Diskussion um Ganztagsbetreuung

von 20. Januar 2012

Können auch Kinder von arbeitslosen Eltern in Zukunft wieder den ganzen Tag in die Kita? Genau darum ist ein Streit entbrannt. Denn Sozialminister Norbert Bischof hatte auf die Kosten verwiesen und eine Einführung im Sommer kommenden Jahres in Frage gestellt.

„Ziel der Koalitionsfraktionen bleibt, allen Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und dem Beschäftigungsstatus ihrer Eltern einen Rechtsanspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung in einer Kindertagesstätte zu gewährleisten“, erklärt der CDU-Fraktionsvorsitzende André Schröder. Das KiföG solle dazu bis 2013 novelliert werden. „Die Haltung meiner Fraktion zur Finanzierbarkeit des Wünschenswerten ist hinlänglich bekannt. In diesem Zusammenhang ist es auch legitim, darüber zu sprechen, wann in dieser Wahlperiode die Ziele umgesetzt werden können“, so Schröder. „Es ist nicht zielführend, laufend Zwischenstände zu kommentieren. Wir erwarten, wie in der Koalition vereinbart, ein Gesamtkonzept, das Änderungen und Finanzbedarf gleichermaßen berücksichtigt.“

Katrin Budde, Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und SPD-Landesvorsitzende, sagte: „Die Rückkehr zur Ganztagsbetreuung in dieser Legislaturperiode steht nicht in Frage. Das galt für die SPD im Wahlkampf. Das galt zu Beginn der Legislaturperiode mit dem Beschluss des Koalitionsvertrages. Das gilt auch heute.“ Sie verweist auf drei Elemente, die die Koalition zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung in Sachsen-Anhalt vereinbart habe. „Die Rückkehr zur Ganztagsbetreuung, die finanzielle Entlastung von Mehrkindfamilien und den qualitativen Ausbau von Bildung, Betreuung und Erziehung. Dazu gehören auch die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen mit den Vor- und Nachbereitungsstunden.“ Bei der Umsetzung dieser Vorhaben hätten, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, die Elemente Ganztagsbetreuung und Familienentlastung Priorität. „Wie und in welchen Stufen wir die anderen Elemente realisieren, wird noch im Detail zu diskutieren sein. Wir haben dazu in der Koalition vereinbart, dass das Sozialministerium einen Gesetzentwurf vorlegen wird. Die Erarbeitung des Gesetzentwurfes erfolgt in ständiger Abstimmung mit den Koalitionsfraktionen. Das ist ein konstruktiver Arbeitsprozess innerhalb der Koalition, der auch in anderen Bereichen üblich und einem solch wichtigen Thema vollkommen angemessen ist.“

Sachsen-Anhalts Kinderbetreuungssystem habe seit der Reform im Jahr 2003 zwei zentrale Probleme, kritisiert die Thomas Lippmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften: „der auf einen Halbtagsplatz gekürzte Anspruch für Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil nicht arbeitet, und die drastisch verschlechterte Personalausstattung, die seit dieser Zeit zu übergroßen Gruppen führte und eine qualifizierte Bildungsarbeit mit den Kindern verhindert.“ Während Sachsen-Anhalt mit seinem flächendeckenden Angebot an Kita-Plätzen deutschlandweit noch immer eine Spitzenposition einnehme, steht es mit seinen schlechten Betreuungsbedingungen am internationalen Pranger. „Es hilft nicht, wieder alle Kinder ganztägig in die Einrichtungen gehen zu lassen, wenn sich die Bedingungen nicht spürbar verbessern“, sagte der Vorsitzende der GEW, Thomas Lippmann, in Reaktion auf die Presseberichte zum Krach in der Landesregierung und in den Koalitionsfraktionen um den Gesetzentwurf zur versprochenen KiFöG-Novelle. „Schlecht ausgestattete Kitas jetzt wieder für alle Kinder“ dürfe nicht Ziel der Landespolitik sein. Es sei wichtig, dass schnellstmöglich wieder alle Kinder im Land die Kindertagesstätten so lange besuchen können, wie es die Eltern möchten, es sei aber mindestens genauso wichtig, die Gruppengrößen zu reduzieren und den Erzieherinnen und Kita-Leiterinnen Zeit für die Erfüllung ihres Bildungsauftrages einzuräumen. „Diese beiden Aufgaben können nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wenn für beides gleichzeitig das Geld derzeit nicht reicht, dann muss eben beides schrittweise gemacht werden. Das ist dann auch kein Wahlbetrug sondern die Übernahme von Verantwortung gegenüber den Kindern, den Eltern und den Erziehrinnen in den Einrichtungen.“, so Lippmann zur Bewertung der verschiedenen diskutierten Szenarien. Die Erhöhung der Ausgaben für die Kindertagesstätten auch über mehrere Jahresschritte hinweg sei keine „Steuerverschwendung“ sondern Investition im besten Sinne, die sich später vielfach auszahlen wird. Hierfür auch Kredite aufzunehmen sei deshalb durchaus mit wirtschaftlichem Handeln vereinbar, so Lippmann.