Dem Schöpfer von Halle – Wilhelm Jost zum 140. Geburtstag

von 29. Oktober 2014

Wilhelm Jost wurde am 2. November 1874 in Darmstadt geboren. Als er 4 Jahre alt ist, stirbt sein Vater mit nur 39 Jahren. Genau wie dieser, hatte auch Wilhelm den Wunsch, Architektur zu studieren. Sein Vater wurde jedoch Jurist. Durch das fehlende Einkommen des Vaters rückte zunächst auch Wilhelms Traum, Architektur in der Metropole München zu studieren in weite Ferne. Doch dann begann er in seiner Heimatstadt Darmstadt an der Technischen Hochschule zu studieren, wodurch er sich seinen Berufswunsch erfüllen konnte. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er, dass er das Studium, welches er 1894 begann, als zu dürftig empfunden hat und er während seiner praktischen Ausbildung vieles nachholen musste.

Jost hatte 1897 sein erstes theoretisches Teilstudium beendet und startete im Anschluss mit Eifer in den zweiten Teil – die praktische Baufachausbildung. Zu dieser Zeit noch unbeachtet, widmete sich Jost überwiegend der Bauforschung und Wiederherstellung historischer Gebäude aus dem Mittelalter. Er zog archivalische Quellen hinzu, die ihm spätere Anbauten von bauzeitlichen zu unterscheiden halfen. Dahingehend bestand auch seine Abschlussprüfung aus Entwürfen zur Wiederherstellung des Neuen Schlosses in Gießen und des Rathauses in Schotten. Als äußerst mustergültige Beispiele für Bauforschung eingestuft, schloss Wilhelm Jost mit diesen Arbeiten 1901 sein Studium mit Auszeichnung ab. Seine Abschlussarbeit war wegweisend und half dem Hessischen Denkmalschutzgesetz auf den Weg. Es wurde ein Jahr später (1902) als das modernste im Deutschen Reich verabschiedet.

Ein für Jost sehr prägendes Ereignis war die Jugendstil-Ausstellung “Ein Dokument Deutscher Kunst” auf der Darmstädter Mathildenhöhe 1901. Das Revolutionäre dieser Ausstellung war die Entwicklung von etwas Neuem in Abgrenzung zum „Wiederkauen alter Stile“ – das war auch für Wilhelm Jost beeindruckend. Er fand dort Kontakte zu den Mitgliedern der Künstlerkolonie wie Joseph Maria Olbrich (1867–1908), Jakob Julius Scharvogel (1854–1938), Heinrich Jobst (1874–1943) und Friedrich Wilhelm Kleukens (1878–1956), mit denen er später gelegentlich auch in Halle zusammenarbeiten sollte. Diese Architektengeneration, der auch Wilhelm Jost angehörte, stellte sich um 1900 gegen die bestehenden Verhältnisse – den Historismus.

Um noch enger mit dem Kreis der Reformer und vor allem mit den Reformarchitekten in Verbindung zu stehen, trat Jost kurz nach seiner Gründung 1907 dem Deutschen Werkbund bei.

Seine Erfahrungen in der Denkmalpflege und sein damit verbundener professioneller Blick für die Wirkung eines historischen Gebäudes in einer gewachsenen heterogenen historischen Bebauung prägten seine halleschen Entwürfe. Seine Neubauten sollten nicht solitär in den Straßenzügen herausstechen, sondern in einem Ensemble integriert werden. Diese Vorgehensweise wird besonders deutlich an den frühen Bauten, wie z.B. an der Sparkasse und dem Stadtbad, die in vorhandene Baulücken eingepasst werden mussten. Diesen Eindruck von Einheitlichkeit, den ein städtebaulicher Raum, ein Platz, ein Viertel, eine Häuserzeile und auch ein Innenraum nicht durch Gleichförmigkeit, sondern durch eine Art Gleichklang vermitteln sollte, war das wichtigste Anliegen von Jost. Ein harmonisches Bild sollte durch die Verwendung derselben Materialien sowie durch variantenreiche Integration von Stilelementen und Formen erreicht werden. Jost´s Architektur zeigt ein großes Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem baulichen Umfeld. Er betrachtete seine Aufgabe als etwas Zukunftsträchtiges und sah sich in der Verantwortung, der Nachwelt historische Bausubstanz zu überliefern.

Wie der Architekturkritiker Hubertus Adam richtig feststellte, ist Wilhelm Jost der Vertreter einer Verhaltenen Modernität. Es bedeutet, dass er nur so modern war, wie es ihm sein eigenes künstlerisches Verständnis gegenüber der Umgebung eines Bauwerkes und seines Gewissens zuließ.

Über das Schaffen Wilhelm Jost´s hat der Hasenverlag zwei Publikationen herausgegeben. Im Jahr 2012 erschien anlässlich 100 Jahre Amtsantritt von Wilhelm Jost in Halle die Monografie von Mathias Homagk: “Gebaut habe ich genug…”Wilhelm Jost als Stadtbaurat in Halle an der Saale (1912–1939). In diesem Jahr widmet sich Band 28 der „Mitteldeutschen Kulturhistorischen Hefte“ der größten architektonischen Anlage Jost´s in Halle – dem Gertraudenfriedhof, mit dem Titel:Natur und Kunst – Architektur und Landschaft.100 Jahre Gertraudenfriedhof in Halle (Saale). Das Buch zum Gertraudenfriedhof enthält einen Lageplan und 4 farbige Ausklappseiten mit großformatigen Fotografien des Friedhofs.