Erlass zum Integrationsschlüssel

von 17. Januar 2017

Gesetzliche Grundlage bildet der im August 2016 vom Bund neu geschaffene Paragraf 12a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Danach sind Flüchtlinge mit anerkanntem Schutzstatus gesetzlich verpflichtet, für drei Jahre in dem Bundesland ihren Wohnsitz zu nehmen, dem sie für die Durchführung ihres Anerkennungsverfahrens zugewiesen worden sind. Darüber hinaus sind die Länder ermächtigt, zur landesinternen Wohnsitznahme Näheres zu bestimmen.

Landesseitig ist der Integrationsschlüssel auf die Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte beschränkt.

§ 12a Abs. 2 und 3 AufenthG eröffnet allerdings die Möglichkeit, in den Landkreisen die Wohnsitzverpflichtung räumlich weiter einzugrenzen und eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort innerhalb des Landkreises zu verfügen. Die Ausländerbehörden entscheiden nach eigenem Ermessen, ob bzw. in welchen Fällen sie von dieser Option Gebrauch machen.

Mit den Leitlinien für den Integrationsschlüssel sollen eine bestmögliche Nutzung und Auslastung der in den Kommunen vorhandenen Integrationsressourcen wie Wohnraum, Bildung und Arbeitsmarkt erreicht werden. Zugleich soll einer Konzentration von Schutzberechtigten in einzelnen Kommunen entgegengewirkt werden.

Es gilt eine einmonatige Übergangszeit. Zudem sind Personen ausgenommen, die einer sozialversicherungspflichtigen, ihren Lebensunterhalt sichernden Beschäftigung nachgehen oder eine Ausbildung oder ein Studium aufgenommen haben. Darüber hinaus soll die Regelung keine Rückwirkung entfalten, das heißt, sie findet nur für Personen Anwendung, denen nach Inkrafttreten der landesinternen Regelungen ein Schutzstatus zuerkannt wird.

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Leitlinien für einen Integrationsschlüssel für Sachsen-Anhalt

A. Ausgangslage

Durch das im Bund im August 2016 beschlossene Integrationsgesetz wurde ein neuer § 12a in das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) eingefügt, der die Wohnortwahl für Schutzberechtigte regelt. Danach sind Personen, denen seit dem 1. Januar 2016 ein asylrechtlicher Schutzstatus zuerkannt oder erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22, 23 oder 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden ist, kraft Gesetzes verpflichtet, ihren Wohnsitz für drei Jahre in dem Bundesland zu nehmen, in das sie zur Durchführung des Asylverfahrens oder im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden sind. Davon ausgenommen sind unter bestimmten Voraussetzungen Personen, die sich in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, einer Berufsausbildung, einem Studium oder einem Ausbildungsverhältnis befinden.

Darüber hinaus ermächtigt § 12a AufenthG die Länder, zur Wohnsitznahme landesintern Näheres zu bestimmen. Sachsen-Anhalt beabsichtigt, hiervon Gebrauch zu machen. Sinn und Zweck einer solchen Regelung ist es, die Integration von Schutzberechtigten in den Landkreisen und kreisfreien Städten durch eine intelligente Verteilung im Land verlässlicher planen und besser erreichen zu können. Durch die Verteilung im Land sollen landesinterne Binnenwanderungen für einen befristeten Zeitraum limitiert werden. Zudem soll so verhindert werden, dass es zu einer Konzentration von Schutzberechtigten in einzelnen Kommunen kommen kann. Denn sonst könnten in diesen Kommunen zentrale Integrationsressourcen (z. B. Zugang zu Wohnung, Arbeitsmarkt und Bildung) überlastet werden. Dies ist einer Integration insgesamt nicht dienlich. Deshalb soll durch eine ressourcenorientierte Verteilung der Schutzberechtigten eine möglichst gleichmäßige Auslastung in den Kommunen erreicht und dadurch die individuellen Integrationschancen auf hohem Niveau gehalten werden.

Von der intelligenten Verteilung können auch die Kommunen profitieren. Sie gibt den Kommunen mehr Planungssicherheit und verhindert, das mit hohem Personal- und Kostenaufwand aufgebaute lokale Integrationsinfrastruktur ungenutzt bleibt.

Mangels hinreichender statistischer Daten existiert gegenwärtig nur ein rudimentäres Bild von der Binnenwanderung im Land. Gleichwohl lässt sich nach einer Abfrage des Landesverwaltungsamtes bei den Ausländerbehörden feststellen, dass in der Zeit von Anfang Januar bis Ende Oktober 2016 in den Landkreisen und kreisfreien Städten jeweils ca. 1.000 Zugänge und Abgänge durch landesinterne Wanderungsbewegungen von Personen, die der Verpflichtung nach § 12a Abs. 1 AufenthG unterliegen, erfolgten. Dabei ist ausschließlich in den drei kreisfreien Städten ein positiver Wanderungssaldo zu verzeichnen.

