Franckesche Stiftungen: Schauen, Bauen, Staunen

von 9. März 2011

Der Themenjahr-Zyklus ist zwar beendet. Doch auch in diesem Jahr ist in den Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale) wieder volles Programm angesagt. Insgesamt 80 Veranstaltungen sind vorgesehen. Über die Höhepunkte informierte Stiftungsdirektor Thomas Müller-Bahlke am Mittwoch.

Im Mittelpunkt wird diesmal die Beziehung der Franckeschen Stiftungen nach Amerika stehen. “Schon Francke hatte Interesse an der neuen Welt”, konnte Müller-Bahlke berichten. So hätten Heimgekehrte einen umfangreichen Fragenkatalog beantworten müssen mit Fragen zu Wetter, Geografie, religiösen Gepflogenheiten, aber auch zu Chancen für Handel. Heinrich Melchior Mühlenberg war als Patriarch der Lutherischen Kirche in Nordamerika einer der Kundschafter für die Stiftungen in Halle. So übersandte er die erste in Nordamerika gedruckte deutschsprachige Bibel nach Halle, auch eine Wasserpfeife der Indianer gehört dank der Francke-Botschafter zum Fundus der Stiftungen, ist heute in der Kunst- und Naturalienkammer zu sehen und ist die älteste indianische Wasserpfeife in einem europäischen Museum. Auch Einrichtungen aus Nordamerika leihen diese gerne für Ausstellungen aus, so Müller-Bahlke weiter.

Seinen Auftakt findet das Jahresprogramm mit der traditionellen Francke-Feier vom 25. bis 27. März. Unter anderem gibt es dabei eine Lesung aus dem historischen Roman “In Gottes eigenem Land” von Eberhard Görner, der hier über Mühlenberg als Vater des amerikanischen Luthertums schreibt. Zur Lesung wird Gojko Mitic erwartet.

Die Jahresausstellung vom 1. Mai bis 3. Oktober widmet sich unter dem Titel “Freiheit, Fortschritt und Verheißung” dem Blickwechsel zwischen Europa und Nordamerika in der frühen Neuzeit. Am 26. Mai wird es ein “Amerika-Fest” geben, vom 25. bis 27. August wird sich eine internationale Konferenz mit namhaften Wissenschaftlern Mühlenberg widmen. Und zur Museumsnacht wird es eine Illumination “Schiffe nach Amerika” im Freylinghausensaal geben.

Außerdem haben die Franckeschen Stiftungen eine Tafelausstellung in deutsch und englisch über Mühlenberg gestaltet. In Nordamerika wird diese unter anderem in Philadelphia, Orlando, Washington D.C. und Savannah zu sehen sein. Zu letztgenannter Stadt will Halle ja gern städtepartnerschaftliche Beziehungen aufbauen. Doch so richtig kommt es noch nicht in Gang. Doch Thomas Müller-Bahlke gibt nicht auf. “Die Franckeschen Stiftungen sind bekannt für ihre Beharrlichkeit.” Man sei überzeugt, dass beide Städte zusammenpassen. Derzeit ziere sich die Verwaltungsspitze der Stadt in Georgia noch. “Aber das ist wie bei einer Braut um die man werben muss.”

Aktuell laufen noch zahlreiche Bauprojekte auf dem Stiftungsgelände. Aus dem Trümmerhaufen zum Ende der DDR-Zeit sei wieder ein vorzeigbares Ensemble geworden, dass nun fast komplett sei, so Müller-Bahlke. 3,5 Millionen Euro fließen in das Eckensemble am Franckeplatz mit der einstigen Spelunke “Raubschiff”, wo nach der Sanierung wieder die Waisenhausbuchhandlung einziehen soll. Auch ein Cafe, ein Antiquariat und das Nachwuchsforum Geschichte finden hier ihren Platz. Nebenan baut die Bundeskulturstiftung für drei Millionen Euro ihren neuen Hauptsitz. Bei den Grabungen wurde ein riesiger eiszeitlicher Findling aus Skandinavien gefunden. Dies sei der größte der Region, erklärte der Stiftungsdirektor. Künftig werde er vor der Kulturstiftung seinen Platz finden.

Eine große Aufgabe steht mit dem 60 Meter langen historischen Brau- und Backhaus bevor. Für fünf Millionen Euro wird das Haus instand gesetzt. Unter anderem wurde ein historischer Backofen aus dem 18. Jahrhundert gefunden, der auch wieder funktionsfähig gemacht werden soll. “Künftig wollen wir hier zu speziellen Anlässen Francke-Brot backen”, so Müller-Bahlke. Das Ensemble gehörte früher mit zur Meierei und ist mit den Gebäuden unterirdisch über ein Kreuzgewölbe verbunden. Hier wurde sogar ein alter Wasserlauf aus Sandstein entdeckt sowie im Erdboden Teile der historischen hölzernen Wasserleitung, über die die Franckeschen Stiftungen schon vor 300 Jahren mit frischem Wasser versorgt wurden. Die Leitung soll später in einer Ausstellung präsentiert werden, und der Keller wird zum Veranstaltungsort umgebaut.

Außerdem werden für fünf Millionen Euro – zum Teil SED-Gelder – die ehemaligen Pächterwohnungen für das staatliche Lehrerseminar hergerichtet. Und 17 Millionen Euro fließen in die Sanierung der Latina. Vier historische Häuser sind danach noch zu sanieren. Wann es dort losgeht, ist aber noch unklar. Dazu zählen zwei große Scheunen, die Druckerei und das ehemalige Kinderkrankenhaus, übrigens das erste weltweit. Außerdem will man gegenüber der Schorre gern ein Parkhaus bauen. Doch einen Investor dafür hat man noch nicht.


Findling


Backofen