Freie Träger am Rand der Existenz

von 30. November 2010

Eigentlich sollte die öffentliche Hand mit gutem Beispiel voran gehen. Doch die Zahlungsmoral der Stadt Halle (Saale) lässt offenbar zu wünschen übrig. „Bei vielen Trägern gibt es Außenstände bis in die Millionenhöhe“, sagt Sven Weise von der Liga der freien Wohlfahrtspflege. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit sei stark erschüttert. „Wir sind am Rand der Existenz“, so Weise weiter. Immer wieder sage die Stadt die Zahlung der zustehenden Gelder für die bereits erbrachten Hilfen zur Erziehung und Leistungen der Kinderbetreuung zu. Doch Geld sei nur in den wenigsten Fällen geflossen. Weise: „Ich fühle mich veralbert.“

Wie DRK-Kreisvorsitzende Helga Schubert erklärte, seien bereits im Juli erste Rechnungen durch die Stadt nicht bezahlt worden. Inzwischen seien allein beim Roten Kreuz Außenstände von 360.000 Euro aufgelaufen. „Prophylaktisch haben wir einen Kredit mit unserer Hausbank ausgehandelt“, sagte Schubert. Ähnliches droht beim Caritas-Verband. „Wenn die Stadt ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, müssen wir einen Kredit aufnehmen“, so Geschäftsführer Torsten Bognitz. Auf 130.000 Euro beziffert er die städtischen Schulden bei seinem Träger „Wir haben das Gefühl, dass wir die Finanzen der Stadt mitfinanzieren sollen“, klagt Bognitz. „Bisher konnten wir die Zahlungsrückstände aus Reserven zum Beispiel für das Weihnachtsgeld begleichen. Doch die Gelder sind aufgebraucht.“

Die Stadt hatte die Zahlungsrückstände mit steigenden Fallzahlen bei den Hilfen und mehr Kindern in Horten und Kitas begründet. „Uns ist unklar, wieso das Geld nicht reicht“, sagte AWO-Chefin Sylvia Plättner. Die Gelder würden schon ein Jahr im Voraus beantragt. Die Arbeiterwohlfahrt betreut allein in ihren Kitas 12.000 Kinder und wartet noch auf 480.000 Euro. Hinzu kommen 350.000 Euro für erbrachte HzE-Leistungen. Auf jeweils mehr als 400.000 Euro beziffern auch der Paritätische und der ASB die Forderungen an die Stadt.

Viele Vereine umtreibt die Sorge, dass auch im kommenden Jahr keine bessere Zahlungsmoral zu erwarten ist. Ihre Forderung deshalb: „Die Stadt muss einen realistischen Haushaltsansatz liefern“, so Sven Weise. Auch eine bessere Kommunikation durch die Stadt wurde angemahnt. „Die Stadt muss offen mit uns sprechen, wenn es Zahlungsprobleme gibt“, so Helga Schubert vom DRK.

Sowohl die Kita- als auch die HzE-Leistungen sind Pflichtaufgaben und müssen von der Stadt getragen werden. Auch wenn die Stadt im Rückstand ist, ihre Leistungen haben die Träger nicht eingestellt. „Wir können nicht wie auf dem Bau einstellen und entlassen und die Probleme auf dem Rücken der Kinder austragen.“ Zornesröte treibt den Trägern auch die Tatsache ins Gesicht, dass der Stadtrat zwar 6,6 Millionen Euro zusätzlich freigegeben hat, die Stadt das Geld an die Träger aber trotzdem nicht weitergereicht hat.