Bemühungen um Unterbringung, Diskussion um Ursachen

von 19. August 2015

Die größte Einwanderergruppe in den Monaten Januar bis Juni 2015 waren mit Blick auf die Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht etwa Syrer (34.400), sondern Albaner (Albanien und Kosovo). 53.600 kamen nach Deutschland. Danach folgten Menschen aus Serbien (15.800) und dem Irak (9200). Aus dem ehemaligen Jugoslawien kamen zudem 6700 Mazedonier. Die am stärksten vertretenen afrikanischen Staaten waren Eritrea (3600) und Nigeria (2900). Insgesamt ging es gemäß „Asylgeschäftsstatistik“ um mehr als 179.000 Menschen. Die Zahl der so genannten Erstanträge auf Asyl hatte sich gegenüber dem Vergleichszeitraum in 2014 mehr als verdoppelt.

Petra Schneutzer heißt die Beauftragte für Migration und Integration der Stadt Halle. Chef des übergeordneten Ressorts ist Sozialdezernent Tobias Kogge. Das sind die Zahlen aus ihrem Zuständigkeitsbereich: Am 30. Juni 2015 lebten 13.116 Menschen mit ausländischem Pass in Halle. Die meisten Ausländer in Halle sind EU-Bürger gefolgt von Vietnamesen und Russen. Im gesamte Jahr 2014 hat Halle rund 1200 Flüchtlinge zugeteilt bekommen. Im Juli 2015 waren es allein 154. Mit Stand vom Frühjahr 2015 kamen an der Spitze der Einwanderungsstatistik in Halle 26 Prozent der Flüchtlinge aus Syrien, zwölf Prozent aus Somalia und zehn Prozent aus Indien. Nach einem bundesweiten Aufnahmeschlüssel bekommt Sachsen-Anhalt drei Prozent aller in Deutschland ankommenden Flüchtlinge zugewiesen. Von diesen drei Prozent muss die Stadt Halle (Saale) 11,4 Prozent aufnehmen. Gemäß den Richtlinien des Landes Sachsen-Anhalt stehen jedem Flüchtling sieben Quadratmeter Wohnraum zu. Untergebracht wurden die Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften in der Ludwig-Wucherer-Straße, der Huttenstraße, der Ernst-Kamieth-Straße und der Wilhelm-Külz-Straße mit insgesamt 362 Plätzen sowie in dezentral angemieteten Wohnungen oder Wohngemeinschaften in der Trakehner Straße und im Robinienweg. Untergekommen sind sie zudem in Privathaushalten. Die Ausschreibungen für weitere Unterkünfte laufen. Weil mit weiterem Kapazitätsbedarf gerechnet wird, soll nun offenbar in Halle-Trotha ein altes Armeeobjekt als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden. Die Vorbereitungen laufen über das Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt.

Engagement für Flüchtlinge und Fragen nach Fluchtursachen

Während die Mehrheit der Menschen das Geschehen weiter nur beobachtet oder kritisch kommentiert, engagieren sich immer mehr Menschen in der Flüchtlingshilfe. Seit dem Jahr 2002 für Flüchtlinge aktiv ist die Gruppe „no lager halle“. Die Initiative ist bei der Vereinigten Linken angesiedelt, will Asylsuchenden helfen und auf ihre Problemlagen aufmerksam machen. 2015 ins leben gerufen wurde die Koordinierungsstelle „Engagiert für Flüchtlinge“ der Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis. Zeitgleich verweisen Aktivisten der neuen Friedensbewegung Halle auf die Ursachen des Flüchtlingsdramas. Waffenexporte nicht zuletzt aus Deutschland und die Aktivitäten der Nato-Staaten hätten erheblich zur Eskalation der Lage beigetragen. Auf einer Protestaktion jüngst in Dresden trugen die Aktivisten aus Halle unter anderem ein Transparent mit der Aufschrift „US-Vasallen-Kriege und Rüstungsexporte schaffen Flüchtlinge“. Darauf gründet sich auch die Forderung, dass die Verursacher und Profiteure des Elends endlich zur Kasse gebeten werden mögen.

