Bombenfund stürzt Halle ins Chaos

von 28. Oktober 2011

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Um 18:30 Uhr erhielt Halles Feuerwehrchef Wolfgang Hans den erlösenden Anruf: Die Fliegerbombe im Steinweg ist entschärft. Die Entspannung konnte man ihm anmerken. Über Stunden hinweg herrschte hektisches Treiben im Katastrophenstab der Stadt Halle (Saale). Gegen 7:30 Uhr hatten Bauarbeiter direkt neben der Notaufnahme des Elisabeth-Krankenhauses den brisanten Fund gemacht.

Eine gigantische Rettungsaktion lief an. 20.000 Menschen im 800-Meter-Umkreis um den Fundort mussten Büros und Wohnungen verlassen. Später wurde der Evakuierungsradius auf 1.000 Meter erhöht. Bis 15 Uhr, so war der Plan, sollte die Innenstadt menschenleer sein. Geschäfte mussten schließen, die Markthändler bauten aber. Kameraden der freiwilligen Feuerwehr kontrollierten die Häuser und forderten die Anwohner auf, die Wohnungen zu verlassen. Eine Notunterkunft wurde in der Brandbergehalle eingerichtet, 241 Menschen machten davon Gebrauch. Die HAVAG brachte die Menschen mit Sonderbussen aus dem Sperrgebiet. Ein Großteil kam jedoch bei Freunden und Verwandten unter.

Eine Herausforderung war der Bombenfund auch für das Elisabeth-Krankenhaus. 450 Patienten, 17 Säuglinge und 25 private Betreuungspersonen sowie 550 Klinikmitarbeiter mussten den Klinikkomplex verlassen. Zwei Babys seien während der Evakuierungsphase per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht worden, erklärte die Klinik in einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Die Patienten seien in die Uniklinik, das Diakonie-Krankenhaus, Martha Maria in Dölau sowie das Bergmannstrost verlegt worden. Sie sollen im Laufe des Freitags zurückverlegt werden. 30 Operationen haben abgeblasen werden müssen, so das Krankenhaus. Zwei volle OP-Tage gehen nun verloren. Deshalb soll es am Krankenhaus möglicherweise am Wochenende zusätzliche Operationen und Evakuierungen geben. Zwischenzeitlich habe es einen Engpass bei den Rettungswagen gegeben. Auch sechs Schulen, vier Kindereinrichtungen und vier Pflegeeinrichtungen wurden evakuiert. Daneben mussten die Saaleklinik mit 350 Patienten und die Strahlenklinik mit 29 Patienten aus Sicherheitsgründen evakuiert werden.

Kurz nach 14 Uhr erschallten im Kaufhof am Markt die Durchsagen, dass das Kaufhaus geschlossen wird. Auch umliegende Geschäfte verkündeten auf Zetteln an den Eingangstüren die Nachrichten von der Schließung und Evakuierung. Viele Menschen hinderte das nicht, trotzdem noch an den Türen zu rütteln.

Daneben mussten die Funkhäuser des Mitteldeutschen Rundfunks und von Radio Brocken evakuiert werden. MDR Infos übernahm das Programm von MDR 1 aus Magdeburg. Auf den Sendern Figaro, Sputnik und Jump lief Musik auf der Konserve, auf aktuelle Informationen mussten Hörer hier verzichten. Radio Brocken hatte ein Notstudio im Maritim-Hotel eingerichtet und sendete viertelstündliche aktuelle Nachrichten zur Situation in Halle.

Weil viele Menschen die Absperrungen ignorierten, verzögerte sich die Entschärfung der Bombe. Vor allem Autofahrer hätten sich nicht an die Sperrungen gehalten, beklagte Polizeisprecher Rene Richter. Diese seien zum Teil sehr aggressiv und uneinsichtig gewesen, wollten Sperren ignorieren und Beamte tätlich angreifen. Durch die Sperrung diverser Hauptverkehrsstraßen kam es in der Folge zu kilometerlangen Staus in Halle. Gegner eines Abrisses der Hochstraße mögen frohlockt haben.

Erst gegen 18 Uhr konnte Jürgen Schmidt vom Kampfmittelbeseitigungsdienst zur Tat schreiten, und damit zwei Stunden später als geplant. Mit einer Zange drehte er die beiden Zünder heraus. Für ihn „Alltagsgeschäft“, wie er im Anschluss sagte. Der Sprengsatz wird jetzt vom Kampfmittelbeseitigungsdienst in Hottendorf in der Altmark entsorgt.

Im Einsatz waren 236 Kameraden des Rettungsdienstes und Freiwilligen Feuerwehr, 20 Kameraden des Technischen Hilfswerkes, 150 Einsatzkräfte der Polizei, 43 Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes, drei Kolleginnen der Stabsstelle Sport und 69 Mitarbeiter des Stabes für außergewöhnliche Ereignisse sowie 82 Einsatzfahrzeuge. Unterstützt wurde die Evakuierungsaktion durch Einsatzkräfte aus den Nachbarkreisen: Salzlandkreis, Mansfeld-Südharz, Saalekreis und Anhalt-Bitterfeld.