Böllberger Weg – Ein Drama und kein Ende in Sicht

von 6. Februar 2015

Bereits zu DDR-Zeiten wurden viele der Gebäude aufs sträflichste vernachlässigt und nach der Wende tat dann auch niemand mehr etwas für den Erhalt dieser. Teilweise noch ansässige Betriebe wurden verkauft oder geschlossen und somit dem Verfall preisgegeben.

Die Geschichtsbücher können viel über die vergangene wirtschaftliche Besiedlung entlang der Saale und die einst prächtigen Bauten, berichten.

Heute nur noch ein trauriger Anblick für jeden der von der Straßen- und Wasserseite dort vorüber kommt. Ob alte marode Gewerberuinen -die von Brand und Zerfall gezeichnet sind, neue Bauruinen – die durch verkalkulierte Planungen seit Jahren vor sich hin fristen in ihrer ganzen Betonpracht oder zerfallene Wohnhäuser, in der ersten Hälfte der Straße ist alles zu finden.

Anfang des 19.Jahrhunderts wurde Glaucha zu Halle eingemeindet, die letzten Reste der Stadtmauern fielen und es begann der Ausbau. Die südliche Stadterweiterung schritt voran und prächtige Häuser entstanden südlich der Torstraße und entlang des Böllberger Weges.

So wurde auch 1880 das Eckhaus Böllberger Weg 1 erbaut. Jedem war das kleine Haus in der Kurve, mit den einst sicher einmal hübschen Vorgarten ein Begriff.

135 Jahre lang war es ein Teil dieser Stadt. Anfang des vorigen Jahrhunderts als Schokoladenhaus, indem süße Spezialitäten und Leckereien angeboten wurden, weit bekannt. Im Laufe der Jahrzehnte wechselten die Angebote der 2 kleinen Läden. Die meisten Hallenser kennen nur noch die Drogerie, welche dort viele Jahre ansässig war.

Die originale Fassadengestaltung der Erbauungszeit blieb ohne Veränderungen 135 Jahre lang erhalten. Wie die anderen Bauten in der Straße, so hatte auch dieses seine Geschichte und hätte uns diese auch noch länger vor Augen halten können, wenn da nicht ein Feuerteufel eingestiegen wäre.

Der Böllberger Weg ist ein heißes Pflaster, dies beweisen die vielen Brände der vergangenen Jahre. Wir fragten bei der Feuerwehr Halle nach. „Seit dem 01.01 2004 bis heute gingen bei die Feuerwehr Halle 95 Brand-Alarmierungen in Böllberger Weg und 8 in der Glauchaer Straße ein“ so FB-Leiter Tobias Teschner. In einigen Objekten brannte es mehrfach und oft muss von Vorsätzlichkeit ausgegangen werden. Die Brandursachenermittlung liegt bei der Polizei und auch diese konnte in den wenigsten Fällen die Täter wirklich ermitteln.

Die Geschichte der letzten turbulenten Jahre vom Haus Böllberger Weg 1 wurde nun zurückverfolgt. Nichtig, klein und unscheinbar wirkte es zwischen den riesigen Wänden der angrenzenden Häuser. Bereits zu Zeiten der DDR ging es in Eigentum der Gebäudewirtschaft, nach der Wende dann HWG über und fristete sein Dasein. 2001 erfolgte dann die Übertragung in das Eigentum der Stadt Halle. Bevor es 2008 von dieser versteigert wurde, musste es fast 10 Jahre hinter einem Gerüst und Netzen versteckt verbringen. Viele kennen diesen Anblick, der so manchen Hallenser störte. Um das Haus wurde sich nie gekümmert, dies war unübersehbar und so bot man es auch in ruinösen Zustand zum Verkauf an und fand in einer stattfindenden Versteigerung einen Abnehmer.

Der ausländische Mitbürger, der 2008 dieses kleine Schmuckstück für sehr wenig Geld ersteigert hatte, schien aber recht bald zu merken, dass um es wieder herzurichten doch einiges mehr an Geld nötig war wie gedacht und so wechselte es nach nur 10 Monaten 2009 erneut den Besitzer.