Einer aktuellen Umfrage des Nachrichtenmagazins „Stern“ zufolge erlebt die deutliche Mehrheit der Deutschen Deutschland als Einwanderungsland. Ebenfalls eine deutliche Mehrheit akzeptiert Krieg und politische oder religiöse Verfolgung als Flucht- und Einwanderungsgrund. Den Wunsch nach einem besseren Leben sahen nur 13 Prozent der befragten als ausreichend an. Jeder zweite Befragte möchte kein Flüchtlingsheim in seiner Nachbarschaft. Die klare Mehrheit der Deutschen sieht keine der im Bundestag vertretenen Parteien als kompetent an, die aktuelle Problemlage zu lösen. Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand hatte bei der Ankündigung, Halle werde Sachsen-Anhalts zentrale Aufnahmestelle in Halberstadt unterstützen, erklärt, die Flüchtlinge seien hier willkommen. Auf Facebook kommentierte eine Nutzerin die Aussage mit der Bemerkung, „Ob er sich da mal nicht zu weit aus dem Fenster lehnt“ und bekam dafür in dem Kommentarstrang den Spitzenwert von 35 Likes.

Inzwischen richtet sich das Augenmerk von Politik, Medien und Polizei verstärkt auf die Schleuser, die Hunderttausende Menschen aus Asien und Afrika nach Europa bringen und damit ein riesen Geschäft machen. Weil etliche europäische Staaten die Flüchtlinge offenbar direkt nach Deutschland durchwinken, wird auf höherer politischer Ebene erwogen, das Schengen-Abkommen, wonach sich im EU-Raum jeder frei bewegen kann, auszusetzen und Kontrollen an den deutschen Grenzen einzuführen. Indes hatte die Polizei nach verschärften Sicherheitsvorkehrungen beim letzten G7-Gipfel in Davos erklärt, dass die hohe Zahl der festgestellten Strafen offenbar regelmäßige Kontrollen erforderlich macht.

In der Asylfrage haben sich zwei Lager gebildet: Die einen sprechen von Willkommenskultur und wollen alle Flüchtlinge freundlich empfangen und versorgen, die anderen sehen sie als Bedrohung an und sprechen von den „Asylforderern“.

Hintergründe zur Einwanderung von Menschen aus Balkanstaaten

Nach Angaben des US-Außenministeriums und Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes ist der Kosovo bis in die Regierungskreise von der organisierten Kriminalität durchzogen. Von Drogenhandel, Geldwäsche und Korruption im großen Stil ist die Rede. Die Arbeitslosenquote im Land schwankte zuletzt zwischen 40 und 60 Prozent. Am stärksten betroffen waren junge Menschen. Aus Sicht der Weltbank lebt mehr als ein Drittel der Menschen unter der Armutsgrenze. Die massiven Probleme einerseits und das weiterhin schnelle Bevölkerungswachstum hat seit Herbst 2014 verstärkt zu systematischen Wanderungsbewegungen nach Deutschland und Schweiz geführt.

In Mazedonien ist nach einem Fast-Bürgerkrieg im Jahr 2001 der Konflikt zwischen Mazedoniern und Albanern (mit 25 Prozent die größte Minderheit des Landes) im Mai 2015 wieder voll entbrannt. Die Region ist eine der ärmsten Europas, die Kriminalität nach Angaben des Auswärtigen Amtes vergleichsweise niedrig.

In Serbien leben 21 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze. Die Privatisierung der Betriebe nach dem Ende des Sozialismus und des Staates Jugoslawien hat vor allem Roma arbeitslos gemacht, weswegen sie nun mit Müllsammeln Geld verdienen. Wegen der anhaltenden Diskriminierung auch im Kosovo und in Ungarn sind viele Roma auf der Flucht.

Gespendet werden kann an Organisationen und Vereine

http://www.halle.de/de/Verwaltung/Zielgruppen/Auslaender-und-Migranten/

Integrationsnetzwerk der Stadtverwaltung Halle

http://www.halle.de/de/Verwaltung/Zielgruppen/Auslaender-und-Migranten/

Hallesche Initiative „no lager halle“

http://no-lager-halle.org/home.htm

Koordinierungsstelle „Engagiert für Flüchtlinge“ der Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis

http://www.freiwilligen-agentur.de/themen-und-projekte/engagiert-fuer-fluechtlinge/koordinierungsstelle-engagiert-fuer-fluechtlinge/

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

http://www.bamf.de

Friedensbewegung Halle

http://www.friedensbewegung-halle.de

Verein Flüchtlinge Willkommen in Berlin

http://www.flüchtlinge-willkommen.de/

Umfrage des Stern

http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-umfrage-zu-fluechtlingen–mehrheit-sieht-deutschland-als-einwanderungsland-6378898.html