Gegen einen Wechsel von Förderschülern in einen neuen Klassenverband im letzten Schuljahr

von 17. Februar 2016

Als Träger dreier Stellen für Schulsozialarbeit an Förderschulen für Lernbehinderte in Halle (Saale) stellt sich die AWO Halle-Merseburg hinter das Anliegen unserer Schulsozialarbeiterinnen: „Wir sprechen uns gegen eine Entscheidung im Namen der Inklusion aus, die zu Lasten derer geht, die ohnehin durch komplexe Problemlagen sozial benachteiligt und ausgegrenzt sind. Wir fordern die Bereitstellung förderlicher und realistischer Strukturen zum Erreichen eines anerkannten Schulabschlusses für Menschen mit Lernschwierigkeiten und die Erhaltung der Kooperationsklassen an Sekundarschulen.“

Die Gründe, warum ein Wechsel in einen neuen Klassenverband an einer anderen Schule im letzten Schuljahr entwicklungsbehindernd ist, lauten aus unserer fachlichen Sicht:

  1. Ein Wechsel zum letzten Schuljahr ist für keinen Schüler förderlich.

  2. Die Schüler befinden sich in der Identitätsfindungsphase, sind also noch nicht ausreichend persönlich gereift.

  3. Die Schülerinnen und Schüler entstammen häufig Multiproblem-Familien und bringen komplexe persönliche Problemlagen mit.

  4. Sie haben Angst vor erneutem Scheitern, vor Stigmatisierung und Ausgrenzung auf der Grundlage ihrer Erfahrungen auf der Regelschule.

  5. Es gibt mit gutem Grund methodische Unterschiede im Unterricht entsprechend des Förderschwerpunktes. Dies wird dann nicht beachtet.

  6. Die Anforderungen an Lehrer, allein jedem Einzelnen gerecht zu werden, sind sehr hoch.

Daraus folgt, dass sich mehr Eltern und Schüler für den Bildungsweg des BvJ (Berufsvorbereitendes Jahr) entscheiden werden und damit mehr Schüler der Förderschulen LB das Regelschulsystem ohne Schulabschluss verlassen. Das wiederum widerspricht dem Ansatz des Landes, diese Quote zu senken.

Aus sozialpädagogischer Sicht bedeutet dies eine bewusste Entwicklungsgefährdung junger Menschen mit einer Lernbehinderung. Einerseits werden hier Perspektiven genommen und andererseits werden schon zu Beginn des Berufseinstieges Hürden aufgebaut, die eine erfolgreiche Integration (Inklusion) in die Gesellschaft be- oder gar verhindern.

“Wir rufen daher zu einem konstruktiven Austausch aller Beteiligten im Sinne der betroffenen Schülerinnen und Schüler auf.”

AWO Regionalverband Halle-Merseburg e.V.