Die Neustädter und ihre Sorgen

von 28. Juni 2011

Was bewegt die Hallenser? Mehrmals im Jahr lädt die Stadtverwaltung von Halle (Saale) zu Bürgerforen ein. Eine Veranstaltungsreihe, die sich etabliert hat, befand Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados. Am Dienstag war die Stadtverwaltung dabei zu Gast im größten halleschen Stadtteil. Rund 100 Neustädter waren trotz des schönen Sommerwetters in den Kulturtreff gekommen, um der Verwaltung einige Knackpunkte in der ehemals selbstständigen Stadt darzulegen. Auch zahlreiche Stadträte wie Elisabeth Krausbeck, Katja Raab, Karamba Diaby, Olaf Sieber, Bodo Meerheim, Swen Knöcheln, Andreas Schachtschneider, Gottfried Köhn und Reik Müller waren gekommen, um Anregungen für kommende politische Debatten zu holen.

Doch zu Beginn zeigte Oberbürgermeisterin Szabados auf, was sich bereits in Neustadt getan hat. Und das ist eine Menge. So sind im Rahmen der Projekte "Urban 21" und "Soziale Stadt" 15 Millionen Euro investiert worden. So wurde der Platz am Tulpenbrunnen umgestaltet, der Brunnen selbst saniert. “Der Platz kann sich sehen lassen”, so Szabados, die auch darauf hinwies, dass dank der GWG der Brunnen auch sprudelt. Das Wohnungsunternehmen übernimmt die Betriebskosten. Auch der Nasreddin- und der Frauenbrunnen laufen dank Spenden weiter. Eine Aufwertung hat auch die Galerie im Grünen erfahren, sie wurde um das Projekt “Kunst auf Zeit” ergänzt. Nebenan im Oleanderweg wurde ein Plattenbau für acht Millionen Euro zu Townhäusern und modernen Wohnungen umgebaut. Wenn auch anfangs durchaus umstritten, entstand an der Magistrale der Rollmops-Skatepark, die Neustädter Passage wurde saniert. Der dortige Spielplatz wird von Pro Halle im Rahmen einer Patenschaft betreut, um den Spielplatz Drachennest kümmert sich die Landsmannschaft der Russlanddeutschen. Umgestaltet wurden die Bereiche am Treff und am Gastronom, hier entstand auch ein Wasserspielplatz. 3,5 Millionen Euro sind hierhin geflossen. Die alten Schulgebäude des früheren Cantor-Gymnasiums wurden abgerissen. “Wir haben Rasen ausgesät und halten das Gebiet als Vorratsfläche bereit”, so Szabados. Aktuelle Planungen gebe es aber nicht.

Noch nicht gelungen ist eine Lösung für die Scheibenhochhäuser. “Das ist mir auch ein Dorn im Auge”, befand das Stadtoberhaupt. Denn von allen Seiten sehe man diese Hochhäuser. Problem sei aber, dass keine einzige der Stadt gehöre und man deshalb nicht viel machen könne. Szabados berichtete aber davon, dass derzeit eine Studie zur möglichen Zukunft erstellt wird. “Irgendwas muss mit den Scheiben passieren.” Doch erzwingen könne man einen Abriss nicht. Vorgesehen ist ein Abriss des maroden Meeresbrunnens. Auch die Station der jungen Naturforscher soll abgerissen werden. Ebenso wie zahlreiche alte Schulen und Kindergärten, unter anderem in der Haflingerstraße und der Wolfsburger Straße. Zudem setze man alles auf einen Abriss des alten Datenverarbeitungszentrums, man habe dem privaten Eigentümer auch Fördermittel angeboten. Doch der habe nun erst einmal ein neues Nachnutzungskonzept für Einzelhandel vorgelegt, das wolle man nun prüfen.

Saniert wurden in den letzten Jahren die Humboldt-, Lilien- und Heine-Schule im Rahmen des PPP-Projekts. Dabei musste der einst als offener Schulhof gestaltete Pausenhof der KGS Humboldt eingezäunt werden, der Vandalismus war zu groß. Zumindest eine Sanierung der Außenfassade am Wolff-Gymnasium konnte realisiert werden durch das Konjunkturpaket. Zudem wurden die Kita Wunderpferdchen und die erste Kreativitätsschule saniert. Derzeit bekommt die Kita Bummi, übrigens einst der erste Kindergarten in Neustadt, ein neues Gebäude. Im nächsten Sommer soll die Sanierung der Heiderand-Schule beginnen. Und der Schulgarten der Keller-Schule bekommt eine behindertengerechte Anbindung.

Getan hat sich auch etwas beim Straßenbau. Noch in diesem Jahr soll die Sanierung des Zollrains abgeschlossen werden. Zwischen 2013 und 2015 soll der Gimritzer Damm ausgebaut werden. Im Herbst soll es dazu einen Ratsbeschluss geben. Wichtig sei auch eine Sanierung des Deiches, damit der Hochwasserschutz für Neustadt gewährleistet sei, so Szabados.

