Betreuung in der Warteschlange

von 23. August 2010

Rund 20 Tagesmütter in Halle bieten sich als Alternative zu den öffentlichen Kindertageseinrichtungen an. Laut eigenem Bekunden wollen sie damit auch einen Mangel an Kita-Plätzen ausgleichen helfen. Die Stadt dagegen betont, dass es in Halle genug Plätze für Kinder in Tageseinrichtungen gebe. Bislang greift die Stadt nur dann auf Tagesmütter zurück, wenn der gesundheitliche Zustand des Kindes die Betreuung in einer Tagesstätte erschwert.

Halle hat die höchste Kita-Betreuungsquote in Deutschland. Das haben die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und die Wirtschaftswoche 2009 in ihrem wissenschaftlichen Städteranking herausgestellt. Bundesweit werden 17 Prozent aller Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen betreut. In Halle ist die Betreuungsquote mit 52 Prozent drei mal so hoch.

Tatsächlich gebe es in Halle gar keinen Mangel, wie Steffen Drenkelfuß, Sprecher der Stadt, mitteilt. „In der Regel ist sofort ein Platz in Halle frei. Das ist schon Jammern auf hohem Niveau.“ Nur bestimmte Kitas, etwa im Paulusviertel, haben lange Wartelisten. Freie Plätze bieten vor allem die Kindertagesstätten in Neustadt. „Aber da will ja keiner hin“, erzählt Tagesmutter Antje Sandrock. Das Viertel liege weit entfernt von den Wohn- und Arbeitsort der meisten jungen Familien. Hinter vorgehaltener Hand klagen Eltern und Betreuer zudem über den hohen Anteil an Ausländern und Arbeitslosen in Neustadt.

Die Stadt Halle verweist Mütter immer wieder auf die freien Kita-Plätze in Neustadt statt auf Tagesmütter. Drenkelfuß: „Die Stadt sieht eine Tagesmutter nur für jene Kinder zuständig, die etwa aus gesundheitlichen Gründen als 'nicht kitafähig' eingestuft werden.“ Wer eine Pflegeerlaubnis besitzt, ist beim Jugendamt registriert. Ihre Qualifikation haben die Tagesmütter aus der Ausbildung zur Erzieherin oder durch Weiterbildung.

„Eigentlich will ich ihn in die Kita bringen“, sagt Cathleen Getzat. Ihren kleinen Finn hat die Studentin bei der Tagesmutter Kathrin Patzelt untergebracht. „Aber ich warte lieber zwei Jahre auf meinen Wunschplatz, als ihn ans andere Ende der Stadt zu fahren.“ Dass sie meist „nur der Übergang“ ist, ist Patzelt bewusst: „Sobald der Wunschplatz frei ist, gehen die Kinder in die Kita, und das sollten sie auch. Aber der Einstieg dort fällt leichter, wenn sie Erfahrung mit einer Tagesmutter haben.“ Den Übergangsplatz bei der Tagesmutter fördert das Jugendamt für ein Jahr. Patzelt: „Das entspricht der Zeit, die Eltern im Durchschnitt warten“. Den Kampf um den Wunschplatz unterstützt die Stadt also durchaus, trotz der noch immer freien Plätze in Neustadt.

Einige Mütter ziehen bewusst die Tagesmütter den Kitas vor: „Ich möchte nicht, dass mein Kind nur eines von vielen ist“, sagt Ute Alexander. Elfie Ehm hatte gar nicht nach einem Kita-Platz gesucht. Sie will ihre Abelina erst einmal in der kleinen Gruppe von Petra Bachmeier auf die Kita vorbereiten. Bis zu fünf Kinder darf eine Tagesmutter betreuen. Eine wachsende Nachfrage kann Bachmeier bestätigen: „Ich muss zurzeit sehr viele Absagen geben.“

Das Kinderförderungsgesetz Sachsen-Anhalt betrachtet Kita und Tagesmutter als gleichberechtigt. Dennoch verweist Johannes Krause, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat Halle, auf die „sinnvolleren pädagogischen Konzepte“ der Kindertagesstätten. Bernhard Bönisch, CDU-Fraktionschef im hallensischen Stadtrat, stellt fest: „Es gibt noch immer keine Satzung, in der die Bedarfsplanung der Tagesmütter festgelegt ist.“ Fest steht für ihn jedoch, dass Eltern selbst entscheiden können sollen, ob sie einen Kita-Platz oder die Betreuung ihres Kindes durch Tagesmütter vorziehen.

Jenny Kallenbrunnen, Stipendiatin der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung