertrat Ernst-Dieter Rossmann, der im Bundestag in der Arbeitsgemeinschaft "Bildung und Forschung" mitarbeitet. Seinen Worten zufolge sind Veränderungen zwar grundsätzlich nötig. Das sei aber kein Grund, BA/MA aufzugeben. Dem Studium eine Struktur zu geben schade nicht. Allerdings müsse auch eine Möglichkeit zu Selbstgestaltung gegeben sein. Welche Änderungen sind nötig? Eine größere Offenheit zu dem was andere Hochschulen tun zum Beispiel und die Möglichkeit, viel mehr Studiengänge miteinander verbinden zu können.

Ministerialrat Peter Vießman arbeitet im Kultusministerium von Sachsen-Anhalt und damit in der Behörde, die bei den Hochschule im Land die Fäden in der Hand hält. Er warf zunächst einen Blick in die Vergangenheit zu den Gründen der Einführung des neuen Systems. Zurückzuführen sei das auf Beobachtungen mehrerer Ministerien. Diese hätten festgestellt, dass immer weniger deutsche Studenten ins Ausland gehen, aber auch immer weniger ausländische Studenten nach Deutschland kommen. Also stand das Ziel fest: ein System schaffen, mit denen man Studium und Abschlüsse gegenseitig anerkennen kann. Soweit, so gut. Doch: nach der Einführung haben zwar Verbände fünf Jahre lang gegen das neue System geredet. Doch Ideen zur Beseitigung der “Geburtsfehler” habe niemand gegeben. Die Kritik von Studenten, dass die Länge der Bachelorstudiengänge auf sechs Semester festgelegt wurde, konnte Vießmann nachvollziehen. “Darüber lässt sich reden.” Schließlich stehe diese Festlegung nicht im Bologna-Prozess. Doch selbst eine Verlängerung auf 8 Semester und damit vier Jahre ist ohne Änderungen am System wenig sinnvoll, beklagten die Studenten. Denn in gleichem Maße würden die notwendigen ECTS-Punkte und Workload steigen. Für die Studenten also keine Entlastung.

Auch Prorektor Christoph Weiser brachte sich in die Diskussion mit ein. Er gestand Fehler ein. Doch die seien bei einem solchen Mega-Prozess unumgänglich gewesen. “Wer glaubt eine derartige Umstrukturierung verläuft in einer perfekten Form ohne Fehler, den müssen wir aus dem Paralleluniversum zurück in die Realität holen”, so Weiser. Die von den Studenten kritisierte Regel 3 Jahre BA und 2 Jahre MA führte Weiser aus Beschlüsse der Kultusministerkonferenz zurück. Einer der Kritikpunkt ist auch der Wechsel auf andere Universitäten und die gegenseitige Anerkennung. Alles kein Problem, befand Weiser. Nur, die Studenten wüsste das eben im Vorfeld nicht. Weiser sah hier noch einige Kommunikationsprobleme. Er will nun stärker mit Studenten, die zum Beispiel Auslandssemester absolvieren möchten, über die Möglichkeit der Anerkennung von Lehrveranstaltungen aktiver reden.

Doch hatte die Umstellung auf Bachelor und Master finanzielle Gründe? Das war eine Vermutung, die ein Vertreter der Universitäts- und Landesbibliothek ULB in die Diskussion einbrachte. Finanziell hätte die Umstellung keinerlei Auswirkungen, erklärte Prorektor Weiser. Die Finanzsituation habe sich weder verbessert noch verschlechtert. Doch Finanzen hätten bei der Aufstellung und Umsetzung des ganzen Prozesses auch gar keine Rolle gespielt, so MdB Rossmann. Ziele seien vielmehr unter anderem das Interesse an einer Verbesserung des Studiums und der Studierfähigkeit gewesen. Bachelor und Master seien kein Sparpotential. “Im Gegenteil. Wenn es gut läuft, braucht man sogar mehr Geld”, so Rossmann. Das konnte auch Peter Vießmann bestätigen. “Es gab nie die Diskussion Geld einzusparen.” In der Reduzierung der hohen Abbrecherquoten sei der Grund für die Umstellung eher zu suchen.

Und damit fand die Diskussion wieder den Schwenk zum Ursprungsthema: Zeit für Ehrenamt? Die Meinungen der Studenten gehen hier auseinander. Eine Studentin machte den Vorschlag, das Ehrenamt anzuerkennen und so die Regelstudienzeit erhöhen zu können. Eine Naturwissenschaftlerin beklagte, das man in ihrem Studiengang eigentlich mit drei Jahren gar nicht auskomme. Andere Studenten sahen durch die Begrenzung der späteren Masterstudiengänge eine gewisse Drucksituation. “Die Prozentregelung ist fehl am Platz”, so Michael Seifert, der sich eher für eine Zulassungsprüfung aussprach. Wiederum aus einer anderen Ecke wurden Stimmen laut, die sehr wohl Zeit für Ehrenamt finden. Eine junge Frau verwies dabei vor allem auf die Wichtigkeit eines Zeitmanagements. Alles in allem wurde aber deutlich: Ehrenamt wird im Studium nicht gewürdigt. Doch das geforderte Ehrenamts-Semester lehnte MdB Rossmann ab. Er sprach sich hingegen für die Anerkennung bestimmter Positionen aus. Und Prorektor Weiser brachte gar eine Anerkennung im Rahmen der ASQ Schlüsselqualifikationen ins Gespräch.

Ganz am Ende wurde dann auch noch die Evaluation der Studiengänge angesprochen. Die geschieht derzeit auf freiwilliger Basis. Das aber will Prorektor Weiser ändern und sie zur Pflicht machen.