Finanzminister im Kreuzfeuer

von 9. September 2009

(ens) Vor einer Woche hat HalleForum.de über den drohenden finanziellen Exodus der Martin-Luther-Universität berichtet. Im nächsten Jahr sei man mit vier, im Jahr darauf gar mit 8 Millionen Euro unterfinanziert, erklärte damals Kanzler Martin Hecht. Schon jetzt seien 88 Stellen unbesetzt, weitere Streichungen drohen, so der Kanzler. Argumente, die er auch am Mittwoch beim Runden Tisch des Arbeitskreises Bildungspolitik des Studierendenrats vorbrachte. Denn immerhin stand bei der Veranstaltung im Löwengebäude der Urheber der Kürzungspläne Rede und Antwort: Finanzminister Jens Bullerjahn.

Auch wenn alle Beteiligten gut drei Stunden miteinander diskutierten, von seinem Standpunkt rückte niemand ab. Die Unis seien bei der Aufstellung des Doppelhaushalts 2010 / 11 nicht schlecht weggekommen, erklärte Finanzminister Bullerjahn, erntete dafür Kritik der Studenten. Doch Bullerjahn verteidigte seine Position. Der sinkende Solidaritätszuschlag sorgt für Einnahmeausfälle, Einbrüche gibt es auch bei den Steuereinnahmen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro. Gespart werden müsse deshalb, bei Straßen oder der Wirtschaftsförderung zum Beispiel. Und alle Bereiche sträuben sich dagegen. “Die wollen alle mehr Geld”, so Bullerjahn, der damit vor einem Dilemma steht: gekürzt wird in jedem Fall. Kritik aus der Studentenschaft, wonach das Land die Hochschulen fallen lassen, wies Bullerjahn zurück. 400 Mio Euro fließen seinen Worten zufolge allein in Universitäten und Hochschulen. Man solle es mit der Maßlosigkeit nicht übertreiben. Wer mehr Geld haben wolle, müsse auch den Mut haben zu sagen, wo gespart werden soll. Neue Schulden zu machen lehne er ab. Erfülle man die Wünsche aller Gruppen, die jetzt gegen Kürzungen protestieren wie Sozialvereine, Polizei, Kultur oder eben die Unis, bräuchte man jährliche eine Milliarde Euro mehr. “Es gibt keine Regel für die Unis, von Einsparungen verschont zu bleiben”, so Bullerjahn. Man werde aber mit Augenmaß vorgehen. Jedoch gebe es auch viele Menschen, die mit Unis nichts zu tun hätten. Auch um die müsse er sich kümmern, so der Minister.

Und nicht nur aus dem Kreis der Studenten hagelte es Kritik. Andreas Ranft, Dekan am Institut für Geschichte, nannte die Kürzungen “brutal” und dramatisch. Rainer Herter von der Naturwissenschaftlichen Fakultät III wies zudem daraufhin, dass die Universitäten im Land ein Wirtschaftsfaktor seien. 768 Euro lasse jeder Student im Monat an Lebenshaltungskosten hier. Hinzu kämen die 5.500 Mitarbeiter an den Unis. Er kritisierte zudem, dass Sachsen-Anhalt hochgerechnet auf die Einwohnerzahl 30 Millionen Euro im Jahr weniger ausgebe als andere Bundesländer. Dabei liegen die Bildungsausgaben in Deutschland ausgerichtet am Bruttoinlandsprodukt ohnehin am unteren Level, wie mehrere Redner bemängelten. Prorektor Bernd Six machte Bullerjahn darauf aufmerksam, dass man ja eigentlich gar nicht mehr Geld wolle, “sondern das, was wir brauchen, um weiter existieren zu können.” Seit Jahren schon werde die Universität mit Einsparungen belegt. Jetzt habe man eine Stelle erreicht, die kritisch sei.

Ein Thema, dem sich auch Rektor Wulf Diepenbrock widmete. Die Uni Halle hätte in den letzten Jahren mit 12,3 Prozent die größten Einsparungen erbringen müssen. Das sei gelungen, wie der Landesrechnungshof bestätigt habe. Doch für 2010 drohe nun ein großes Defizit. 1 Million Euro zu wenig bedeute 20 Stellen weniger. Bei 12 Millionen Euro zu wenig in den nächsten beiden Jahren scheint das Ergebnis klar. “Das ist für die Uni nicht zu verdauen.” Es gehe durch die Einsparungen an den Nachwuchs. Dadurch stelle die Landesregierung das Hochschulsystem Sachsen-Anhalts infrage. Diepenbrock warf dem Land Wortbruch und mangelnde Verlässlichkeit in Bezug auf die Zielvereinbarung vor. So will das Land im nächsten Jahr 1,7 Millionen Euro Investitionsmittel streichen. Dafür stünden aber Mittel aus dem Konjunkturpaket zur Verfügung, argumentierte Thomas Neumann, Referatsleiter des Kultusministeriums. Das aber widerspricht dem eigentlichen Sinn des Konjunkturpakets – der Zusätzlichkeit, wie mehrere Redner bemängelten. Diepenbrock will das Vorgehen der Landesregierung diesbezüglich juristisch prüfen lassen. Auch die Bundestagsabgeordnete Petra Sitte befürchtet möglicherweise Rückzahlungsforderungen. Der Dekan der Medizinischen Fakultät nannte das Ganze gar “totale Makulatur”. Eigentlich habe man mit Hilfe des Konjunkturpakets zusätzliche Geräte kaufen wollen. Nun werde man wohl umschichten müssen, um aus den Konjunkturpaket-Mitteln Betriebsnotwendiges zu kaufen.

Erhöhter Wettbewerbsdruck, Tarifsteigerungen, Inflationsausgleich, höherwertige Flächenausstattung als vor 15 Jahren, bessere Serviceleistungen für Wissenschaftler, um diese hier zu halten – alles Punkte für Kanzler Martin Hecht, warum die Gelder für die Uni so wichtig sind. “Wir brauchen eine aufgabengerechte Finanzierung.” Doch auch darüber gibt es Streit. “Was aufgabengerecht ist, muss man ausdefinieren”, so Thomas Neumann vom Kultusministerium. Er vertrat Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz. Immerhin gestand Neumann eine finanzielle Überstrapazierung der Uni Halle ein. Doch mehr Geld wird es für die MLU trotzdem nicht geben. Stattdessen will sich Neumann mit den Strukturen befassen, schauen, was man sich nicht mehr leisten kann.

Nach drei Stunden fand die Debatte im Löwengebäude ihr Ende. Annähern konnten sich beide Seiten nicht, jeder legte seine Argumente dar. Das ließ den Moderator der Runde, Oliver Rogic, etwas aus der Haut fahren. Er dankte Bullerjahn und Neumann für den Besuch und die Verlesung ihrer Meinung. “Denn diskutiert haben Sie mit uns nicht.” Anschließend ließ er ihnen Blumen “aus dem Müllcontainer von NP” überreichen. “Weil wir auch sparen müssen.” Genau deshalb gab es später noch heftige Diskussionen unter den Studenten, der Stura distanzierte sich davon. Solch eine Formulierung wollte man dort nicht wählen, vielmehr der Landesregierung darstellen, wie gefährdet das zarte Pflänzchen Bildung ist.