Ferkelfabriken: Sachsen-Anhalt räumt gravierende abstoßende Missstände ein

von 21. Juli 2014

Neue Haltungsbedingungen entwickeln

„Die Landwirtschaft ist der wichtigste Wirtschaftszweig im Land und sichert unsere Lebensgrundlage“, erklärte Dorothea Frederking (Grüne). Sie müsse die Anerkennung erhalten, die ihr zustehe. Missstände und widrige Haltungsbedingungen brächten auch die gute Landwirtschaft in Verruf – „Das dürfen wir nicht zulassen!“ Die unhaltbaren Zustände in Sauen- und Ferkelanlagen seien so schnell wie möglich zu beenden: zu enge Kastenstände, schlechte Bodenbeschaffenheit, fehlendes Trinkwasser für die Tiere und mangelnde tierärztliche Versorgung. „Die Tiere haben ein Recht auf Schutz und ein Leben ohne Qualen und Schmerzen“, konstatierte Frederking. Sauen dürften nicht länger als Gebärmaschinen und Ferkel nicht als Produktionsmasse angesehen werden.

Im Kastenstand verbleibt die Sau bis zu vier Wochen nach der Besamung. Sie kann darin weder gehen und noch sich bewegen. Die Sau kann lediglich stehen und liegen, dabei aber in vielen Fällen die Beine nicht ausstrecken, weil die Anlagen zu eng sind. Die Grünen fordern eine klare Ergänzung in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, dass die Breite des Kastenstandes mindestens der maximalen Höhe des Schweins im Stehen entspricht. Außerdem wird die Haltung der Sauen außerhalb des Kastenstandes nach dem Besamungszyklus gefordert. Die Grünen sprechen sich dafür aus, Haltungsbedingungen ohne Kastenstände zu entwickeln. Aufgrund der Züchtung bringen Sauen mittlerweile mehr Ferkel zur Welt als sie säugen können. Nach Erkenntnissen der Grünen würden schwache Ferkel einfach getötet, nach dem Tierschutzgesetz sei dies eine Straftat. Nottötungen dürften nur bei nicht überlebensfähigen oder leidenden Ferkeln vorgenommen werden, erinnerte Frederking. Das Ferkeltöten allein aus wirtschaftlichen Gründen sei nicht gestattet. Die sei zukünftig stärker zu kontrollieren. Strafanzeigen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz (Zufügung von Schmerzen und grundlose Tötung von Wirbeltieren) müssten strikter verfolgt werden.

Gravierende Mängel ahnden

Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung müsse im Rahmen des geltenden Rechts erfolgen, erklärte Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens. Gleichwohl räumte er gravierende, ja abstoßende Missstände ein. Man habe systematische Verstöße durch bestimmte Tierhalter beobachten können: „Das nehme ich nicht hin, und ich nehme auch nicht hin, dass Behörden pfuschen.“ Dagegen werde mit aller Konsequenz vorgegangen. Wer Tiere halte, übernehme auch eine ethische Verantwortung.

Die Ergebnisse der bisherigen Kontrollauswertungen zeigten aber, dass die meisten Tierhalter ihren Pflichten nachkämen. Diskussionsbedarf bestätigte Aeikens hinsichtlich der Sauenhaltung, aber auch hinsichtlich der Tierzucht. Er frage sich, ob man noch auf dem richtigen Weg sei, wenn Sauen immer mehr Ferkel zur Welt brächten, die sie gar nicht säugen könnten. Der Minister verwies beim Thema Tötung von Ferkeln auf die bereits bestehenden rechtlichen Regelungen. Es sei offenbar nicht allen Tierhaltern bewusst, welche Umstände vorliegen müssen, damit Ferkel überhaupt getötet werden dürfen. Er kündigte einen Erlassentwurf zum Tierschutz beim Töten von Ferkeln, also der Darstellung zulässiger Verfahren an. Zudem sei die tierschutzrechtliche Überwachung zu verstärken. In großen Tieranlagen sollte die Kontrollintensität erhöht werden, so Aeikens. Komme es zu gravierenden Verstößen könnte auch eine kontinuierliche Überwachung des Unternehmens die Folge sein. Der Minister warb für ein bundesweites Register für Tierhaltungsverbote und die Umsetzung von EU-weiten Standards.

