Bürgerforum Nord: Die Wünsche und Sorgen der Hallenser

von 30. November 2011

Wann die Stadt Halle (Saale) denn endlich von ihren Schulden runter kommt, wollte ein Hallenser am Schluss des Bürgerforums in der Heide-Mensa wissen. Da konnte Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados nur auf die vorangegangenen zwei Stunden verweisen. Denn die Hallenser hatten wieder viele Wünsche und Anregungen.

Doch zunächst startete das Bürgerforum mit der Positiv-Liste der Oberbürgermeisterin. Sie berichtete von vielen Projekten, die im Norden der Stadt bereits realisiert wurden. So habe man die Nietlebener Straße saniert, der Lärmpegel hier habe um 6 dB gesenkt werden können. Auch andere Straßen wurden instand gesetzt. So flossen 120.000 Euro in die Dessauer Straße, ebenso 120.000 Euro in die Waldstraße und jeweils 50.000 Euro in die Posthornstraße und das Kreuzvorwerk. Freilich gebe es noch etliche Schlaglochstraßen, musste Szabados eingestehen. Doch nach und nach arbeite man die ab.

Ganze 3,2 Millionen Euro flossen durch das Konjunkturpaket II der Bundesregierung in die Grundschule Kröllwitz. Die Schulgebäude und die Turnhalle wurden saniert, ein Hort-Neubau wurde errichtet. Auch an anderen Schulen wurde gebaut. Die Grundschule im Zanderweg hat eine neue Heizung in der Turnhalle bekommen, in der Turnhalle der Grundschule Nietleben wurde der Fußboden erneuert, die Brandschäden in der Turnhalle der Berufsschule in Heide-Nord wurden beseitigt. Mit Hilfe des Förderprogramms Stark III wolle man für die Grundschule Frohe Zukunft ein Schulgebäude sanieren, was derzeit von Riesenklein genutzt wird. Auch die Saaleschule in Trotha solle in das Stark II-Programm aufgenommen werden. Und eine Internationale Schule in Heide-Süd bahne sich auch an, erklärte das Stadtoberhaupt.

Erneuert wurde das Totenkopfaffenhaus im Bergzoo. 850.000 Euro haben die Arbeiten gekostet. Sie waren nötig, weil die Holzkonstruktion marode war. "Jetzt hat der Zoo wieder einen schönen Eingangsbereich", freute sich Szabados. Weniger schön präsentiert sich hingegen der Bahnhof Nietleben. Viel vor hatte die Stadt, doch der Denkmalschutz machte einen Strich durch die Rechnung (HalleForum.de berichtete). Nun folgt erstmal nur ein Teil der Arbeiten. Die Heidestraße wird 2013 saniert, bekommt auf beiden Seiten neue Geh- und Radwege sowie behindertengerechte Bushaltestellen. Auch die Bahn will zumindest im kommenden Jahr den Bahnsteig Instand setzen. Der Park & Ride-Platz hingegen wird vorerst nicht realisiert. Auch die alten Bahnhofsgebäude werden nicht abgerissen, denn der Bahnhof Nietleben ist ein Flächendenkmal. "Das finde ich schade. Dadurch sind uns die Hände gebunden", beklagte Szabados. Man habe Widerspruch gegen die Untersagung der Abrissverfügung beim Landesverwaltungsamt eingelegt, erklärte die Oberbürgermeisterin. Denn selbst wenn der Bahnhof nicht abgerissen wird, werde ihn die Stadt nicht sanieren. "Wir haben keine Verwendung dafür. Er rottet vor sich hin."

Gute Nachrichten hatte OB Szabados hingegen für einen geplanten Radweg zwischen Dölau und Nietleben. Die Chancen stünden mittlerweile gut, dass die alten Gleise der S-Bahn / Halle-Hettstedter-Eisenbahn für den Radweg genutzt werden könnten. Zumindest eröffne eine kürzlich erfolgte Gerichtsentscheidung diesen Weg.

