Diskussion um den Bundestrojaner

von 11. Oktober 2011

Die Diskussion um den sogenannten Bundestrojaner ist voll entbrannt. Sachsen-Anhalts Landesregierung erklärte bereit, dass hier im Land das Schadprogramm nicht im Einsatz war.

Doch die Opposition schäumt. So erklären die Piraten, dass das Technische Polizeiamt Sachsen-Anhalt einen Auftrag an die hessische Firma Digitask vergeben habe, die auch die Trojaner-Software entwickelt hat. "Diese Auftragsdaten lassen die Aussage des Innenministeriums, in Sachsen-Anhalt würde eine entsprechende Software weder genutzt, noch wäre sie überhaupt vorhanden, in einem doch etwas zweifelhaften Licht erscheinen", kommentiert Henning Lübbers, Vorsitzender der Piratenpartei Sachsen-Anhalt. "Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Verfahrensart. Diese wurde als Verhandlungsverfahren ohne Aufruf zum Wettbewerb festgelegt, was eine Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union definiert. Die dabei formulierte Begründung: "Die Bauleistungen/Lieferungen/Dienstleistungen können nur von einem bestimmten Bieter ausgeführt werden, und zwar aus technischen Gründen" untermauert den benannten Verdacht zusätzlich", so Lübbers weiter. Aufgrund der Sachlage hat sich der Vorstand des Landesverbandes dazu entschlossen, entsprechende Anfragen mit einem Fragenkatalog an das Innenministerium, das LKA, das Technische Polizeiamt, das Landesamt für Verfassungsschutz und den Polizeipräsidenten zu schicken. Weiterhin werden die Fraktionen im Magdeburger Landtag aufgefordert, entsprechende Anfragen an die Landesregierung zu stellen. Schlussendlich wurde auch an den Ministerpräsident und den Landesdatenschutzbeauftragten Sachsen-Anhalts appelliert, dem Beispiel der Bundeskanzlerin und des Bundesdatenschutzbeauftragten zu folgen und sich dieses verfassungs- und datenschutzrechtlich relevanten Themas dringend auf Landesebene anzunehmen. "Wir erwarten hier dringend eine umfassende und konsequente Aufklärung seitens der Verantwortlichen", stellt Roman Ladig, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes unmissverständlich klar. "Sollte dieses verfassungswidrige Spionageprogramm auch in Sachsen-Anhalt zum Einsatz gekommen sein, wäre das gerade angesichts des wohl vorschnellen Dementis seitens des Innenministeriums ein unglaublicher Vorgang. Eine derart grobe Verletzung verfassungsrechtlicher Vorgaben kann und darf dann nicht ohne personelle Konsequenzen bleiben. Ein sofortiger Einsatzstop des Trojaners verstünde sich angesichts der Fakten von selbst."

„Dass verschiedene Landeskriminalämter eine Software zur Überwachung der Bürger einsetzen, ist ein handfester Skandal. Die vom Chaos Computer Club am 8. Oktober veröffentliche Untersuchung des sogenannten Bundestrojaners zeigen, dass der Staat eine Software auf Rechner von Bürgern einschleust, mit der es ohne weiteres möglich ist, bis in die intimsten Bereiche des privaten Lebens vorzustoßen“, erklärt der netzpolitische Sprecher der Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt Jan Wagner. „Ein Staat, welcher sich anmaßt, keinerlei Vertrauen in seine Bürger zu haben, verspielt auf dilettantische und gefährliche Weise das Grundvertrauen der Bürger in den Staat.
Dass sich Ordnungs- und Sicherheitspolitiker des konservativen Lagers das Recht nehmen, die Maßnahmen zum Ausschnüffeln der Bevölkerung zu legitimieren, widerspricht dem Grundsatz einer freiheitlichen Gesellschaft und der Menschenwürde. In dem Moment, in dem der Staat Screenshots, d.h. Abbilder der Benutzeroberfläche, kontrolliert, ist die Würde des Betroffenen verletzt und verstößt aus Sicht der Linken somit gegen das Grundgesetz.“ Man sehe es als problematisch an, dass in der öffentlichen Debatte zunehmend die Softwarequalität und Sicherheitsmängel des Trojaners zu stark thematisiert werden. „Tatsächlich sollte man meinen, dass eine Software, die eher unentdeckt auf Rechnern agieren und einen Eingriff in ihre Arbeitsweise verhindern soll, ein Mindestmaß an technischer Sicherheit bieten sollte. Doch das vor uns liegende Problem ist ein anderes und ein weitaus gravierenderes. Die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen, haben die Deutschen, vor allem die Ostdeutschen, eindrucksvoll bewiesen. Der Konsens der Gesellschaft in Freiheit und somit auch frei von staatlicher Verfolgung zu leben, ist für Deutschland daher besonders hervorzuheben. Mit dem Entwurf eines Spionageprogramms mit Einsatzzweck gegen die Bevölkerung arbeitet die Politik gegen diesen Konsens. Die Fragen, die sich nun durch das Aufkommen des Trojaners stellen, sind gesellschaftlich weitreichend. Inwiefern das Vertrauen in die Politik erschüttert sein wird, ist heute noch nicht absehbar, aber schon wahrnehmbar. Dass viele Menschen zurzeit Angst haben, betroffen zu sein, ist als letzte Warnung zu verstehen. Dem Ausschnüffeln unser aller Privatleben durch den Staat muss ein Ende gesetzt werden. Insofern ist die politische Forderung, nach schnellstmöglicher Aufklärung notwendig. Zudem wurde bekannt, dass die Aussage des LKA Bayerns, nur in schwerwiegenden Fällen den „Bundestrojaner“ einzusetzen, schon heute nicht mehr stimmt, da Ermittlungsverfahren aus weniger gewichtigen Gründen öffentlich wurden. Zudem setzte das Landgericht Landshut bereits fest, dass wesentliche Funktionen der nun veröffentlichten Version des Spionageprogramms, rechtswidrig seien.
Die Linke fordert daher das Innenministerium und das Landeskriminalamt auf, schnell und umfänglich über ihr Wissen und möglicherweise ihren Einsatz des Trojaners die Öffentlichkeit zu informieren. Der Bundestrojaner gehört auf den Friedhof ordnungspolitischer Paranoia.“