Boykottiert das Gleichstellungsministerium Sachsen-Anhalt den Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie?

von 18. Juni 2017

Alle Referatsmitarbeiter sind schon seit Monaten krankgeschrieben, eine Mitarbeiterin hat sogar ihren Posten hingeschmissen. Weshalb kündigt eine Ministeriumsmitarbeiterin, die das Programm im Auftrag des Landes maßgeblich recherchiert und geschrieben hat, einfach so ihren Job? Wurde ihr die Umsetzung von der Hausleitung untersagt oder wurden ihr so viele Steine in den Weg gelegt, dass sie nun resigniert? Seitens des Ministeriums wird die Personalie bestätigt: „Eine Ausschreibung ist noch nicht erfolgt, da zunächst eine hausinterne Lösung gefunden werden soll“, teilte Ministeriumssprecher Detlef Thiel auf Anfrage mit. Und: Eine Lösung wurde auch bereits gefunden. Allerdings ohne dass die Stelle intern oder extern ausgeschrieben wurde, obwohl das Ministerium verpflichtet ist!

Zur gesamten Personalsituation im LSBTTI-Referat teilte uns Thiel mit: „Es ist personaltechnisch abgesichert, dass das von Ihnen angesprochene Referat so weit wie möglich seine Aufgaben erfüllen kann.“ Aber: Wie kann ein Referat abgesichert sein, wenn die Mitarbeiter durch Krankheit ihrer Tätigkeit nicht nachgehen können?

Die Vorstandsmitglieder Elke Prinz und Sven Warminsky vom Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch Sachsen-Anhalt (LSpRT), das ist der landesweite Interessenzusammenschluss aller LGBT-Vereine in Sachsen-Anhalt, haben maßgeblich am Entwurf des Aktionsplans mitgearbeitet und haben das Gefühl, dass die Umsetzung des Programms durch die Hausspitze verhindert werden soll. Sven Warminsky: „Die Sichtweise des Ministeriums können wir nicht teilen. Das Referat ist nicht arbeitsfähig. Die Vereine berichteten uns, das Mails nicht beantwortet wurden und auch keiner an das Telefon geht. Wir finden es schon fragwürdig, das ein ganzes Referat mit deren umfänglichen Aufgaben, mal so eben durch andere Mitarbeiter des Hauses ersetzt werden können. Wer macht dann eigentlich deren Aufgabe?“

Kann hier noch von einer guten Zusammenarbeit gesprochen? LSpRT-Vorstandsmitglied Elke Prinz: „Unter dem SPD geführten Ministerium wurde eine ehrenamtliche Arbeitsgruppe gegründet, die das Haus bei der Umsetzung des Aktionsplanes beraten sollte. Die neue Hausspitze scheint hingegen zur alten, kein Interesse an dieser Arbeitsgruppe zu haben, da es bisher kein Treffen mehr gab.“ Und Warminsky weiter: „Wir fragen uns ernsthaft, was die AG wohl besprechen soll. Nach unserer Information sind keine Maßnahmen zur Umsetzung des Aktionsprogrammes geplant. Das ist schlichtweg ein Skandal“.

Rund 70. Maßnahmen sind im LSBTTI-Aktionsprogramm verankert. Doch was wurde bisher umgesetzt? Sprecher Thiel: „Für 2017 und 2018 ist die Bereitstellung eines Medienkoffers geplant, der Literatur für Kitas und Grundschulen enthält“. Im Klartext will man nur den Medienkoffer umsetzen. Thiel weiter: „Im Kontext der Bewirtschaftungsbeschränkungen bedarf es einer Prioritätensetzung. Ob für die Umsetzung dieser Maßnahme die Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung notwendig ist, wird nach den vergaberechtlichen Grundsätzen bewertet. Vor einer Ausschreibung sind Recherchen in allen Ländern und dem Bund geplant, in denen es bereits LSBTTI-Koffer gibt.“

Doch was bedeutet die Bewirtschaftungsbeschränkungen für das LSBTTI-Programm? LSpRT-Vorstandsmitglied Sven Warminsky: „Die Bewirtschaftungsrichtlinie zum Haushalt 2017 besagt, dass die Verwaltung global 10 Prozent bei allen Ausgaben des Landes einsparen muss. Dies geht bei Pflichtaufgaben des Landes nicht, insofern werden wohl nur die sogenannten freiwilligen Aufgaben, wozu auch die Unterstützung der LGBTI-Vereine gehört, hauptsächlich von Einsparungen des Landes betroffen sein.“

Im Haushalt sind 88.000 EURO für die Umsetzung des Aktionsprogramms LSBTTI eingeplant. Allerdings sollen aus diesem Haushaltstopf bereits 60.000 EURO in Arbeitsmarkt- und Umweltprogramme geflossen sein. Ministeriumssprecher Detlef Thiel: „Das Ministerium der Finanzen hat allerdings Bewirtschaftungsbeschränkungen gemäß § 41 LHO erlassen. Danach sind die betreffenden Haushaltsmittel in Höhe von 10 Prozent (entspricht 14.840 €) gesperrt.“ Die Vereine sind nicht in der Lage die beabsichtigte Kürzung auszugleichen. Aus den Verbänden heißt es, das nur kleinere Projekte genehmigt wurden. Die bürokratischen Hürden, der ehrenamtlich arbeitenden Vereine sind enorm und stehen oft in keinem Verhältnis zur Zuwendungssumme. Bisher ist unbekannt, ob das Gleichstellungsministerium einen Ausnahmeantrag für die LGBTI-Vereine und für die eingestellten Finanzmittel zur Umsetzung des Aktionsplanes an das Finanzministerium gestellt hat.

Sven Warminsky, Vorstandsmitglied des Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch Sachsen-Anhalt: „Im Haushalt des Landes stehen 50.000 für die Unterstützung der Beratungs- und Präventionsarbeit der LGBTI-Vereine bereit. Dieses Geld reicht schon lange nicht mehr für eine qualitative und quantitative Arbeit der Vereine. Wenn jetzt dort weitere 10 Prozent eingekürzt werden, ist dies der Todesstoß für einige Projekte in den Vereinen. D.h. es werden Beratungs- und Präventionsprojekte der Vereine weiter eingekürzt oder ganz wegfallen. Das ist schlichtweg ein Skandal.“

Ein Skandal scheint aber auch zu sein, dass das Ministerium kein Interesse an der Umsetzung des Aktionsprogrammes mehr zu haben scheint. Anders lassen sich die derzeitigen Vorgänge in diesem Hause wohl nicht interpretieren.