Ausgebaut werden soll die Straße Gimritzer Damm zwischen Rennbahnkreuz und Weinbergweg. "Die Planungen laufen. Auch die künftige Radwegführung wird geprüft", sagte OB Szabados. Doch auch der Damm selbst soll saniert werden. Das Land habe anerkannt, dass der Gimritzer Damm eine Hochwasserschutzanlage ist. "Damit ist das Land für die Unterhaltung zuständig", sagte das Stadtoberhaupt. Damit wäre die Stadt von den enormen Kosten runter. Möglicherweise werde man eine neue Technologie zur Grundwasserabsenkung nutzen (Spundwände), wodurch die stromfressenden Pumpen nicht mehr nötig wären. "Denn die Absenkung kostet jedes Jahr viel Geld."

Auch rund um den Weinberg Campus hat sich einiges getan. Die neue Heide-Mensa mit 200 Sitzplätzen wurde eingeweiht, ebenso das 3,6 Millionen Euro teure naturwissenschaftliche Hörsaalgebäude. Im Technologiepark seien mittlerweile 140 Unternehmen mit 5.500 Mitarbeitern ansässig, es gebe viele Institute wie Fraunhofer und Max Planck. Die drei Ärztehäuser werden durch die GWG zu Boardinghäusern umgebaut. Jetzt habe sie noch die Hoffnung für eine neue Nutzung der alten Heilanstalts-Kirche, so Szabados. Zudem entstehe in Heide-Süd eine neue Kita.

Schweinemast Lettin kommt weg
Ein Problem vieler Bürgerforen war die Schweinemast Lettin. Hierfür habe man einen Fördermittel-Antrag gestellt, sagte Szabados. Sie sei optimistisch, dass die Stadt in den Genuss der Mittel mit einer hohen Förderquote komme. "Nächstes Jahr kommt der Schandfleck weg." Ex-Baudezernent Wolfgang Heinrich hatte Sorgen, dass wegen der Haushaltslage die Gegenfinanzierung der Stadt scheitern könnte. "Hier gibt es ein hohes Gefährungspotential. Da hat die Stadt die Pflicht zu handeln", entgegnete Szabados. Eine Solaranlage, wie von einem Bürger vorgeschlagen, könne hier nicht errichtet werdne, weil es sich um ein Landschaftsschutzgebiet handelt.

Auch Heinrichs oft gestellte Frage nach der alten Schule in Lettin scheint nun geklärt. Der Heimatverein werden wahrscheinlich die Schule als kleines Museum nutzen, auch die Feuerwehr ist an einem Teil interessiert. Heinrich selbst berichtete noch von der Halleschen Behindertenwerkstatt, die ebenfalls Interesse hat. Doch die großen Finanzen seien dort nicht vorhanden, deshalb schlug er der Stadt ein Entgegenkommen beim Kaufpreis vor. "Wir gucken mal", sagte Szabados zu. Schließlich brauche die Stadt das Gebäude ja icht mehr und ehe es weiter verfalle, sei eine Nutzung doch die bessere Variante.

Dass es in der Lettiner Einkaufsoase kaum noch Geschäfte gibt, stört Wolfgang Heinrich ebenso. Doch das ist laut Szabados Privatgelände. Weil aber der Rückbau in Heide-Nord weitergehe, sei sie sich sicher, dass über kurz oder lang auch die Einkaufsoase abgerissen werden. Prüfen will die Stadt die Straßenmarkierungen in Lettin. Die wurden laut Wolfgang Heinrich letztmalig 1997 erneuert und seien heute kaum noch zu sehen.

Die Pyrolyx-Anlage im Hafen interessierte die Bürgerinitiative Kröllwitz, die seit Monaten schon gegen die Anlagen kämpft und Angst vor Umweltbelastungen hat. Vor allem angesichts steigender Hochwasser, die zudem öfter vorkommen, könnte diese Anlage doch hochwassergefährdet sein. Dem widersprach Baudezernent Uwe Stägling. Die Pyrolyse-Anlage liege nicht im Hochwassergebiet und sei nicht gefährdet. Er verwies auch noch einmal darauf, dass für die Genehmigung der Anlage das Landesverwaltungsamt zuständig sei.

