Erinnerung an den Völkermord an Juden

von 29. Januar 2012

[fotostrecke=219]
Mit einer Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Roter Ochse wurde am Freitag an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Detlef Stallbaum vom Kulturbüro legte den Kranz für die Stadt nieder. Auch Vertreter von Stadtratsfraktionen und Schüler des Christian-Wolff-Gymnasiums Neustadt nahmen daran teil. Die Schüler hatten zuvor ihr Unterrichtsprojekt zum Nationalsozialismus präsentiert. Unter anderem widmeten sie sich dem Schicksal der Sturmpanzerabteilung 216, deren Mitglieder sich wegen Gründung eines Soldatenrats und der Zerstörung von Hitlerbildern vor dem Reichskriegsgericht verantworten mussten. Die Verfahren endeten mit 11 Todesurteilen, 3 Gefängnisurteilen, 1 mal Zuchthaus und 2 Freisprüchen.

Am Nachmittag lud die Stadt dann zu einer Gedenkfeier ins Stadthaus ein, musikalisch umrahmt vom Duo Bela Basta. Historiker Dr. Albert Osterloh hielt einen Vortrag zum Thema „Der Hallesche Norden im zweiten Weltkrieg“. Hauptsächlich ging es dabei um die Lebensmittelmarken. Die erste so genannte Reichskarte wurde am 27. September 1939 ausgegeben. Sie regelte, wie viel Lebensmittel, Drogerieartikel oder Kleidung jemand bekam. Für Juden, Polen und andere Fremd- und Zwangsarbeiter gab es grundsätzlich nur die Hälfte, obendrauf keine Milch, Eier, Obst und Gemüse. “Ein Hund bekam viermal mehr Fleisch als ein Jude”, so Osterloh. Tapfere Soldaten hingegen erhielten “Führergeschenke”, zusätzliche Rationen.

Im weiteren Verlauf widmete sich Osterloh den Luftangriffen auf den halleschen Norden. Drei Bunkeranlagen gab es allein auf dem Gelände der Siebelwerke. Insgesamt, so Osterloh, seien in Halle Bunkeranlagen für 10.5 Millionen Reichsmark gebaut worden. Der Historiker berichtete von 218 Vorwarnungen und 103 Luftalarmen im Jahr 1944, im ersten Quartal 1945 seien es 93 Warnungen und 25 Alarme gewesen. Sobald die Flugzeuge über Braunschweig beobachtet wurden und in Richtung Südosten flogen, wurde der Reichssender Halle informiert. Etwa 8 Minuten brauchten die Bomber dann noch bis Halle. Am 14. April 1945 gegen 23 Uhr gab es die letzten Luftangriffe auf Halle.

Halles Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados wies in ihrer Rede darauf hin, dass es auch in Halle einen großen Alltagsantisemitismus gegeben haben. Viele Menschen hätten nicht wahrhaben wollen, was um sie herum passierte. Erschreckend sei, dass aktuellen Studien zufolge immer noch 20 Prozent der Deutschen judenfeindliche Vorstellungen haben. Hier seien die Demokraten gefordert. Sie warb für eine lebendige Erinnerungskultur.

Einige Besucher der Veranstaltung zeigten sich am Ende verwundert über das Thema des Vortrags. Schließlich geht es beim Holocaust-Gedenktag um die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945 durch Roten Armee. Das Leiden der Juden spielte dagegen so gut wie keine Rolle. Weil der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, noch während des Vortrags den Saal verließ gab es auch bei Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados Bedenken, er sei wegen des Themas gegangen. Doch der Grund ist wesentlich einfacher: er sei zusammen mit dem Rabbiner gegangen, um vor Schabbatbeginn in der Synagoge anzukommen, sagte Privorozki gegenüber HalleForum.de. Das Thema habe ihn dennoch “überrascht”.