Geiseltalmuseum macht zu

von 21. Oktober 2011

Im Zuge der Vorbereitung auf einen Umzug ins neue Naturkundliche Universitätsmuseum wird das Geiseltalmuseum in der Neuen Residenz in Halle (Saale) Ende Dezember 2011 seine Türen für den Publikumsverkehr schließen. Ab 2015 sollen die Fossilien wieder zu sehen sein.

Die Eozän-Fossilien aus dem Geiseltal bei Merseburg (südliches Sachsen-Anhalt) sind wissenschaftlich einmalig: Eine Fossilisation in Braunkohle durch das Durchströmen von kalkhaltigem Wasser hat nur hier stattgefunden. Die Geiseltalfossilien belegen äußerst gut die Entwicklung der heutigen Säugetierordnungen und sind weltweit hoch angesehen für den guten, dreidimensionalen Erhaltungszustand, so dass nach der Fossillagerstätte sogar ein eigenes geologisches Säugetierzeitalter, das Geiseltalium, benannt worden ist. Die Fossilien sind ca. 50 Millionen Jahre alt. Während des Braunkohletagebaus im Geiseltal konnten etwa 50.000 Einzelstücke geborgen werden. Der gesamte Bestand ist an die hallesche Universität gekommen. Auf Initiative des damaligen Direktors des Geologisch-Paläontologischen Instituts, Johannes Weigelt (1890-1948), wurde den Funden 1934 ein eigenes Museum in der Neuen Residenz in Halle gewidmet, das Geiseltalmuseum.

Doch nun soll nach Plänen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) die Nutzung der Neuen Residenz durch die Universität endgültig enden. Bereits vor einigen Jahren hat die Universität den Gebäudekomplex an das Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt abgegeben. Neue Nutzungsflächen für moderne Forschung und Lehre stehen am Weinberg Campus (Heide-Süd) zur Verfügung. "Nun gilt es, endlich auch die weltweit einmaligen Fossilien zeitgemäß und fachgerecht unterzubringen", sagt Dr. Frank Steinheimer, Leiter des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Universität, dem das Geiseltalmuseum zugeordnet ist. Dies bedeute aber nicht das Ende der Geiseltalsammlung, "ganz im Gegenteil".

"Während die große wissenschaftliche Sammlung gleich in die Nachbarschaft zur zoologischen Sammlung an den Domplatz ziehen wird, sollen die besten Exponate im neuen Naturkundlichen Universitätsmuseum am Friedemann-Bach-Platz in Halle ab 2015 in einer Ausstellung zur Evolution gezeigt werden." Ein entsprechender Antrag auf Finanzierung wurde im Sommer 2011 bei der Landesregierung eingereicht. "Es gibt in Sachsen-Anhalt keinen besseren Standort für eine Ausstellung und weltweit kaum spannenderes Material aus der erdgeschichtlichen Epoche des Eozäns", sagt Steinheimer. "Was wir am Friedemann-Bach-Platz in Zukunft zeigen werden, kennen Sie aus keinem anderen Museum weltweit. Auch hinsichtlich der Präsentation werden völlig neue Wege beschritten werden." Mehr verrät der promovierte Ornithologe nicht. Das Ausstellungskonzept liege ausgearbeitet vor, werde aber erst dann vorgestellt, wenn die Finanzierung sicher- und der genaue Zeitplan aufgestellt sei.

Dr. Meinolf Hellmund, Paläontologe und Kustos der Geiseltalsammlung, begründet, weshalb eine Schließung des Geiseltalmuseums bereits vor dem eigentlichen, für Ende 2014 terminierten Auszug nötig ist: "Ein Umzug der hochempfindlichen und zerbrechlichen Fossilien braucht einen entsprechenden Vorlauf. Wenn wir Ende des Jahres schließen, um in der Ausstellung mit dem Verpacken beginnen zu können, brauchen wir noch mindestens zwei weitere Jahre, um die gesamte Sammlung fachgerecht an den Domplatz verlagern zu können." Seit nunmehr zwei Jahren werden maßgerechte Transportkisten für die Fossilien angefertigt und eine Datenbank mit Beschreibungen und Fotos der Einzelobjekte aufgebaut. Maßnahmen, die erst durch öffentliche Gelder vom Bund, vom Land und von der Kommune unter der sogenannten Kommunal-Kombi-Förderung möglich geworden sind.

Die wissenschaftliche Nutzung für Forschung und Lehre soll auf keinen Fall während des Umzugs in neue, klimastabile und kustodial optimale Räume zum Erliegen kommen, was logistisch eine große Herausforderung darstellen wird. Umso erfreulicher ist der Umstand, dass ab 2012 der neue Fachpräparator Michael Stache seine Arbeit am Geiseltalmuseum aufnehmen wird. Er hat schon bei einem großen Umzug einer paläontologischen Sammlung in Weimar mitgearbeitet und gilt derzeit als einer der besten Kenner der Präparationsmethoden für die Geiseltalfossilien.

Um nicht sang- und klanglos in die Einpackphase überzugehen, dürfen vom 8. November bis Weihnachten nochmals Schulkinder zu einem ganz besonderen Erlebnis ins Geiseltalmuseum kommen. Das Ensemble des Thalia Theaters inszeniert dort das "Fliegende Klassenzimmer" und schickt Professor Friedrich Hermelin aus, wieder einmal einen Kriminalfall zu lösen, der sich diesmal um einen besonderen Fund im Geiseltalmuseum drehen wird.

Das Geiseltal und das UNESCO-Weltkulturerbe Grube Messel bei Darmstadt gehören in etwa der gleichen erdgeschichtlichen Epoche an; viele Tier- und Pflanzengattungen konnten in beiden Lagerstätten gefunden werden. Die Geiseltalfossilien zeigen jedoch im Unterschied zu Messel einen überwiegend dreidimensionalen Erhaltungszustand, während der Großteil der Messelfossilien zweidimensional flachgedrückt vorliegt. Für das taxonomische Verständnis der entsprechenden fossilen Arten und der eozänen Artenvielfalt sind die Geiseltalobjekte manchmal besser geeignet als ähnliche Messelfunde und sie sind daher oft Gegenstand entsprechender Fachpublikationen.

Der ausgezeichnete Erhaltungszustand liegt zum einen an der Sauerstoffarmut des ursprünglichen Einbettungssediments in einem uferreichen, sehr differenzierten Urwald-Ökosystem, zum anderen an dem leicht bearbeitbaren Substrat Braunkohle. Das Eozän repräsentiert einen Zeitabschnitt der Erdgeschichte einige Millionen Jahre nach dem großen Aussterbeereignis der Dinosaurier. Erst durch das Aussterben der Dinosaurier konnte sich eine Vielfalt an Säugetieren und Vögeln im Eozän entwickeln, die die Stammlinienvertreter der heutigen Arten darstellen. Die großen Highlights der Sammlung sind ein vollständiges Skelett eines Urpferds, zahlreiche Knochen eines Großlaufvogels, perfekt erhaltene Krokodilskelette und fossilisierte Prachtkäfer.