Bürgerarbeiter als Seniorenhelfer

von 27. Januar 2012

Der Anteil an Senioren in Halle (Saale) klettert immer weiter. 54.061 der 230.074 Einwohner waren Ende des vergangenen Jahres 65 Jahre und älter (23,49%), das Durchschnittsalter liegt aktuell bei knapp 45 Jahren (zum Vergleich 2000: 42 Jahre). Und die Tendenz ist weiter steigen. Bis 2025 werden sogar fast ein Drittel aller Hallenser älter als 65 sein. Um auf die Bedürfnisse dieser älter werdenden Bevölkerung einzugehen, sollen nun neue Wege gegangen werden.

Der Verband der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt hat das Konzept „Integrative Nachbarschaften“ ins Leben gerufen. Damit wolle man die Potentiale älterer Menschen erkennen sowie deren Lebensqualität verbessern. Für die Umsetzung werden arbeitslose Leistungsbezieher im Rahmen der Bürgerarbeit eingestellt. Sie sollen präventive Hilfen leisten. Umgesetzt wird das Projekt bereits in Halle-Neustadt. Renate Maria Weise ist als eine der ersten Bürgerarbeiterinnen in diesem Projekt tätig.

Mit dem neuen Konzept der "Integrativen Nachbarschaften" versucht die Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt diese reaktiven Handlungsoptionen in präventive Ansätze zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit zu ändern. Unter dem Motto "mehr Daheim statt Heim" soll den Wünschen der Menschen entsprochen werden, so lange wie möglich im eigenen Wohnumfeld bleiben zu können. Ähnlich äußert sich Kay Senius, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit. "Auf den fortschreitenden demografischen Wandel müssen wir vorbereitet sein. Mit dem Konzept der "Integrativen Nachbarschaften" bieten wir eine Voraussetzung, um älteren Menschen ein selbstbestimmtes und gesellschaftlich integriertes Leben in den eigenen Wänden und bis ins hohe Alter zu ermöglichen."
Umgesetzt wird dieses Konzept durch angemeldete Hausbesuche bei Menschen im Alter über 60 Jahren bzw. Menschen mit Behinderungen zum Erfassen von Bedarfs- und Bedürfnissituationen. "Dabei können frühzeitig mögliche, sich negativ auf die weitere Lebensgestaltung auswirkende Veränderung erkannt werden", so Riecke. Die Ergebnisse der Hausbesuche werden dann im Auftrag der Betroffenen an entsprechende Dienstleister übergeben, so dass Hilfen für die Wohnungsanpassung, behinderten- und altersentsprechendes Wohnen oder die Überwindung von Vereinsamung zugeführt werden können. Umgesetzt werden die Hausbesuche von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterm, die über die Fähigkeiten verfügen, neue Bedarfssituationen durch regelmäßige Besuche zu erkennen und die betroffenen Menschen dahingehend zu beraten.

Neben der Gesellschaft für Wohn-und Gewerbeimmobilien (GWG) rekrutieren auch die Bau- und Wohnungsgenossenschaft Halle-Merseburg e.G. sowie der Bauverein Halle & Leuna e.G. diese Mitarbeiter aus Arbeitslosen des Jobcenters Halle (Saale). "Wir konnten den drei Arbeitgebern jeweils 2 Arbeitslose für ihre Stellen im Rahmen der Bürgerarbeit zusichern", so Sylvia Tempel, Geschäftsführerin des Jobcenters Halle (Saale). Bei der Bügerarbeit handelt es sich um ein Projekt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, bei dem Arbeitslose eine bis zu dreijährige öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige (mit Ausnahme der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung) Tätigkeit ausüben können. Voraussetzung für die Bürgerarbeitsplätze ist deren Zusätzlichkeit. Damit werden Stellen gemeint, die durch ihre Existenz keine Verdrängungseffekte auf dem Arbeitsmarkt haben. "Durch die präventiven Hausbesuche in der integrativen Nachbarschaftshilfe schließen wir eine Lücke zwischen den Bewohnern von Wohnungen zu sozialen Dienstleistern, was das Zusätzliche im Rahmen der Gemeinnützigkeit darstellt", so Sylvia Tempel. "Ich begrüße es zudem, dass wir für diese Tätigkeiten Bürgerarbeiter einsetzen können, da die regelmäßigen Hausbesuche eine gewisse "Beziehungsarbeit" sind und somit der dreijährige Ansatz der Bürgerarbeit eine konstante Beziehung ermöglicht. Zudem verfügen wir über passende Arbeitslose mit pädagogischen oder pflegerischen Kenntnissen, die im Anschluss an einen Vorbereitungskurs zuverlässig diese Arbeit aufnehmen können."

Zum 16.01.2012 wurde der erste Bürgerarbeitsplatz im Rahmen der "Integrativen Nachbarschaften" bei der GWG besetzt. "Wir gehen davon aus, dass pro eingesetztem Mitarbeiter eine Betreuung von ca. 100 Menschen möglich ist", so die Geschäftsführerin der GWG, Jana Kozyk, "da die Hilfsbedürftigen mehrfach besucht werden, bzw. die Hilfe ihnen regelmäßig zur Verfügung stehen soll." Neben der präventiven Hilfe verfolgt das Konzept noch einen weiteren positiven Nebeneffekt. "Durch die Besuche können wir zudem eventuell vorhandene Potentiale der Menschen erkennen, die durchaus für ehrenamtliche Tätigkeiten genutzt werden können", so Jost Riecke vom Verband der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt e.V.