Wo die Matthias-Claudius-Straße in Halle (Saale) ist, wissen wohl die wenigsten. Den Namensgeber kennen noch viel weniger. Dabei hat er ganz bekannte Zeilen aufgeschrieben. Der Mond ist aufgegangen stammt von ihm. Deshalb wird die Bürgerstiftung im Rahmen der Aktion Bildung im Vorübergehen zur Langen Nacht der Kirchen an den Publizisten und Lyriker Matthias Claudius erinnern. Am 20. August um 16 Uhr findet die offizielle Schilderübergabe in der Straße am Nordfriedhof statt. Es spricht Eckart Warner, Pfarrer in den Franckeschen Stiftungen. Das Schild wurde gespendet von Bernd Steinhardt.
Matthias Claudius wurde am 15. August 1740 als Sohn eines Pastors aus alter Pfarrerfamilie im Holsteinischen geboren, das damals zu Dänemark gehörte. Die Herkunft aus einem Pfarrhaus, die norddeutsche Heimat, ferner das Selbstverständnis als deutschsprachiger Untertan der dänischen Monarchie prägten sein Leben nachhaltig. Die erste Ausbildung erhielt Claudius durch den Vater. Zur Vorbereitung auf ein Theologiestudium besuchten Claudius und sein ein Jahr älterer Bruder Josias die Lateinschule in Plön und gingen dann an die Universität Jena. Hier befasste sich Claudius neben der Theologie auch mit Jurisprudenz, Philosophie und Volkswirtschaft, war Mitglied der dortigen Teutschen Gesellschaft und begegnete seinem ersten literarischen Vorbild, Heinrich Wilhelm von Gerstenberg. Ohne Studienabschluss kehrte Claudius 1762 von Jena zurück. 1763 veröffentlichte er seinen Erstling Tändeleyen und Erzählungen.1764/65 war Claudius Sekretär des Grafen Holstein in Kopenhagen. 1765-1768 lebte Claudius erneut im Elternhaus und wandte sich dann nach Hamburg, um selbständig zu werden.
Hier wurde er im Sommer 1768 Redakteur der Hamburgischen Addreß-Comtoir-Nachrichteneinem Handels- und Wirtschaftsblatt, in welchem Claudius als Feuilletonist kleine Prosastücke und Gedichten publizierte. Neben Klopstock wurden jetzt auch Lessing und Herder, die er in Hamburg kennen lernte, zu bestimmenden Vorbildern. Nach seiner Entlassung übernahm Claudius 1770 die Redaktion des Wandsbecker Bothen.Claudius zog nach Wandsbek, wo er am 15. März 1772 Rebecca Behn, die 16jährige Tochter eines Zimmermeisters, heiratete. Der »Bothe« wurde zu einer originellen dörflichen Zeitung für Leser und Kenner im ganzen deutschsprachigen Gebiet. Claudius gelang es, Lessing, Klopstock, Gerstenberg, Herder, Goethe, Gleim, Boie, Voß, Hölty und Miller für Beiträge zu gewinnen. Seinerseits trug er zu dem von Freunden herausgegebenen Musenalmanachen bei. Als 1775 wegen geringer Verkaufsziffern der »Bothe« eingestellt werden sollte, legte Claudius den ersten Band seines ASMUS omnia sua SECUM portans vor, ein buntscheckiges Mosaik, das frühere Zeitungsbeiträge mit neuen Aufsätzen und Gedichten zu einem bewusst komponierten Ganzen vereinigte. Mit diesem Werk schuf Claudius sich neben seinem Schriftstellernamen einen bleibenden Platz in der deutschen Literaturgeschichte.
Die Gründung und anfängliche Redaktion der»Landzeitung«, der ersten und wohl einzigen Zeitung, die sich in Deutschland vornehmlich an die Landbevölkerung wandte, erfüllten Claudius' Erwartungen von einer sozial engagierten und reformerischen Tätigkeit nicht. Ich bin hergekommen, nicht ehrlich und schön zu schreiben, sondern ehrlich und schön zu handeln, schrieb er im Frühjahr 1777 an Friedrich Karl von Moser, quittierte den Dienst und kehrte nach Wandsbek zurück. Ohne Amt und Anstellung, dazu bei wachsender Kinderzahl, wagte es Claudius nun voll Zuversicht auf Gott und in der Hoffnung auf Unterstützung durch Gönner und Freunde, sein Leben als homme de lettres, als Privatmann und Schriftsteller, zu führen. Die folgenden, in unregelmäßigen Abständen erschienenen Bände des Asmus, kleine Einzelveröffentlichungen, mit denen Claudius zu aktuellen Tagesfragen Stellung nahm, und größere Übersetzungen, die angesichts der konfessionellen Auseinandersetzungen das mystische und esoterische Gedankengut, besonders aus Frankreich (Terrasson, Ramsay, Saint Martin, Fénelon und Pascal), verbreiten sollten, verschafften Claudius eine Autorität, die nicht ohne Anfechtungen seitens seiner Gegner blieb.
1785 setzte der dänische Kronprinz für Claudius eine Jahrespension aus und ernannte ihn 1788 zum Revisor der Altonaer Bank, eine Tätigkeit mit erträglichen Einkünften und überaus geringen Aufgaben. Mit Beginn der Französischen Revolution verstärkten sich die Kontakte zu Friedrich Heinrich Jacobi wie zu den Mitgliedern des Emkendorfer Kreises. Johann Caspar Lavater und Amalie von Gallitzin besuchten Claudius. Jacobi blieb für mehr als ein Jahr als Nachbar in Wandsbek. Sein Sohn Max heiratete 1798 Claudius' Tochter Anna. Eine andere Tochter von Claudius wurde die Frau des Buchhändlers und Verlegers Friedrich Christoph Perthes. Der alternde Claudius trat noch in Kontakt zu literarischen, publizistischen und künstlerischen Vertretern der Romantik: zu Friedrich Schlegel, Philipp Otto Runge, Johann Friedrich Overbeck. Die Kriegswirren des Jahres 1813 veranlassten Claudius und Rebecca zur Flucht nach Holstein, Kiel und Lübeck. 1814 nach Wandsbek zurückgekehrt, war Claudius alt und erschöpft. Bald darauf, am 21. Januar 1815, starb er im Haus seines Schwiegersohns Perthes in Hamburg.
Das Werk Matthias Claudius ist vielschichtig und nutzt viele Kleingattungen der Prosa und Lyrik. Bestimmende Grundlage seines Werks ist der Einsatz von Literatur als einer praktischen Ethik. Ich mag auch von keiner Distinction zwischen Schriftsteller und Menschen Proben ablegen, und meine Schriftstellerey ist Realität bey mir, oder solt es wenigstens seyn, sonst hohl's der Teufel (an Herder, 5. Dezember 1775). Die Betonung der menschlichen Existenz und des positiven Christentums ermöglichten diese Haltung und begründet eine Toleranz gegenüber dem Nächsten, unabhängig von Alter, Geschlecht, Volk und Religion. Diese Offenheit schafft Claudius die Freiheit zur Sprache des Alltags, des Körperlichen, des Familiären und des Kindlichen. Die Verantwortlichkeit für sich und den Nächsten bleibt die verbindliche Richtschnur.
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