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Zum mittlerweile vierten Mal wurde am Montagabend im Stadthaus der Emil-L.-Fackenheim-Preis für Toleranz und Verständigung verliehen. Ausgezeichnet wurde in diesem Jahr das Seminar für Jüdische Studien der Martin-Luther-Universität. Direktor Giuseppe Veltri konnte den Preis, der mit 2.000 Euro verbunden ist, aus den Händen von Max Privorozki, Vorsitzender des Landesverbandes Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt und der Jüdischen Gemeinde zu Halle, entgegen nehmen.
In ihren Grußworten gingen die Redner darauf ein, dass es auch nach dem Ende des zweiten Weltkriegs noch 20 Jahre dauerte bis die Wissenschaft des Judentums in den Studienkanon aufgenommen wurde. In Halle wurde das Seminar 1992 gegründet. Ein glücklicher Umstand für Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland. In Sachen Judentum und Deutschland ist nichts selbstverständlich, sagte sie. Es sei ein Wunder und mache sie glücklich, mit welcher Begeisterung sich auch nichtjüdische Studenten einbringen. Denn gegenseitiges Wissen übereinander sei wichtig, sorge für Verständnis. Das jüdische Seminar in Halle stehe exemplarisch für jene wunderbare Entwicklung der letzten Jahre. Eine existenzielle Zäsur sei die Wende gewesen. Ein zuvor zerrissenes Land werde seitdem zum Zufluchtsort für Juden aus Osteuropa. Es sei ein Wunder, dass die weißen Flecken im Osten Deutschlands wieder geschlossen werden konnten. Es sei ein zukunftsfähiges und lebendiges jüdisches Leben entstanden.
Dr. Helga Paschke, Vizepräsidentin des Landtages von Sachsen-Anhalt, wies in ihrem Grußwort auf eine zunehmende Bedrohung durch den Rechtsextremismus hin. Alle 26 Minuten passiere eine rechte Straftat, 780 rechte Gewalttaten hätte es im letzten Jahr gegeben und 47 Morde in den letzten Jahren. Alle gesellschaftlichen Kräfte seien dazu aufgerufen, sich gegen Rechtsextremismus einzusetzen. Betroffen zeigte sich Paschke von den rechtsextremen Schmierereien am Mahnmal für die ehemalige jüdische Synagoge und einem Gedenkstein auf dem Soldatenfriedhof in Burg am Wochenende. Angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen mahnte Paschke, geschlossen darum zu kämpfen, dass die Rechten nicht in den Landtag kommen.
Darauf ging auch Sachsen-Anhalts Kulturstaatssekretär Winfried Willems. Er hoffe, dass die durch Rechtsextreme gesäte Saat des Hasses nicht aufgeht. Zudem lobte er die Forschungsaktivität des Seminars. Dies habe für einen guten Ruf über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinaus gesorgt. Er hoffe, dass von der Arbeit des Seminars und der Auszeichnung eine Wirkung auf die Bevölkerung ausgeht. Wichtig sei dies vor allem, um Verständnis zu wecken. Denn was ich nicht kenne, verstehe ich nicht. Was ich nicht verstehe, ist mir fremd. Und was mir fremd ist, wirkt wie eine Bedrohung.
Die Laudatio hielt Prof. Dr. Johannes Hell, Prorektor der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Durch die Arbeit von Giuseppe Veltri sei Halle zu einem Zentrum der Judaistik geworden. Seinen Worten zufolge sei in der Region ohnehin schon lange jüdisches Leben zu Hause gewesen. Erste Zeugnisse von Juden an Saale und Elbe gebe es schon aus dem 10. Jahrhundert.
Große Ehre empfinde er, sagte Seminar-Direktor Giuseppe Veltri über die Auszeichnung. Er erinnerte an die Zeit des Nationalsozialismus, als sich in Halle an der Universität kaum Widerstand regte, als jüdische Professoren die Lehrerlaubnis entzogen wurde, wie zum Beispiel Betty Heimann. Einst habe es in Halle mehr als 170 jüdische Professoren gegeben. In diesem Jahr bezog das Seminar seinen neuen Standort am Jerusalemer Platz, wenige Meter entfernt von der Jüdischen Gemeinde. Mit ihr gebe es eine fruchtbare Zusammenarbeit, lobte Veltri.
Verliehen wurde der Fackenheim-Preis erstmalig 2003. Preisträger war Dr. Gerhard Begrich, der für seine Unterstützung der in Halle lebenden Juden, die sich damals von der stasi-geprägten Gemeinde distanziert hatten, ausgezeichnet wurde. Im Jahr 2005 ging der Preis an den Interessenverband Verfolgter des Naziregimes für dessen unermüdlichen Kampf gegen Rechtsradikalismus in der Gesellschaft. 2007 wurde die Hallenserin Gudrun Goesecke geehrte, die das Archiv der jüdischen Gemeinde gerettet hat.
Der Preis erinnert an den 1916 in Halle geborenen Rabbiner Emil Ludwig Fackenheim. 1937 hatte er sich an der Martin-Luther-Universität eingeschrieben. Er wurde nach der Reichspogromnacht 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Im September 2003 war Fackenheim in Jerusalem verstorben.