Ernüchternde Bilanz nach einem halben Jahr „Sorgentelefon“

von 17. Februar 2015
Heute legte das Kultusministerium erstmals dem Landtags-Ausschuss für Bildung und Kultur einen offiziellen Bericht zur Unterrichtsversorgung und Personalausstattung der Schulen in Sachsen-Anhalt im laufenden Schuljahr vor.
Wegen des ungebremsten Personalabbaus trotz ständig steigender Schülerzahlen waren Probleme in der Unterrichtsversorgung vieler Schulen und ganzer Schulformen schon lange absehbar gewesen. Die GEW hatte deshalb mit dem Beginn des Schuljahres einmal pro Woche ein „Sorgentelefon“ geschaltet, um Schülern, Eltern und Lehrkräften ein Podium für ihre Nöte, Probleme und Fragen zu geben. Nach einem halben Jahr und einigen hundert Anrufen muss die ernüchternde Bilanz gezogen werden, dass die Situation an den Schulen dramatischer ist als erwartet. Die überwiegende Zahl der Anrufer klagte über grassierenden Ausfall an den Schulen. Berichte über die Nicht-Erteilung einzelner Fächer bis in den Dezember hinein, bis zu 70 Prozent Ausfall in Fremdsprachen oder die Erkrankung der Hälfte des Lehrer-Kollegiums sind dabei nur die erschreckendsten Auswüchse einer flächendeckenden Unterversorgung.
Die GEW nahm die Befassung des Bildungsausschusses mit der Unterrichtsstatistik zum Anlass, den Ausschussmitgliedern ein erstes Protokoll des „Sorgentelefons“ zu übergeben. Dabei erklärte der GEW-Vorsitzende Thomas Lippmann: „Selbst aus dem außerordentlich mageren Zahlenwerk, das das Kultusministerium den Abgeordneten als Information zugesteht, lassen sich die Fehlentwicklungen deutlich erkennen, denen das Schulsystem durch die fehlenden Lehrkräfte ausgesetzt wird.“
So befände sich etwa der Anteil der langzeiterkrankten Lehrkräfte auf einem neuen Höchststand (2,3% aller Lehrkräfte) und der statistische Wert für die landesweite Unterrichtsversorgung von 102,2% sei auch nur erreicht worden, weil das Unterrichtsangebot massiv eingeschränkt wurde und viele Lehrkräfte geplante Überstunden machen. Trotz dieser Maßnahmen seien alle Schulformen – mit Ausnahme der Grundschulen – unterversorgt. Von einer ordentlichen Vertretung bei Krankheit oder sonstigem Ausfall könne an den meisten Schulen keine Rede mehr sein.

Allein der Totalausfall betrug nach Angaben des Ministerium 2,3 Prozent des gesamten Unterrichtes, was schon fast einer ganzen Unterrichtswoche entspricht. „Angesichts der Klagen am Sorgentelefon und unserer Erfahrungen aus den letzten Jahren ist aber davon auszugehen, dass sich dahinter eine mehr als doppelt so hohe Zahl an nicht regulär erteiltem Unterricht verbirgt“, sagte Lippmann. Darunter zählen vor allem Klassenzusammenlegungen, die Erteilung von Aufgaben zur Stillarbeit bis hin zu reiner Aufsicht oder dem Anschauen von Videos.

Nun lägen zwar einige Daten auf dem Tisch der Abgeordneten, diese dürften aber keinesfalls als ausreichende Information angesehen werden oder gar schon das Ende der Debatte bedeuten. Die Abgeordneten seien in der Pflicht, weitere Informationen einzufordern und sich ein reales Bild von den Zuständen im Schulsystem zu machen. Nur auf der Grundlage verlässlicher und umfangreicherer Daten könne der tatsächliche Lehrkräftebedarf und der Umfang an Neueinstellungen besprochen und politisch verantwortet werden. „Mit der derzeitigen oder gar einer noch weiter verschlechterten Personalausstattung kann man auf keinen Fall in die Vorbereitung des nächsten Schuljahres gehen. Der Bildungsausschuss muss spätestens bis Anfang Mai den Weg für dringend notwendige zusätzliche Einstellungen frei machen. Mit dem Stopfen einzelner Löcher für kurze Zeit kann das Schulsystem nicht dauerhaft gesichert werden“, forderte Lippmann die Abgeordneten zum Handeln auf.