Die erste Frage gehörte Ute Meikowski von der SG 67. Sie beklagte sich über Probleme an der Gerätehalle. So seien Polsterungen der Schaumgummigrube defekt. Seit Monaten wisse die Stadt darum und habe eine Reparatur versprochen. Viel dringender sei aber, dass die Heizung instand gesetzt werde. Im Winter herrschen in der Halle teilweise nur zwölf Grad, beklagte Frau Meikowski. Kinder würden mit Mütze und Handschuhen trainieren, dies sei für die 450 bis 500 aktiven Sportler kein Dauerzustand. OB Szabados versprach, sich der Sache anzunehmen.

Hartmut Roth drängte auf eine schnelle Instandsetzung des Deichs am Gimritzer Damm. Der ausreichende Hochwasserschutz sei fundamental für Neustadt. Die Oberbürgermeisterin erläuterte, zumindest für die Trafostation sei eine Lösung gefunden worden. Sie werde umverlegt. Auch eine Sanierung der Brunnengalerie sei nötig, hier laufe die Diskussion mit dem Land. “Denn für den Hochwasserschutz ist das Land zuständig.”

Lutz Haake vom Wohnungsvermieter BWG sprach sich für einen schnellen Ersatz der Brücke an der Eissporthalle zur Peißnitz aus. “Ich dachte wir können die Brücke gesund beten”, scherzte Szabados. Sie erklärte, es gebe mit der Gimritzer Gutsbrücke und der Schwanenbrücke in unmittelbarer Nähe Ersatz. Die Stadt habe viele marode Brücken und man könne jeden Euro nur einmal ausgeben. 700.000 Euro bis 1,8 Millionen Euro werde ein Neubau je nach Ausführung kosten. Eine Umwidmung der Mittel der Brücke Franz-Schubert-Straße sei nicht möglich. Sie sei aber in Gesprächen mit der Bundeswehr für eine Pontonvariante. Was es aber auch in Zukunft an der Eissporthalle nicht geben wird, ist eine Brücke für Autos. Das sahen viele Zuschauer ähnlich und applaudierten.

Astrid Kehl setzte sich für den Erhalt des Christian-Wolff-Gymnasiums ein. Grund sind Aussagen der Stadtspitze aus dem Jahr 2009, die das Gymnasium in die Altstadt verlagern wollte. Das sei mittlerweile vom Tisch, erklärten sowohl Oberbürgermeisterin Szabados, als auch Bildungsdezernent Tobias Kogge. Derzeit steigen die Schülerzahlen sogar, erklärten beide. “Es ist hervorragend, wie es gerade läuft. Das Wolff-Gymnasium ist für die nächsten Jahre stabil”, so Szabados.

Zwei Unterrichtsstunden zum Aufruf von Google? Das ist am Wolff-Gymnasiums Realität, beklagte Schüler Lucas Jantke. Es gebe nur eine langsame Internetverbindung. Wirtschaftsdezernent Wolfram Neumann wird sich nun mit den Stadtwerken in Verbindung setzen, ob nicht ein Highspeed-Internetaccount für die Schule möglich ist.

Das Passendorfer Schlösschen interessierte den Passendorfer Pfarrer Holger Herfurth. Denn der eigentliche Weg über das Grundstück wurde gesperrt, nun ein unbeleuchteter Schotterweg um das Grundstück geführt. Mit Kinderwagen oder Rollator komme man da gar nicht lang. “Wir kennen das Problem”, gestand auch Oberbürgermeisterin Szabados ein. Man habe bereits im Mai dem Eigentümer eine Ordnungsverfügung angedroht. Dieser habe daraufhin zugesagt, freiwillig den Weg wieder freizugeben. Doch passiert ist bislang nichts. “Gestern haben wir deshalb eine Ordnungsverfügung erteilt.” Bis 6. Juli habe der Eigentümer Zeit, den Zaun zu entfernen. Sonst werde die Stadt im Rahmen einer Ersatzvornahme tätig.

Margot Slaterik wohnt seit 1966 am Taubenbrunnen und beklagte sich über den zunehmend schlechter werdenden Zustand. Mittlerweile blättern Kacheln ab, greife der Rost um sich. Das Grünflächenamt will sich mit ihr in Verbindung setzen. Eine weitere Frage hatte die Seniorin zu einen mit EU-Fördermitteln errichteten Gebäude auf dem Gelände der 2. POS. Ratlose Gesichter bei fast allen im Raum, keiner wusste was gemeint ist. Offenbar ist wohl der Cliquentreff Schnatterinchen gemeint. Jedenfalls beklagte die Anwohnerin, dass die Einrichtung ständig geschlossen sei und nicht genutzt werde.

