Bildungsstreik 3.0: Vollversammlung an der MLU

von 8. Juni 2010

Der Sommer soll wieder heiß werden, die Unis brennen. In Halle haben sich zur heutigen Vollversammlung der Martin-Luther-Universität aber nur wenig mehr als 100 Studierende getroffen, um über die aktuelle Lage der Bildung an ihrer Universität und in ganz Deutschland zu diskutieren. Die Vollversammlungen des vergangenen Jahres haben gezeigt: fehlende Akkreditierungen, problematische Gesetzentwürfe und überfüllte Stundenpläne betreffen zahlreiche Studierende und erregen vor allem die Gemüter der Geistes- und Sozialwissenschaftler. Mehr als 600 Studierende waren bei den Plena im vergangenen Sommer und Herbst anwesend. Zur ersten Vollversammlung 2010 kamen weit weniger, obwohl sich an der Situation der Hochschule fast nichts verändert hat.

Zu wenig Personal für zu viele Studenten
Neben studentischen Sprechern hatten sich auch zwei Gewerkschaftler zur Vollversammlung begeben, um über die Situation des Personals an der MLU zu berichten. "Seit dem Streik im letzten Jahr hat sich nichts spürbar verändert", war ihr ernüchterndes Resumee. Finanziell und damit auch personaltechnisch sei die Universität derzeit auf 13.700 Studierende eingestellt, verzeichne aber eine aktuelle Zahl von circa 18.000 Studenten. Die beiden Gewerkschafts-Vertreter kritisierten, dass bei der Umstellung auf Bachelor und Master in ganz Deutschland die Qualität auf der Strecke geblieben wäre. Man habe mit der Etablierung der neuen Studienmodelle ein bildungspolitisches Sparmodell geschaffen, das sich lediglich zahlenmäßig gut interpretieren lasse – viele Abschlüsse in kürzerer Zeit. Für die Zielvereinbarungs-Verhandlungen, die in diesen Tagen geführt werden, zeichnete man ein düsteres Bild: Es werde in dem strukturschwachen Sachsen-Anhalt keine zusätzlichen Ausgaben für die Bildung geben. Um der Stimme der Rektoren bei der Verhandlungen mehr Gewicht zu verleihen, sollen die Studierenden deutlich machen, dass sie hinter ihrer Uni stehen.

Besetzungen von Hörsälen könnten kriminalisiert werden
Der schon oft kritisierte Ordnungsparagraph werde voraussichtlich zum 01.08.2010 in Kraft treten. Damit würde der Universitätsleitung das Recht eingeräumt, Studierende zu exmatrikulieren, falls diese irgendeine Form von "Gewalt" anwenden. Bei prügelnden Studenten sei dies noch nachvollziehbar – allerdings würde hier sowieso das Justizsystem greifen und die nötigen Mittel in die Wege leiten, so die Sprecher. Darüber hinaus sei in dem Gesetzentwurf nicht genau definiert worden, wie Gewalt zu verstehen sei. Zählen Bibliotheksbesetzungen beispielsweise auch dazu? Falls ja, müssten die Studierenden künftig noch mehr darüber nachdenken, wie sie ihren Forderungen nach verlängerten Öffnungszeiten Nachdruck verleihen können.

Überfüllte Hörsäle
Für die meisten Studierenden der Geistes- und/oder Sozialwissenschaften, die sich regelmäßig in überfüllte Hörsäle oder in Seminare mit über 100 Teilnehmern drängeln dürfen, mag folgende Zahl ein Grauen sein – dennoch ist sie faktisch Realität: Die Martin-Luther-Universität ist lediglich zu 63 Prozent ausgelastet. Während die Studierenden der so genannten MINT-Fächer hoffnungslos unterbesetzt scheinen, ächzen die Soziologen mit einer Belastung von mehr als 200 Prozent. Die Universität verpflichtet sich, unter anderem durch die Zielvereinbarungen, dazu, eine gewisse Anzahl an Erst-Immatrikulationen (Studienfach- und Standort-Wechsler sowie Master-Studierende zählen nicht dazu) zu halten bzw. zu erreichen. Infolgedessen hat man sich an der MLU dafür entschieden, beliebte Fächer wie Soziologie, Politologie und Psychologie künftig in zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten zulassungsfrei anzubieten. Was das für die einzelnen Institute bedeute, ließe sich derzeit nur schwer abschätzen.

Schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Nur 11 der insgesamt 250 Studiengänge an der Martin-Luther-Unversität sind akkreditiert. Viele Fakultäten, darunter auch die Philsophische Fakultät II, seien derzeit aber auch nicht daran interessiert, ihre Programme akkreditieren zu lassen: Eine Akkreditierung kostet pro Studiengang bis zu 15.000 Euro, zusätzliche Gelder seien dafür aber nicht vorgesehen. Die Folgen für die Studierenden seien gravierend; mit einem nicht-akkreditierten Abschluss ist es nach aktueller Gesetzgebung nicht möglich, in Sachsen-Anhalt verbeamtet zu werden. Außerdem müssen Studienabsolventen ohne Akkreditierung auch bei der regulären Arbeit damit rechnen, einen geringeren Stundenlohn zu erhalten. In der anschließenden Diskussion herrschte Uneinigkeit darüber, ob man sich der Akkreditierung prinzipiell verweigern oder die Universität dazu drängen sollte, trotz finanziell starker Belastung eine flächendeckende Akkreditierung durchzuführen.

Demo am Mittwoch
Mit diesen und vielen anderen Punkten haben die Organisatoren des BS Halle versucht, die Studierenden wach zu rütteln und für die Demonstration am Mittwoch zu mobilisieren. Feststeht, dass sich an den Problemen nicht viel geändert hat und noch genügend Streikpotential vorhanden ist.

Dieser Artikel erschien in der 31. Ausgabe der hallischen Studierendenschaftszeitschrift hastuzeit (www.hastuzeit.de). Text: Tom Leonhardt