Bildung im Vorübergehen

von 16. November 2015

Er gilt mit seiner Lehre vom Animismus – der Seele, die die Körperfunktionen steuert – als ein Vorläufer der Psychosomatik. Mit seiner Phlogiston-Theorie definierte er erstmals die Chemie als theoretische Wissenschaft. Nun erhält die Georg-Ernst-Stahl-Straße in Dölau ein Zusatzschild, das über den Namensgeber informieren wird.Am Donnerstag, 19. November 2015, wirdan der Georg-Ernst-Stahl-Straße / Ecke Röntgenstraße das Zusatzschild angebracht. Das Schild wurde gespendet vom Verein Perpetuum e.V.

Georg Ernst Stahl (1659–1734)

Am 22. Oktober 1659 wurde Georg Ernst Stahl als viertes von neun Kindern des HofratssekretärsJohann Lorenz Stahl in Ansbach getauft. Seine Mutter Maria Sophia geb. Meelführer war die Tochtereines Diakons. Mit zwanzig Jahren immatrikulierte sich Stahl an der Medizinischen Fakultät derUniversität Jena, wo er auch Vorlesungen chemischen Inhalts besuchte. Friedrich Hoffmann war einStudienkollege von ihm. Nach Abschluss des Medizinstudium 1684 hielt er dort als außerordentlicherProfessor Privatvorlesungen. 1687 wurde Stahl Leibarzt des Herzogs Johann Ernst von Sachsen-Weimar.

1694 wurde Stahl auf Empfehlung seines Freundes Hoffmann als zweiter ordentlicher Professor derMedizin an die Universität Halle berufen. Stahl unterrichtete hier in den Fächern Enzyklopädie undMethodik der Medizin, Botanik, Chemie, Anatomie, Physiologie, Pathologie, Diätetik, undPharmazeutik. Im Unterschied zu Hoffmann verstand Stahl den menschlichen Körper nicht als einrein mechanisches System, sondern meint, dass dieser durch die Seele gesteuert wird. Mit seinemRespekt vor den Selbstheilungskräften des Körpers und Überlegungen zur gesunderhaltendenWirkung einer ausgewogenen Ernährung vertrat er Ansichten, die heute wieder sehr aktuell sind.

Gleichzeitig tat er sich als Chemiker hervor. 1697 publizierte Stahl die erste chemische Monatsschrift,die bis zum Sommer des Folgejahres erschien. Im selben Jahr veröffentlichte er sein Werk:„Zymotechnia fundementalis“ – „Grunderkenntnis der Gärungskunst“, wo er erstmals seinePhlogistonlehre darlegte, die in den darauffolgenden fünfzig Jahren zur vorherrschenden chemischenTheorie werden sollte. Unter dem Phlogiston verstand er ein hypothetisches Element, mit dessenHilfe Verbrennungs-, Oxidations- und Gärungsvorgänge erklärt werden konnten – die wichtigstenFragen der damaligen Chemie. Wenn sich das Phlogiston auch später als Irrtum herausstellte, gaben
die Theorie Stahls und seine Experimente dazu doch wesentliche Impulse für die Entwicklung derChemie.
Als Professor für theoretische Medizin war Stahl verantwortlich für die Einrichtung und den Erhaltdes Pflanzenmedizinalgartens, der 1698 als einer der frühesten akademischen botanischen Gärten imdeutschsprachigen Raum gegründet wurde. Im Juni 1700 wurde Stahl in Nürnberg unter derMatrikelnummer 242 und mit dem Beinamen „Olympiodorus“ Mitglied der Leopoldina. 1701 und1710-11 amtierte er als Prorektor der halleschen Universität (im heutigen Sinne Rektor). Stahl war inHalle eng mit den Pietisten um August Hermann Francke verbunden. Über die 1708 im Schulgeländeangelegte Krankenstation übertrug Francke Stahl die mit Weisungsberechtigung verbundeneOberaufsicht.

1715 wurde Georg Ernst Stahl als Leibarzt und Erster Hofrat an den Hof des preußischen KönigsFriedrich Wilhelm I. berufen. Gleichzeitig wurde er Präsident des Collegium medicum, der oberstenGesundheitsbehörde Preußens. Damit war er der erste Mediziner im Königreich Brandenburg-Preußen und verantwortlich für die Regelung des Medizinalwesens im ganzen Land.1718 erschien sein Werk „Zufällige Gedanken … über den Streit von dem sog. Sulphure“, dass er zurallgemeinen Verständlichkeit in deutscher Sprache verfasste.
Noch vor seinem Tod am 14. Mai 1734 wurden Stahls verstreute Darlegungen über den Salpeter voneinem seiner Schüler in deutscher Sprache herausgegeben.Erst fünfzehn Jahre nach seiner Übersiedlung nach Halle erhielt er das hallesche Bürgerrecht undkaufte das Haus Marienviertel 24 (Große Ulrichstraße 20). Ab 1711 wohnte er im Haus Marienviertel185 (heute Kleine Steinstraße 6). Beide Häuser existieren heute nicht mehr.
Georg Ernst Stahl war dreimal verheiratet, seine ersten beiden Frauen starben im Kindbett. Sein SohnGeorg Ernst aus der dritten Ehe wurde ebenfalls Arzt und preußischer Hofrat.

Hintergrund zum Projekt „Bildung im Vorübergehen“:

Viele hallesche Straßen sind nach historischen Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte benannt,doch häufig wissen die Bürgerinnen und Bürger gar nicht, wer hier eigentlich geehrt wird. Deshalbstattet die Bürgerstiftung Halle im Rahmen des Projektes „Bildung im Vorübergehen“ seit Juli 2008monatlich eine Straße mit zusätzlichen Informationsschildern aus, die Auskunft über dieNamensgeberInnen der Straße geben. Die Initiatorin und „Anstifterin“ des Projektes, Dr. Ingeborgvon Lips, verbindet damit die Idee, Einwohnern und Besuchern der Stadt diese historischenPersönlichkeiten und ein Stück hallescher Stadtgeschichte näher zu bringen.Das Vorhaben fand von Anfang an eine breite Resonanz in der halleschen Bevölkerung und weitdarüber hinaus. Alle ursprünglich von der BÜRGER.STIFTUNG.HALLE vorgeschlagenen Straßen undetliche weitere fanden innerhalb kurzer Zeit ihre „Schilderpaten“. Dabei melden sich nicht nurHallenserinnen und Hallenser, sondern auch Nachfahren, die z. T. selbst noch nie in Halle waren.
Das Projekt wird durch die Bürgerstiftung Halle koordiniert und unterstützt durch den Grafiker BerndSchmidt, den Fachbereich Kultur der Stadt Halle, das Straßen- und Tiefbauamt Halle, das hallescheStadtarchiv sowie die Firma Horn Verkehrstechnik Halle.Eine aktuelle Liste der bereits in Vorbereitung befindlichen Straßen ist unter
http://www.buergerstiftung-halle.de/bildung-im-voruebergehen/ abrufbar.

Quelle:
Strube, Irene: Georg Ernst Stahl. Leipzig 1984 (Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker
und Mediziner, Bd. 76)
Kaiser, Wolfram [&] Arina Völker (Hrsg.): Georg Ernst Stahl (1659-1734). Hallesches Symposium 1984. Halle,
1985