Das Trinken im Öffentlichen Raum stört Petra Tomczyk-Radji. Denn die Trinker würden in aller Öffentlichkeit urinieren, Müll werde einfach so weggeworfen. Teilweise würden auch Kinder bei den Trinkern sitzen, was ja wohl Kindswohlgefährdung sei. Öffentliches Trinken könne nicht mit einem Bußgeld belegt werden, so Innendezernent Bernd Wiegand. In den letzten Monaten habe man aber immer wieder Trinkerstandorte kontrolliert.

Seit zwei Jahren wartet Klaus-Dieter Weißenborn (SPD-Ortsverband Neustadt) auf eine Antwort der Stadtverwaltung. Ihm ging es damals um ein verwahrlostes Grundstück an der Lise-Meitner-Straße, was heute immer noch so aussehe. Zudem sei es um gefährliche Abstufungen für Radfahrer am Platz vor dem Neustadt Centrum sowie um die Radwegesituation am Rennbahnkreuz gegangen. Überdies machte er den Vorschlag, mehr Wasser im Saugraben fließen zu lassen, das diene der Schönheit.

Werner Müller erkundigte sich nach einem geplanten Bauvorhaben an der B80/Kreuzung Neustädter Friedhof. Das sei Landessache, sagte Stadtplaner Jochem Lunebach. Das Land sei noch in einem frühen Planungsstadium, es gebe naturschutzrechtliche Fragen und auch die Finanzierung stehe noch nicht. Geplant ist hier, die querende Straße als Brücke über die B 80 zu führen. Diese Brücke sei zu teuer für die paar Fahrzeuge, meinte Klaus-Dieter Weißenborn.

Auch Neustadts frühere DDR-Oberbürgermeisterin Liane Lang hatte wieder ihren Auftritt. Sie wies auf die “differenzierte Altersstruktur” hin. Für Kinder und Familien sei viel getan worden. “Doch auch Ältere haben Anspruch auf Möglichkeiten, wo sie sich hinsetzen und unterhalten oder mal Karten spielen können”, sagte sie, beklagte aber, dass in früher gepflegten Anlagen heute nur noch Gerippe einstiger Bänke stehen. Spielplätze seien für Familien da, auch für Senioren, entgegnete OB Szabados. Die dortigen Bänke könnten die Rentner also durchaus nutzen. Für Begegnungen gebe es zudem Zentren wie das Dornröschen oder die Pusteblume. Ordnung und Sauberkeit war auch ein Thema, was Liane Lang ärgerte. Viel Müll liege herum. OB Szabados appellierte hier auch ein wenig an den Verstand der Bürger, nicht alles in die Landschaft zu werfen.

Und dann trat Liane Lang noch das Thema Hochstraße los. Die unsägliche Diskussion müsse aufhören. Sie sei gegen einen Abriss, Neustadt brauche die Verbindung. In einer Demokratie könne es eben verschiedene Meinungen geben, erklärte OB Szabados. “Wir können niemandem das Wort verbieten.“ Man sei als Verwaltung zudem gehalten zu prüfen wie es in Zukunft weitergehen kann. Das sei ein Abwägungsprozess, ob der Verkehr irgendwann über die untere Ebene geführt oder die Hochstraße komplett saniert wird. “In den nächsten fünf Jahren gibt es dazu aber keine Entscheidung.” An einen schnellen Abriss von heute auf morgen sei also nicht zu denken.

Ein älterer Mann und Liane Lang erkundigten sich zudem nach einem Brandblock an der Magistrale. Hier hatte es mehrfach gebrannt, seit Jahren steht das Wohnhaus leer. Weil es Privateigentum sei, könne man da nicht viel machen, beklagte Szabados.

Auf das Thema Ratten kam Dieter Wernitz zu sprechen. Die fühlen sich in Teilen Neustadts wohl, zudem gebe es an der Neustädter Passage ein Taubenproblem. Wie Ordnungsdezernent Wiegand sagte, sei man seit sechs Wochen verstärkt dabei, die Ratten zu bekämpfen.

Kürzungen im Busverkehr beklagte ein Anwohner aus dem Südpark. Mit dem Fahrplanwechsel waren Buslinien eingekürzt worden. Nun komme er nur noch mit einer Linie nach Hause und müsse große Umwege fahren. Eine Antwort dazu gab es nicht, nur der Verweis von Moderator Michael Schädlich auf die Kosten. Auch nicht realisiert werden kann der Vorschlag, einen Radweg nach Bennstedt zu bauen. Denn das sei Landessache. Und dort sehe man keinen Bedarf, so Szabaos. Hingegen wolle sie mit Angersdorf reden, einen Fußweg zwischen der Gemeinde und Neustadt einzurichten.