Auf Einhaltung gesetzlicher Vorschriften achten

Jürgen Barth wehrte sich gegen Verallgemeinerungen, die durch die Debatte erzeugt würden. Dies sei nicht fair gegenüber den Menschen, die sich 365 Tage im Jahr regelkonform um ihre Tiere kümmerten. „Der Tierschutz ist uns wichtig, Standards und Kontrollmechanismen müssen überprüft werde“, sagte Barth und wies darauf hin, dass zur Erfüllung dieser Aufgaben die Landkreise mit mehr Personal und der nötigen sächlichen Ausstattung versorgt werden müssten. Die Notwendigkeit noch schärferer gesetzlicher Vorgaben sieht Barth indes nicht: „Wir haben gesetzliche Vorschriften, sie müssen nur eingehalten werden.“ Das Töten von Ferkeln aus wirtschaftlichen Gründen sei verboten und eine Straftat. Es sei konsequent gegen Verstöße vorzugehen, notfalls auch so strikt, dass Tierbestände aufgelöst würden. Auf Antrag von CDU und SPD soll zudem geprüft werden, welchen Beitrag unter anderem das Zentrum für Tierhaltung und Technik Iden der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (LLFG) leisten kann, welches entsprechend des Landtagsbeschlusses „Artgerechte und gesellschaftlich anerkannte Nutztierhaltung voranbringen“ (Drucksache 6/1073) zu einem Kompetenzzentrum für art- und umweltgerechte Nutztierhaltung weiter entwickelt werden soll.

Schwerer Imageschaden

Es gebe einige schwarze Schafe im Landwirtschaftsbereich, die ihrem Image schweren Schaden zufügten, erklärte Hans-Jörg Krause (DIE LINKE), aber die große Mehrzahl beweist mit ihrer täglichen Arbeit ein verantwortungsvolles Vorgehen bei der Tierhaltung. Krause plädierte dafür, zukünftig mehr auf den Wunsch der Bevölkerung nach kommunaler Beteiligung bei Entscheidungen zum Bau von Tierhaltungsanlagen einzugehen. Im Gegensatz dazu stellte der Landwirtschaftsexperte der Linken aber dar, dass moderne und größere Ställe sehr wohl mit artgerechter Haltung einhergehen können. Nun sei es angebracht, einzelne Tierschutznormen und deren Einhaltung auf den Prüfstand zu stellen. Denn es reiche nicht, Gesetzesverstöße immer nur im Nachhinein zu ahnden. Der vom Minister erwähnte Erlass könne jedoch, so Krause, nicht allein die Antwort auf die offenen Fragen sein.

Zur Landtagsdebatte um Haltungsbedingungen von Schweinen: Nutztierhalter nicht stigmatisieren!

„An Gesetz und Ordnung muss sich jeder im Land halten und wer sich nicht daran hält, muss und soll mit harten Sanktionen rechnen. Die Grünen versuchen erneut, eine ‚Sau durchs Dorf zu jagen’, ohne das Gesamtbild der Landwirtschaft einzubeziehen. Dies ist ein Affront gegen die Landwirte und Nutztierhalter im Land, die ordentlich arbeiten, von ihrer Tätigkeit leben müssen und sich an die Rechtslage halten! Wir wehren uns gegen eine solche Stigmatisierung eines ganzen Berufstandes”, erklärt Bernhard Daldrup, landwirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt.

Darüber hinaus ist der Antragstext der Grünen inhaltlich falsch. Durch das Grundgesetz und das Tierschutzgesetz ist ein Töten von Tieren aus rein wirtschaftlichen Zwecken verboten.