Der neue Eigentümer nahm damals voller Elan die Sanierung, des sehr in Mitleidenschaft gezogene Hauses in Angriff. Es sollte wieder in seinen Originalzustand versetzt werden. Fassadenarbeiten am Nebenhaus hatten das Dach noch mehr in Mitleidenschaft gezogen, da ein Gerüst einfach auf die eh schon marode Pappe gesetzt wurden und somit freie Bahn für Nässeeinbruch geschaffen wurde.

Erste Sicherungs- und Baumaßnahmen an Dach und Fassade erfolgten, ein Kostenplan wurde erstellt, Gutachten gefertigt. Die Schäden waren nicht so schwerwiegend wie man angenommen hatte. Baulich hätten diese wieder behoben werden können. Im Januar 2011 reichte man dann den Sanierungsantrag beim Landesverwaltungsamt, „Antrag auf Fördermittel zur Erhaltung eines Einzeldenkmals“ ein. Nun lag es am LVA wann die Sanierung beginnt.

In dieser Zeit begannen auch die weiteren Planungen zum Projekt Stadtbahn und den damit verbundenen Umbauten der angrenzenden Zufahrtsstraßen. Wo vorher noch die Überlegung der Stadt war, einen eventuellen vierspurigen Ausbau des Böllberger Weges und der Glauchaer Straße voranzutreiben, rückte man 2009 wieder davon ab. Der Planungsdezernent Thomas Pohlack äußerte dies uns gegenüber bereits im November 2011. DIe Begründung: Die gedachte Verkehrsentwicklung sei nicht mehr gegeben.

Die Stadt hatte sich in den Jahren vor 2009 mehrere Grundstücke in der Glauchaer Straße gesichert, um somit die Verbindung Torstraße/ Böllberger Weg auch ausbauen und Straßenbahngleise bis zum Knoten 46 legen zu können. Im November 2009 wurde kommuniziert, dass durch einen am Wochenende erfolgten Verkauf eines Eckhauses, an der Torstraße/Böllberger Weg, nun der vierspurige Ausbau des Böllberger Weges verbaut wäre.

Diese Darstellung ist aber so nicht ganz korrekt, denn das genannte Haus wechselte ja wie oben erwähnt, bereits 15 Monate zuvor den Eigentümer. Wurde ein für die Baupläne der Stadt wichtiges Grundstück aus Versehen versteigert? Es war ja zuvor städtisches Eigentum! Die Kommunikation untereinander schien da nicht wirklich funktioniert zu haben. Auch wenn es nicht verkauft wurden wäre, die Stadt hätte es als öffentliche Hand nicht abreißen dürfen, denn zu diesem Zeitpunkt stand es noch unter Denkmalschutz. In der Planungszentrale der Stadt schien man nun ein Problem zu haben, denn man musste sich völlig neu orientieren und nun kam wieder einmal das Künstlerhaus 188 in den Blickpunkt.

Durch den engen Straßenquerschnitt dachte man daran das Künstlerhaus 188 mit Arkaden zu versehen, unter denen die Fußgänger hindurch gehen sollten, oder an eine Rücksetzung. Dann würde der Bereich des Fußwegs für eine Fahrbahn zur Verfügung stehen. Aber diese Varianten, die bereits zu DDR-Zeiten schon oft diskutiert wurden, waren viel zu kostspielig. Die Planungen Stadtbahn der HAVAG rückten nun immer näher und auch diese stieß immer wieder auf Probleme mit der Führung in der Kurve.

Der Sanierungsantrag für das kleine Haus war gestellt und genau einen Monat später, im Februar 2011, wurde von Pro Plan im Auftrag der HAVAG ein Bauplan gefertigt (siehe Bild), aus dem ersichtlich ist , das die 188 zwar sehr eng an der geplanten Fahrbahn steht aber nicht gefährdet ist, der Böllberger Weg 1 aber genau in die Kurve ragt. Also wieder ein Problem oder immer noch, egal wie man plante. Es mussten Lösungen gefunden werden.

