»Ich bin sehr froh über die beiden Auszeichnungen, denn sie vereinen viele der Kompetenzen, die wir unseren Auftraggebern bieten können: die Entwicklung neuer, leistungsfähiger Materialien, exzellente Analysemethoden sowie die eigene Entwicklung von hochmodernen Geräten«, sagt Prof. Ralf B. Wehrspohn, Leiter des Fraunhofer IMWS. »Besonders freut mich, dass ein Start-Up ausgezeichnet wird, das aus unserem Institut hervorgegangen ist. Wenn sich Kolleginnen und Kollegen mit einer Forschungsidee erfolgreich selbstständig machen, ist das der beste Beweis dafür, dass unsere Inhalte auf dem Markt gefragt sind.«
Diesen Schritt gingen Dr. Dominik Lausch, Dr. Kai Kaufmann und Markus Patzold. Die von ihnen gegründete DENKweit GmbH bietet eine neue Lösung an, mit der sich der Gesundheitszustand elektronischer Komponenten, etwa von Batterien oder Solarmodulen, messen lässt. Die Idee dabei: Der Stromfluss, beispielsweise in einem Solarmodul, erzeugt ein Magnetfeld. Ein perfektes Bauteil hat einen speziellen magnetischen Fingerabdruck. Wenn es elektrische Defekte gibt, verändert sich der Stromfluss und damit das Magnetfeld. Diese Abweichung kann mit einem Handgerät am fertigen Bauteil oder mit einem Inlinegerät während der Produktion gemessen werden. Aus den Messdaten lässt sich auf Defekte zurückschließen.
»Die Idee ist eigentlich naheliegend, wir haben uns selbst ein wenig gewundert, dass es diese Lösung noch nicht gibt. Die Kostenvorteile sind allerdings beträchtlich. Wir freuen uns, dass die Jury diese Potenziale erkannt hat«, sagt Lausch. Bisher mussten beispielsweise Solarmodule beim Verdacht auf einen Defekt oft demontiert und dann im Labor untersucht werden. Mit der Lösung von DENKweit funktioniert die Analyse während des laufenden Betriebs, zerstörungsfrei, berührungslos und in Echtzeit. »Aktuell arbeiten wir verstärkt mit der Automobilindustrie zusammen, da sich das Verfahren auch gut eignet, um einzelne Batteriezellen zu untersuchen. Damit können wir ein aktuelles Problem der E-Mobilität angehen«, sagt Lausch.
Die ermittelten Messdaten des Magnetfelds werden in eine Cloud geschickt und dort von einer künstlichen Intelligenz analysiert. Der Nutzer erhält dann eine entsprechende Interpretation der Daten, beispielsweise den Hinweis auf die mögliche Defektursache. Auch die Kombination von maschinellem Lernen und simulationsgestützter Analyse, die dabei zum Einsatz kommt, haben die Forscher am Fraunhofer IMWS entwickelt.
Dr. Christian Thieme hat gemeinsam mit seinem Team die ersten neuen negativ dehnenden Silicate seit mehr als 50 Jahren entdeckt und sie in neuartige Glaskeramiken mit geringer Wärmeausdehnung integriert. Die Jury zeichnete dieses Projekt mit dem 1. Platz in der Kategorie »Angewandte Forschung« aus.
Glaskeramiken werden beispielsweise in Kochfeldern oder Teleskopspiegeln eingesetzt. Ihre besondere Stärke: Sie haben keine signifikante thermische Ausdehnung, auch bei hohen Temperaturschwankungen bleibt ihre Form also fast gleich. Bei der Produktion werden fein verteilte Kristalle mit negativer thermischer Ausdehnung in einem Glas mit positiver thermischer Ausdehnung erzeugt; am Ende resultiert daraus ein nullausdehnendes Material. Gerade die Aufgabe, geeignete Kristalle mit negativer thermischer Dehnung zu finden, ist neben der Beherrschung der Prozessparameter und der besonders hohen Schmelztemperaturen jedoch sehr schwierig, sodass nur sehr wenige Unternehmen weltweit überhaupt in der Lage sind, diese Materialien herzustellen.
Das Team um Thieme entdeckte ein neues kristallines Material mit der Zusammensetzung Ba1-xSrxZn2Si2O7, das diese seltene Eigenschaft hat. Der große Vorteil hierbei ist, dass die Herstellungstemperaturen dieser neuen Glaskeramiken 100 bis 200 °C unter denen konventioneller Nullausdehnungsglaskeramiken liegen. Außerdem lässt sich das Ausdehnungsverhalten in weiten Temperaturbereichen variabel einstellen. »Diese deutliche Absenkung der Schmelztemperaturen ist ein großer Vorteil. So werden einerseits Energiekosten gespart, andererseits können dadurch auch neue Player in den Markt kommen, die neue Anwendungsfelder in Hightech-Produkten und für den Massenmarkt erschließen. Zudem sind die Ausgangsmaterialien vergleichsweise günstig. So könnten die neuen Glaskeramiken auch durch kleine oder mittelständische Unternehmen hergestellt werden«, sagt Thieme. »Der Hugo-Junkers-Preis ist eine tolle Anerkennung für dieses Projekt, mit dem wir auch aufzeigen, dass in Mitteldeutschland Materialinnovationen auf Weltniveau entstehen können.«
Die Preisträger erhielten ihre Auszeichnungen gestern im Rahmen einer Zeremonie in Magdeburg. Insgesamt hatten sich 82 Projekte für den Hugo-Junkers-Preis des Landes Sachsen-Anhalt beworben, der vom Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt in den Kategorien »Innovativste Vorhaben der Grundlagenforschung«, »Innovativste Projekte der angewandten Forschung«, »Innovativste Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle« sowie in diesem Jahr in der Sonderkategorie »Innovativste Projekte der Ernährungswirtschaft« verliehen wurde. 20 Projekte wurden von einer Jury für das Finale ausgewählt und dort präsentiert, danach legte die Jury die Gewinner fest.