Vorteil dieses Verfahrens ist die extrem geringe, mit bloßem Auge nicht sichtbare benötigte Probenmenge, wodurch die Untersuchungen überhaupt erst möglich wurden. Da antikes Gold immer auch Verunreinigungen durch bestimmte lagerstättenspezifische Spurenelemente enthält, lässt sich durch den materialanalytischen Abgleich von archäologischen Goldfunden und der Zusammensetzung natürlicher Goldvorkommen seine mögliche geologische Herkunft bestimmen.
Bereits zu Beginn der Forschungen war festgestellt worden, dass die Goldauflagen der Himmelsscheibe aus drei unterschiedlichen, den ersten drei Umarbeitungsphasen der Scheibe entsprechenden Chargen bestand. Seit 2o11 wurden im Rahmen verschiedener Projekte durch ein Team um den Lagerstättenkundler Prof. Gregor Borg (Institut für Geowissenschaften Martin-Luther-Universi- tät Halle-Wittenberg) und den Leiter des Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie Mannheim, Prof. Ernst Pernicka, Metallanalysen zur Bestimmung der Herkunft des Goldes durchgeführt. Die neues- ten Ergebnisse dieser Forschungen sind im nun vorliegenden Tagungsband erstmals veröffentlicht worden. Die wichtigste Erkenntnis dieser Analysen besteht darin, dass der Ursprung des Goldes der ersten und der dritten Phase der Himmelsscheibe in der Region Cornwall im Süden Englands verortet werden kann. Die Publikation enthält ferner die Resultate experimenteller Versuche des Restaurators Dr. Christian-Heinrich Wunderlich (Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen- Anhalt), die zeigen, dass bei der Anbringung der Barke auf der Scheibe offenbar gezielt eine silberärmere und damit goldreichere Goldsorte gewählt wurde, um diese dem im Laufe der Zeit veränderten Farbton der übrigen Goldauflagen anzupassen.
Die neuen naturwissenschaftlichen Untersuchungen erlauben es nun, weitreichende kulturhistorische Schlussfolgerungen zu ziehen. Großräumige Fernbeziehungen in der frühen Bronzezeit Europas wurden trotz fehlender direkter Kontaktfunde zwischen Mitteldeutschland und Großbritannien bereits seit langem vermutet, jedoch ermöglichen die jetzt veröffentlichten Ergebnisse komplexe und tiefgründige Einblicke in überregionale Macht- und Austauschstrukturen der Frühbronzezeit. Fixpunkte innerhalb dieser Fragestellungen bilden die zwei überlieferten Fürstengräber von Leubingen (1942 v. Chr.) und Helmsdorf (184o v. Chr.), die wahrscheinlich mehrere, vermutlich zeitlich aufeinander folgende Fürsten in Mitteldeutschland stellvertretend repräsentieren. Entscheidend dabei ist das über mehrere Jahrhunderte beibehaltene Ausstattungsmuster dieser überreichen Bestattungen Mitteldeutschlands, welche durch den Landesarchäologen Prof. Harald Meller untersucht wurden. Die aufwändigen Gräber hochrangiger Männer zeichnen sich allesamt über mehrere Generationen hinweg durch die Beigabe von Waffen und einem reichen goldenen Schmuckensem- ble aus, bestehend aus einem massiven Goldarmring, zwei Nadeln, zwei Locken- oder Haarringen und goldenen Spiralröllchen. Die neuen Metallanalysen belegen erstaunliche Übereinstimmungen in ihren Spurenelementsignaturen. So weisen etwa die Nadeln aus den einzelnen Fürstengräbern untereinander Gemeinsamkeiten auf, die auf spezialisierte Handwerker oder Werkstätten für die jeweiligen Objektgruppen mit gleichbleibenden Bezugsquellen schließen lassen. Analog gilt dies für die Armringe, Haarschmuck und Spiralröllchen.
Diesen in der Zeit zwischen rund 19oo und 16oo v. Chr. an der Spitze der Gesellschaft stehenden Fürsten waren nicht nur Privilegien wie hochwertige Speisen und Zugang zu geheimem Wissen vorbehalten. Vielmehr unterlag ihnen auch die Kontrolle über weiträumige Handelsnetzwerke und die Distribution von Waren innerhalb ihres Herrschaftsgebietes. Offensichtlich gelang es ihnen dabei, die Versorgung mit den wertvollsten Rohstoffen der Frühbronzezeit Zinn und Gold dauerhaft über mehrere Jahrhunderte hinweg zu gewährleisten. Dies zeugt von außerordentlich stabilen und gleichsam friedlichen Machtverhältnissen, die in einer Zeit ohne staatlich-administrative Strukturen nur durch eine starke und zentrale Herrschaft möglich waren.
Am Ende der Frühbronzezeit kommt es dann zum Zusammenbruch dieser Machtverhältnisse. Die Himmelsscheibe von Nebra wird zusammen mit Beifunden bestattet, die in ihrer Kombination dem Waffenensemble der früheren Fürstengräber entsprechen. Der Hort von Nebra kann aufgrund dessen unmittelbar mit den frühbronzezeitlichen Elitegräbern in Verbindung gebracht und zeitlich an das Ende dieses Phänomens in der Vorgeschichte gestellt werden. Da die Himmelsscheibe aufgrund ihrer Umarbeitungen mindestens 15o Jahre lang in Gebrauch war, lassen sich daraus mehrere verschiedene Besitzer ableiten, die die Bedeutung der jeweils vorher dargestellten Goldauflagen nicht mehr verstanden und deshalb umgestalten ließen. Die neuen Ergebnisse zeigen ferner auch, dass mehrere dieser Besitzer über einen längeren Zeitraum hinweg Zugang zu den Goldressourcen in Cornwall hatten. Da auch das Gold der Griffmanschetten an den um 16oo v. Chr. datierenden Schwertern im Nebrahort aus Cornwall stammt, kann für die Frühbronzezeit somit eine mehrere Generationen lang anhaltende kontinuierliche Goldversorgung aus Cornwall abgeleitet werden.
Der nun erschienene umfangreiche Tagungsband des im Jahr 2o13 durchgeführten 6. Mitteldeutschen Archäologentages zum Thema Metalle der Macht Frühes Gold und Silber (Metals of power Early gold and silver) vereint zahlreiche entsprechende neue Erkenntnisse aus der archäologischen und naturwissenschaftlichen Forschung in ganz Europa.
Der diesjährige 7. Mitteldeutsche Archäologentag zum Thema 22oo BC Ein Klimasturz als Ursache für den Zerfall der Alten Welt? eröffnet am Abend des 23. Oktober. Die seit 2oo8 jährlich durchgeführte internationale Tagung widmet sich wechselnden Themen der aktuellen archäologischen Forschung, um durch einen interdisziplinären, wissenschaftlichen Diskurs neue Erkennt- nisse zu gewinnen.