Es ist davon auszugehen, dass man wusste, dass der Sanierungsantrag noch nicht genehmigt war, auf die der Eigentümer wartete. Ab August 2011 gab es dann Verhandlungen um den Verkauf und Abriss des Hauses wegen Straßenbaumaßnahmen, in denen man die Dringlichkeit und Wichtigkeit des städtischen Umbaus immer wieder betonte. Der Eigentümer wollte diesem dann letztlich nicht im Weg stehen und zog den Sanierungsantrag beim Landesverwaltungsamt im August zurück, zumal auch ein Ersatzgrundstück zugesagt wurde. Er sollte dann aber noch einen „Antrag auf Denkmalrechtliche Abbruchgenehmigung“ stellen und vor Übernahme des Grundstückes den Abriss noch tätigen. Die Stadt dürfe dies nicht und Abrissgenehmigungen wären nicht übertragbar. Diesen Antrag stellte man im September 2011. Innerhalb von 5 Monaten wurde in den Ämtern, der Denkmalschutz aufgehoben und zum Januar 2012 die Abrissgenehmigung erteilt.

Das Haus Böllberger Weg 1 hätte also seit Januar 2012 jederzeit abgerissen werden können und somit wäre Platz für die vorliegende Bauvariante gewesen.

Die Vorraussetzung für den Abbruch und die Abtretung des Grundstückes an die Stadt war wie schon benannt, ein Ersatzgrundstück das zur Verfügung gestellt werden sollte. Doch dann gestalteten sich die Verhandlungen mit der HAVAG und dem Liegenschaftsamt etwas schwierig. Angebote waren nicht akzeptabel, ständige Verzögerungen durch die zuständigen Ämter, auch die Bemerkung Zwangsenteignung fiel. Im Juli 2013 erfolgte dann doch eine endgültige Einigung mit dem Liegenschaftsamt.

Mit uns vorliegendem Schreiben, signalisiert die Stadt ihre Freude, über die nun letztendlich positive Entscheidung des Eigentümers zum angebotenen Grundstück und weist ihn nochmals auf den noch folgenden Abriss hin, mit der wiederholten Begründung: Abrissgenehmigungen (für Baudenkmale) wären nicht übertragbar.

Plötzlich meldete sich niemand mehr. Auf Anfragen kamen keine Antworten mehr.

Die Stadt konzentrierte sich umschwenkend nur noch auf den Abriss der 188 und begründetet, diesen mit Notwendigkeit durch die Verbreiterung der Straße und Fördermittelverlust, Straßenführungen, Verkehrsinseln u.v.m. Alle Leser kennen diese Aussagen. In der Stadt entbrannten Diskussionen, Unverständnis und eine Wut kochte in vielen Hallensern hoch. Die Planungen unterliegt EU Linien und nur deren Einhaltung garantiert Fördermittel.

Man muss Straßen in einer Stadt den örtlichen Gegebenheiten anpassen und nicht die Stadt den Straßenbauplänen versuchen anzupassen und zu beugen.

Die Stadt und die HAVAG haben die Übernahme des Böllberger Weg 1, die fast abgeschlossen war, sowie die gesamte Planung dazu, welche seit 2011 vorhanden ist, sowie die seit 2012 erteilte Abrissgenehmigung (ausgestellt von den Ämter der Stadt und des Landes für dieses Haus) nie kommuniziert obwohl sie davon nachweislich wussten. Erst 2013 wurde beiläufig genannt, dass der Eigentümer an die Stadt verkaufen würde und ein Abrissantrag gestellt habe. Dieser lag jedoch bereits schon seit weit über einem Jahr vor.

Augenmerk bekam plötzlich ab Mitte 2013 die 188, Heimstädte vieler Künstler. Seither war nur noch der Abriss dieser wichtig, bei welchem man das Projekt Stadtbahn dann großräumig umsetzen könnte.

Auch der Name zum Projekt ist nicht zufällig gewählt. Im April 1891 fuhr in Halle die erste elektrische Straßenbahn die „ Stadtbahn Halle“. Bis Juni 1891 gab es dann drei weitere Linien. Halle besaß somit damals das erste elektrische Straßenbahnnetz Europas und war Vorreiter für modernen Stadtverkehr.