Lärmschutz an der B100
Schon mehrfach zu Gast bei Bürgerforen war Ilona Theiß aus der Frohen Zukunft, die sich über die Lärmproblematik der B100 beklagte. Doch geschehen sei nichts. Die Stadt sage, das Land sei zuständig. Vom Land wiederum höre man gegenteilige Aussagen. "Der Lärm ist stark. Gerade wenn der Wind von der B100 kommt ist es unerträglich", sagte Frau Theiß. Baudezernent Uwe Stäglin sagte zu, sich des Themas annehmen zu wollen und mit dem Landesbaubetrieb über Lärmschutzmaßnahmen zu reden. Mit der Fertigstellung der Osttangente, so Stäglin, werde sich der Verkehr am Dessauer Platz / B100 aber verringern. Hans-Joachim Kenneder machte den Vorschlag, den Verkehr stadtauswärts ebenfalls auf 50 km/h zu begrenzen. So werde die B100 nicht mehr zur Beschleunigungsstrecke. "Denn ich höre jeden Schaltvorgang bei mir im Schlafzimmer", sagte er. "Das gucken wir uns an", erklärte Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados.

Neue Schule für Heide-Süd
Eine Anwohnerin aus Heide-Süd will mit einigen Eltern eine freie evangelische Grundschule im Stadtteil gründen und fragt nach Unterstützung der Stadt. Gern werde man solche Initiativen begleiten, so OB Szabados. Sie verwies aber auch darauf, dass bestehende Grundschulen in Neustadt und Heide-Nord nicht weit entfernt seien. Positiv beantworten konnte das Stadtoberhaupt die Frage nach einer Kita. Flächen würden vorgehalten und es sehe gut aus, dass im kommenden Jahr mit dem Bau begonnen werden kann.

Ein Anwohner aus Dölau fragte, wann denn endlich in der Alfred-Oelßner-Straße der Supermarkt gebaut wird. Der sei dringend nötig. Die Menschen würden immer älter und benötigen deshalb in der nähe gelegene Einkaufsmöglichkeiten. Der Bebauungsplan sei seit August rechtsgültig. Nun gehe es noch um kleinere Lärmschutzabstimmungen, sagte die Oberbürgermeisterin. Auch die Stadt habe Interesse, dass hier ein Nahversorgungsmarkt gebaut werde.

Unwetterschäden in Nietleben
Als großes Problem des Abends kristallisierten sich die Unwetterschäden in Nietleben heraus. Zweimal in diesem Jahr schon stand bei vielen Einwohnern das Wasser im Keller, auf den Straßen türmte sich der Schlamm. Einen Schuldigen haben die Anwohner auch schon ausgemacht, ein Acker am Granauer Berg. Von dort schwemme es regelmäßig schlamm herunter. "Wir haben alle tausende Euro Schäden", beklagte ein Anlieger. "Wir erwarten eine Gegenleistung. Denn wir bezahlen Grundsteuer." Das Spülen des Abwasserkanals reiche bei weitem nicht aus. Wolfgang Heise vom Tiefbauamt sagte, die Stadt habe ihr möglichstes getan. Die Ursache könne man nicht beseitigen. Mit ein Grund könnte das in den 90ern entstandene Wohngebiet sein. Und tatsächlich, ein Anwohner verwies darauf, dass für das Wohngebiet alte Entwässerungsgräben zugeschütten wurden. Die haben früher das Wasser vom Feld abgeleitet. Möglicherweise seien die Abwasserohre zu dünn und nicht ausgelegt für das Neubaugebiet, mutmaßte ein Anlieger. Das wollte man bei der Halleschen Wasser- und Stadtwirtschaft und auch bei den Stadtwerken so nicht stehen lassen. So hieß es von der HWS, dass man nicht blind alles anschließe, sondern die Bauträger verpflichte Grünflächen und Regenrückhaltebecken zu schaffen. Doch die letzten starken Regenfälle seien sogar viel höher als die Bemessungsgrundlagen der Stadtwerke gewesen. "Wir haben hier den Riestedt-Effekt", sagte OB Szabados mit Bezug auf die Unwetterkatastrophe, die den kleinen Ort bei Sangerhausen in den letzten Monaten gleich mehrfach heimgesucht hatte. "Wir müssen mal grundsätzlich untersuchen, was die Ursachen sind." Dieses Thema wird die Stadt also noch häufiger beschäftigen.

