Deutsche Einheit? Wo denn?

von 4. Oktober 2015

Zur Fußball-WM im Sommer 2006 in Deutschland schien die Frage für einen Moment beantwortet: Ein Volk, eine Fahne. Heute, im Jahr 2015, hat die Ost-Kanzlerin ganz Deutschland zur Zone gemacht: keine Alternative, keine Widerrede, Willkommenskulturchaos, Einheitsparteibreidiktate. 25 Jahre „Deutsche Einheit“ werden gefeiert wie 40 Jahre DDR: Mit Pathos und Plattitüden, die mit dem Erleben und Fühlen einer beachtlichen Zahl Menschen im Osten nur wenig zu tun hat. Welche Einheit? Eine Fläche wurde angegliedert und mit den Landmarken der Konzerne gespickt, sonst sind es zwei Staaten geblieben. Einkommensniveau, Rücklagen, Arbeitsbedingungen, Renten, Kinderbetreuung, Arbeitslosenquote, Sozialtransfer – noch immer sind die Unterschiede zwischen Ost und West zahlreich und deutlich. Westmedienhäuser beherrschen das Land, diktieren, was die „Wahrheit“ ist, belächeln den Osten oder belehren ihn, zeigen mit dem Finger auf die „Nazis“ in Sachsen. Es gibt nur eine Geschichte, die von Guido Knopp.

Rückblende: Im Sommer 1989 ist die DDR zu Blei erstarrt – scheinbar für die Ewigkeit. Wenige Monate später stehen Hunderttausende DDR-Bürger Schlange und verkaufen ihr Land für 100 Mark West. Vom „Begrüßungsgeld“ plündern sie Aldi [&] Co und reißen ihren „Geschwistern“ wie Eingeborene jeden Plunder aus der Hand. Mancher Offizier knallt sich eine Kugel in den Kopf. Frische Luft strömt in die verschlafene Zone und bringt die ersten Keime mit: Horoskope, Glücksspiele, Sex und Sekten. Die Partei ist weg, die Kirche ist da. Kohl blüht im Osten, Autos und Müll vermehren sich. Schon Monate vor dem großen Einheitstralala wird die DDR eingetütet, doch viele „Ossis“ sind berauscht. Der „böse“ Kapitalismus glitzert so schön wie Andis Fußball-Weltmeister-Tor. Eine Zeit ohne Plan hat begonnen. Woran es in der DDR mangelte, lagert schon bald auf verwaisten Industriegeländen. Wer will, der kann sich bedienen und bezahlt, so scheint es, mit Altreifen und giftigen Essenzen. Treue Hände vermessen Land und verscherbeln Volkseigentum. Am Gartenzaun taucht der Alteigentümer auf. In Schlüsselpositionen finden sich West-Chef und Ost-Sekretärin. Mehr denn je zählt Vitamin B. Die nebulöse Stasi taucht als IM-Liste auf – Fraß fürs Volk, Deckung für die Offiziere. Der Öffentliche Dienst wird „evaluiert“. Jetzt wird abgerechnet mit den „Bonzen“. Die Stunde der Anschwärzer und Opportunisten ist da. Plötzlich waren sie alle „Widerstandskämpfer“. Bücher werden weggeworfen, Denkmäler geschliffen. Karlsruhe hilft Halle im Computerzeitalter. Im Arbeitsamt werden die Flure eng. Das Kollektiv wird zum Team, der Lagerarbeiter zum Kommissionierer. Auf SED-Phrasen folgen Marketingblasen. Und heute? Die Aufgewachten leben in neuen Nischen. Den Widerstand holt seine Vergangenheit ein. Die „Ossis“ wandern weiter zur Arbeit im Westen, wo sie die Tarife verdorben haben und Ausländer geblieben sind. Bunter ist die Welt – und im Netz. Groß sind die Chancen und größer die Risiken. Der Jetset badet in Milliarden, das Minus ist verstaatlicht. Ost und West sind sich ähnlicher geworden. Die DDR ist zur verlorenen Heimat geworden. Die Tote wird verteidigt gegen Schleier und Scharia. Das Zusammenwachsen, so viel scheint klar, wird ein Herauswachsen sein.