Zum Abriss der 188 kam von oberster Stelle das NEIN und somit ist der Ausbau Stadtbahn auch vorerst gestoppt. Es müssen andere Lösungen gefunden werden, die Bahn von der Torstraße in den Böllberger Weg abbiegen zu lassen. Trotz das dem Abriss des Künstlerhauses nicht zugestimmt wurde, mussten im Dezember letzten Jahres kurzfristig alle ansässigen Künstler und Vereine aus- und umziehen, in teilweise nicht fertig gestellte Ausweichräumlichkeiten.

Nachdem vor knapp 10 Jahren bereits der Dachstuhl des Nachbarhauses Nr. 2 abgebrannt war, so ein ehemaliger Mieter des Hauses, brannte in der Nacht vom 10.01.2015 zum 11.01.2015 plötzlich der Dachstuhl des Böllberger Weg 1, auf bisher ungeklärte Weise. Ein Großaufgebot der Feuerwehr rückte an um den Brand unter Kontrolle zu bekommen, was nach Stunden auch gelang. Man rechnete sogar mit einem Übergreifen auf die beiden leerstehenden Nebengebäude, was aber durch die sehr hohen Brandmauern beider Häuser nicht passierte. Der Dachstuhl und auch Teile der Innendecken des an die Torstraße angrenzenden Gebäudeteils brannten nieder .

Ein Abriss schien nun unausweichlich und dieser wurde auch innerhalb kürzester Zeit von der Stadt angeordnet.

Wir fragten bei der Feuerwehr Halle nach: Warum wurde das Eckhaus Böllberger Weg 1 so schnell abgerissen?

„Aufgrund des Feuers war die Standfestigkeit des Gebäudes nicht mehr im ausreichenden Umfang gewährleistet“ so FB-Leiter Tobias Teschner.

Der Eigentümer musste nun auf Anordnung der Stadt innerhalb von 1 Woche das Haus abreißen lassen. Die Kosten dafür liegen bei schätzungsweise ca 50.000 Euro.

Ehrlich gesagt, haben wir schon schlimmere Ruinen gesehen und stehen noch immer in der Stadt. Alte Gebäude die nur noch von Sicherungsbalken zusammen gehalten werden, wo man vom Keller bis zum Himmel durchsehen kann, wo alles zusammengebrochen und marode ist und nur noch die Außenwände sich gegenseitig festhalten.

Bei dem Haus Böllberger Weg 1 war der rechte Teil überhaupt nicht durch den Brand in Mitleidenschaft gezogen wurden, im rechten Teil zur Torstraße, sah es schon anders aus. Etliche interessierte Leute, unter anderem auch ein ehemaliger Baudezernent der Stadt, die den Abriss mitverfolgten, waren alle der Meinung, das hätte man wieder aufbauen können, es gibt und gab Schlimmeres. Wer lag da also richtig?

Die Polizei konnte die Brandermittlung durch die Instabilität des Hauses nicht abschließen. Polizei und Staatsanwaltschaft mussten so die Ermittlungen einstellen.

Genau eine Woche später stand die Abrissbirne vor Ort und zerlegte innerhalb von 3,5 Stunden das Haus. Übrig blieb ein Schutthaufen. Auch dieser verschwand und nun klafft ein riesiges Loch. Die hohen Brandwände der Nachbarhäuser wirken erdrückend.

Die Frage nun, wie wird mit der Stadtbahn weiter verfahren, geht man zu den Plänen über die seit 2011 vorliegen, den danach mehrfach veröffentlichten oder gibt es gar eine neue Planung? Wie wird mit der Glauchaer Straße verfahren?

Der Abriss hat genau die Situation hervorgerufen, die der Arbeitskreis Innenstadt hat kommen sehen: „Eine Hinterhofsituation mit vierstöckigen Brandwänden – eine städtebaulich katastrophale Situation“.

Und nun kommen Diskussionen über die baulichen Planungen und Umgestaltungen entlang der Saale und des Böllberger Weges auf.

Viele Fragen sich mittlerweile auch: Was brennt als Nächstes? Bei der heißen Situation im Böllberger Weg gut möglich.