Ein ähnliches Ergebnis ergibt sich aus der Entwicklung der Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG (Anerkennung als Asylberechtigter, Zuerkennung Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz, Feststellung von Abschiebungshindernissen) für die Zeit von Oktober 2015 bis November 2016 unter Berücksichtigung der im gleichen Zeitraum aus Landeserstaufnahmeeinrichtungen erfolgten Ist-Verteilungen (s. Anlage). Diese Entwicklung dürfte sich ohne eine Regelung noch verstärken. Denn seit dem Inkrafttreten der gesetzlichen Verpflichtung zur Wohnsitznahme im Bund ist ein Wegzug von Schutzberechtigten in andere Bundesländer nur noch sehr begrenzt möglich.

B. Leitlinien

Von dem intelligenten Integrationsschlüssel sind – wie von der Bundesregelung nach § 12a Abs. 1 AufenthG auch – Personen ausgenommen, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen oder eine Ausbildung oder ein Studium aufgenommen haben; sie fallen von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der Landesregelung. Damit wird sichergestellt, dass schon begonnene Integrationsprozesse nicht unnötig unterbrochen werden.

1. Keine negative Wohnsitzregelung

Es sollen keine Zuzugsverbote an einzelne Orte in Sachsen-Anhalt ausgesprochen werden. § 12a Abs. 4 AufenthG ermöglicht zwar Zuzugsverbote an Orte, in denen eine soziale und gesellschaftliche Ausgrenzung droht, insbesondere weil dort Deutsch nicht als wesentliche Verkehrssprache genutzt wird. Solche Orte sind in Sachsen-Anhalt aber nicht vorhanden und angesichts des im bundesweiten Vergleich insgesamt niedrigen Bevölkerungsanteils von Menschen mit Migrationshintergrund auch nicht zu erwarten.

2. Zuweisungsschlüssel

Um eine bestmögliche Ausnutzung der Integrationsressourcen zu erreichen, ist eine zentrale Steuerung der Zuweisungen auf der Grundlage von landesweit gültigen Kriterien erforderlich und sinnvoll. Als primäres Steuerungsinstrument dient hierzu ein Zuweisungsschlüssel, der an der integrationspolitischen Zielstellung ausgerichtet ist und in erster Linie die gesetzlichen Integrationskriterien des Wohnraumangebotes und des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes abbildet. Da derzeit in allen Regionen des Landes Wohnraum leer steht, wird der Einwohneranteil der aufnehmenden Kommune an der Gesamtbevölkerung des Landes für den Zuweisungsschlüssel herangezogen. Anders als beim für die Unterbringung erforderlichen Wohnraumangebot bestehen im Hinblick auf die Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation regionale Unterschiede. Um diese zu berücksichtigen, fließt als weiterer Faktor der Anteil der als arbeitslos gemeldeten Personen an der Bevölkerung sowie das Verhältnis der Berufsausbildungsstellen je Bewerber in den Zuweisungsschlüssel ein.

3. Individuelle Zuweisungskriterien

Der Zuweisungsschlüssel wird von individuellen Zuweisungskriterien, welche den Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen, flankiert. Humanitäre Aspekte oder integrationsrelevante Umstände sind bei der Zuweisungsentscheidung stets angemessen zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere auch für Gründe, die geeignet wären, eine Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzzuweisung nach § 12a Abs. 5 AufenthG zu rechtfertigen.

Zur Ermittlung der zuweisungsrelevanten Umstände des Einzelfalls werden alle Schutzberechtigten vor der Zuweisung angehört.

4. Gemeindescharfe Wohnsitzzuweisung

Das Land weist Schutzberechtigte nur den Landkreisen und kreisfreien Städten zu. Insbesondere aufgrund individueller Integrationsbedarfe oder der Verteilung der Integrationsinfrastruktur vor Ort kann jedoch eine weitergehende „passgenaue“ Ansiedlung innerhalb des Landeskreises, die den Schutzberechtigten in das für ihn förderlichste Wohn- und Lebensumfeld bringt, zweckmäßig sein. Den Landkreisen wird deshalb die Möglichkeit eingeräumt, Schutzberechtigten kreisintern einen konkreten Wohnort zuweisen.

5. Keine Rückwirkung

Die Regelung soll nur auf Personen Anwendung finden, denen nach dem Inkrafttreten der landesinternen Regelung ein Schutzstatus zuerkannt worden ist. Eine zuzuweisende Person, die bereits außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft ihren Wohnsitz genommen hat und nicht verpflichtet ist, in einem anderen Bundesland zu wohnen, soll regelmäßig in ihrer Wohnsitzkommune verbleiben.

6. Sonstiges

Die Umsetzung dieser Leitlinien erfolgt im Wege eines Erlasses, der Mitte Januar 2017 in Kraft treten soll. Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Erlasses wird überprüft, ob mit Blick auf die Asyl- und Flüchtlingssituation eine Aufrechterhaltung dieses Integrationsschlüssels weiterhin erforderlich ist.

Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt