Fünf Euro mehr Hartz IV – Kritik

von 26. September 2010

Die Leistungen für Hartz IV-Empfänger sollen leicht steigen. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP einigte sich auf eine Anhebung um fünf Euro. Aus der Berechnung für den Regelsatz wurden Tabak und Alkohol herausgenommen, weil dies keine Existenz sichernden Ausgaben seien.

Doch es hagelt bereits erste Kritik. Die geplanten Änderungen im Sozialgesetzbuch II seien nicht nur fragwürdig in der geringen Erhöhung des Regelsatzes, sondern würden auch in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit zu neuen Strukturverwerfungen führen, meint man bei der in Halle (Saale) ansässigen Diakonie Mitteldeutschland. „Die in den letzten Tagen aus Regierungskreisen genannten Zahlen zur Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge sind weder sachgerecht noch transparent. Schließlich werden die neuen Zahlen aus der Einkommens- und Verbrauchsstatistik erst am Montag veröffentlicht. Da ist sicher noch viel Diskussionsbedarf.“ erklärt Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland. „Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar vor allem Transparenz in der Berechnung gefordert.“ Eine hohe Zahl Betroffener in Thüringen und Sachsen-Anhalt wartet zu Recht auf vertrauenswürdige Aussagen der Bundesregierung und das politische Signal, dass ihre Würde tatsächlich geachtet wird. Grüneberg lobt in diesem Zusammenhang, dass die Neufassung des Gesetzestextes von Leistungsberechtigten und nicht mehr von Hilfebedürftigen spricht. Sie erhalten nach neuer Lesart eine Grundsicherung für eine würdevolle Lebensführung. „Da bereitet uns allerdings Sorge, was in der Diskussion zur Gesetzesänderung bisher kaum beachtet wird. Wenn die Kosten für die Unterkunft künftig durch monatliche Pauschalen abgedeckt werden können, kommt das dem Spardruck in Ländern und Kommunen entgegen. Wir befürchten dann eine Ghettoisierung von Hartz-IV-Empfängern vor allem in Städten mit hoher Arbeitslosigkeit.“ Obendrein nehme die Bundesregierung Altersarmut billigend in Kauf, wenn die Rentenversicherungsbeiträge für Hartz-IV-Empfänger abgeschafft werden. Grüneberg: „Auch das fällt auf die Kommunen zurück, weil sie ja für die Grundsicherung im Alter zuständig sind.

"Dies ist ein Tiefschlag für die soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Es geht nicht um Almosen, sondern um die soziale Fürsorgepflicht des Staats”, sagt Sachsen-Anhalts Grüne Landesvorsitzende Claudia Dalbert. Der Hartz-IV-Regelsatz müsse auf deutlich über 400 € steigen. Was derzeit geschehe sei “ein ‘weiter so’ der eiskalten schwarz-gelben Sozialpolitik." Für Kinder müsse einen angemessen eigenständige Berechnung erfolgen. “Experimente mit einer Bildungschipkarte zeigen nur einmal mehr, Kinder sind unserer Gesellschaft unterschiedlich viel wert. Die mit den weniger guten Startchancen ins Leben werden mit Almosen abgespeist; ihnen und ihren Eltern wird mit Misstrauen begegnet," ergänzt Dalbert.

„Diese Entscheidung der Bundesregierung verstößt so offensichtlich gegen das Urteil des Verfassungsgerichts, dass ein erneuter Gang nach Karlsruhe unausweichlich ist”, sagte Sachsen-Anhalts SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Katrin Budde. “Diese Entscheidung ist Höhepunkt eines seelenlosen Geschachers um die Lebensumstände von Menschen, die in existentielle Not gekommen und auf die Solidarität der Gemeinschaft angewiesen sind. Wer behauptet, die Regelsätze für Kinder seien eigentlich zu hoch, wie es die Bundesregierung tut, ist so weit von jeder Realität entfernt, dass es weh tut. Angela Merkel und Guido Westerwelle verweigern den Betroffenen Bildungs- und damit Lebenschancen. Merkel und Westerwelle stufen die Grundsicherung zum reinen Gnadenbrot ab, anstatt sie zu dem zu machen, was verfassungsgemäß und vernünftigerweise gesellschaftlich geboten ist: zum Sprungbrett in ein selbstbestimmtes Leben. iese Bundesregierung will verhindern, dass Menschen die Chance bekommen, wieder zu arbeiten und sich dadurch selbst zu versorgen und dass die Gesellschaft von den Kosten entlastet wird. Sie wird erklären müssen, warum sie das will. “