Hochwasser in der Talstraße
Viel Regen bringt oft auch Hochwasser mit sich. Im Stich gelassen fühlen sich dabei 40 Anwohner der Talstraße, die sich jetzt zu einer Initiative zusammengefunden haben. Vom Land verlangen sie vorbeugenden Hochwasserschutz vor den Toren der Stadt am Oberlauf der Saale. Außerdem müsse die Stadt den Begriff der zumutbaren Eigenvorsorge neu definieren, beklagte ein Anlieger.Die meisten Anwohner hätten in den letzten Jahren viel getan, Heizungen und Elektrik aus dem Keller in höhere Geschosse gebracht. "Doch wo hört die Eigenvorsorge auf und fängt die Reaktion der Stadt an?", fragte er. Und das nicht ohne Grund. Beim letzten Hochwasser habe die Stromabschaltung kurz bevorgestanden. Doch in diesem Falle wären die Pumpen ausgefallen und sämtliche Bemühungen der Anwohner umsonst gewesen. "Die Talstraße ist einer unserer kritischsten Punkte", erklärte OB Szabados. Sie sagte den Anwohnern eine Runde an ihrem Tisch zum Thema zu.

Peter Schreiber aus der Kloppstockstraße beklagte sich über die Abrissarbeiten des ehemaligen Hochbunkers in der Frohen Zukunft. Dort tue sich nichts, es sei eine Brache entstanden und nicht wie gplant ein Neubau. Auch ein gebauter Sendemast stört ihn – und dass die Stadt nichts dagegen getan hat. "Die Stadt hat doch eine Sorgfaltspflicht." Daneben sprach sich Herr Schreiber für den Weiterbau der A143 aus und stieß damit bei OB Szabados auf offene Ohren. Sie berichtete davon, dass sie eine Initiative für den Bau ins Leben gerufen habe und nun Unterschriften sammele. Unter anderem hätten schon die Minister Bullerjahn, Webel und Stahlknecht unterschrieben.

Die Wegesituation im Heide-Süd-Park beschäftigte Klaus-Dieter Weißenborn. Denn etliche Wege seien schon ausgespült, Rinnen hätten sich gebildet. "Das sind im Dunkeln gefährliche Stolperfallen." Die Saleg als Entwicklungsträger sei für den Zustand verantwortlich, mit denen werde man reden, erklärte OB Szabados. Sie sagte zudem zu, dass im Winter mindestens ein Weg geräumt werden müsse. Herr Weißenborn hatte sich über die Schneemengen im letzten Winter beklagt. Kein einziger Weg im Park sei geräumt gewesen.

Karin Grundmann von der Bürgerinitiative Gesundes Trotha beklagte sich über den Zustand des Sportplatzes der Andersen-Grundschule. Hier will die Stadt nochmal prüfen. Zudem müsste die Pfarrstraße einmal gemacht werden. Die Kopfsteinpflasterstraße als Zugang zur Saale sei insbesondere für Rollstuhlfahrer und Muttis mit Kinderwagen ein Hindernis. OB Szabados sah das ähnlich und gab dem Tiefbauamt den Auftrag, einmal zu prüfen.

Dass am Friedhof in der Eislebener Straße ein Parkplatz eingerichtete wurde, freute eine Nietlebenerin. Sie hatte nun aber ein anderes Problem: die Linden am Kirchplatz. Ein Baum drücke gegen das Mauerwerk, hier müsse endlich etwas getan werden. OB Szabados beauftragte das Grünflächenamt, zu prüfen.

Schnelles DSL will Johannes Knackstedt von der Katholischen Pfarrei Halle-Nord. Doch viele Möglichkeiten hat die Stadt da nicht. OB Szabados will Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann aber noch einmal in die Spur schicken. Zudem sagte Herr Knackstedt, viele Menschen aus dem Saalekreis würden sich einen Park & Ride-Platz in Trotha wünschen. Genau diesen gebe es an der Endhaltestelle, konnte Baudezernent Uwe Stäglin berichten.

Und dann war da ganz zum Schluss die Frage nach den Schulden. Viele Wünsche der Bürger gab es. Doch Halle werde außerdem vom Land nicht aufgabenbezogen ausgestattet, sagte Szabados. Zudem seien die fehlenden Eingemeindungen Schuld an der Situation. "Das Umland hat die Einnahmen, und wir die Ausgaben."