In dieser Legislatur haben wir bereits einiges unternommen, um den steigenden Tierschutzanforderungen gerecht zu werden. Beispielhaft sei genannt, dass wir unser Landeszentrum für Tierhaltung und Technik in ein Kompetenzzentrum für art- und umweltgerechte Nutztierhaltung weiterentwickeln wollen. Dieses Zentrum in Iden wird sich bei der von uns auch geforderten zukünftigen Forschung engagieren und Alternativen zum Kastenstand von Sauen prüfen.

Als CDU-Fraktion haben wir viele Einzelthemen, von denen der Antrag der Grünen nur einen kleinen Ausschnitt behandelt, mit Expertinnen und Experten sowie Verbänden bereits beraten. Überhaupt ist das Mittel der Wahl Kommunikation und das Gespräch mit allen Beteiligten, auch dem Einzelhandel, zu intensivieren. Wir werden nach unserem Tierschutz-Blog und einer öffentlichen Veranstaltung zum Tierschutz weiter mit Vernunft und Augenmaß an der Verbesserung der Tierschutzstandards im Land arbeiten, allerdings ohne Stigmatisierung eines Berufsstandes, der für uns das Rückgrat des ländlichen Raumes bildet!“

Bauernverband distanziert sich deutlich von Verstößen

Der Deutsche Bauernverband (DBV) distanzierte sich von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz, die in der am Montag ausgestrahlten Sendung in der ARD zur Sauen- und Ferkelhaltung gezeigt wurden. Das Töten von Ferkeln in der dargestellten Form sei auf den Betrieben in keinster Weise die Regel, betonte der DBV.

Laut Tierschutzgesetz dürfen Ferkel nicht ohne „vernünftigen Grund“ getötet werden. Das Vorhandensein überzähliger Ferkel ist kein „vernünftiger Grund“. Allein schon aus ökonomischen Gesichtspunkten werden Sauenhalter keine überzähligen Ferkel töten, betonte der Bauernverband. „Nottötungen“ dagegen kommen nur dann in Frage, wenn ein Tier an nicht behebbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden zu verenden droht. Ursachen können gesundheitliche Einschränkungen wie beispielsweise Geburtsfehler, erworbene Krankheiten oder Verletzungen sein. Grundsätzlich müssen Tiere zunächst sachgerecht betäubt und dann durch Blutentzug getötet werden. Landwirte lernen dies im Rahmen ihrer Praxisausbildung.

Der DBV kritisierte, dass illegale Filmaufnahmen, die bei Stalleinbrüchen erstellt wurden, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ohne jegliche Prüfung auf Plausibilität und Repräsentativität gezeigt werden. Zudem weist der Bauernverband darauf hin, dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz umgehend zur Anzeige gebracht werden müssen, statt die Filmaufnahmen über einen Fernsehsender zu vermarkten. Darauf hätte die ARD vor Ausstrahlung des Filmbeitrages drängen müssen, fordert der DBV. Bei einer Reportage des SWR im Dezember 2013 mit ähnlichem Vorwurf gegen Betriebe aus Mecklenburg-Vorpommern hatte die Staatsanwaltschaft ermittelt und das Verfahren im Mai 2014 eingestellt. Für diesen Freispruch gab es keine mediale Aufmerksamkeit, stellt der DBV fest.

Der SWR, der den Filmbeitrag für die ARD erstellt hat, bezeichnete die Betriebe mit Sauenhaltung pauschal als “Ferkelfabriken”. Tatsache ist jedoch, dass in Deutschland ein Sauenbetrieb im Durchschnitt nur 114 Sauen hält. 10 bis 14 Ferkel werden je Sau und Wurf geboren. Damit liegen die deutschen Sauenhalter bezogen auf die Tiergrößen hinter Dänemark, Niederlande, Schweden und Frankreich eher im europäischen Mittelfeld.