Gesetzespaket zur Netzneutralität im EU-Parlament beschlossen

von 28. Oktober 2015

Kritiker befürchten jetzt, dass in Zukunft nicht alle Daten mit der gleichen Geschwindigkeit durch das weltweite Netz strömen. Doch welche Auswirkungen hat das umstrittene Gesetz für uns Verbraucher? Darüber spricht der Journalist, Keven Nau mit Ilja Braun, Experte bei der Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin.

Keven Nau: Was bedeutet das Gesetz zur Netzneutralität für mich als Verbraucher?

Ilja Braun: Das EU-Parlament hat sich grundsätzlich für eine Absicherung des Prinzips Netzneutralität ausgesprochen. Auch in Zukunft sollen alle Daten gleich behandelt werden. Darüber hinaus werden aber auch Spezialdienste zugelassen – unter der Voraussetzung, dass „ausreichende Netzkapazitäten“ zur Verfügung stehen. Was das heißt, ist nicht näher definiert. Für Verbraucher besteht daher die Gefahr, dass das offene Internet zunehmend durch kostenpflichtige Spezialdienste verdrängt wird. Es ist jetzt die Aufgabe der Aufsichtsbehörde, also der Bundesnetzagentur, verlässliche Maßnahmen zum Schutz des offenen Internets zu ergreifen.

Keven Nau: Wie betrifft mich persönlich die neue EU-Regelung in Verbindung mit Telefon und Internet?

Ilja Braun: Die Verordnung ist auf die Zukunft ausgerichtet. Es ist derzeit noch unklar, welche Spezialdienste die Internetunternehmen anbieten wollen und inwiefern solche Angebote den Zugang zum offenen Internet beeinträchtigen werden. Es war aber wichtig, dass schon jetzt Maßnahmen zur Absicherung des freien Wettbewerbs verschiedener Anbieter im Netz getroffen werden.

Keven Nau: Muss ich jetzt Bedenken haben, dass meine Internetleitung nicht mehr die volle Leistung bringt?

Ilja Braun: Es ist kein Einzelfall, dass Verbraucher viel langsamer surfen, als in ihren Verträgen angegeben wird. Die Bundesnetzagentur hat 2012 und 2013 Messtests durchgeführt. Mit dem Ergebnis: Die von den Anbietern tatsächlich zur Verfügung gestellte Geschwindigkeit blieb in der Regel weit hinter den Werbeversprechen der „bis zu“-Angebote zurück. Die Qualitätsstudie des Jahres 2012 ergab, dass nur 69,2 Prozent der Nutzer mindestens die Hälfte der beworbenen Datenübertragungsrate erreichten. Bei nur 19,5 Prozent der Nutzer wurde die volle vermarktete Datenübertragungsrate erreicht. 2013 waren es 77,1 Prozent, die mindestens die Hälfte der beworbenen Bandbreite erreichten. Nur noch 15,9 Prozent konnten die beworbene Leistung in vollem Umfang in Anspruch nehmen.

Keven Nau: Wird der Kunde in Zukunft durch seinen Provider gedrosselt?

Ilja Braun: Der Kunde bekommt schon heute oft nicht die vertragliche vereinbarte Maximalgeschwindigkeit. Die Bundesnetzagentur kann auf Grundlage der neuen Verordnung jetzt aber Mindestanforderungen festlegen. Wir hoffen, dass sie das rasch tun wird. Als Verbraucherschützer fordern wir: Die Anbieter sollten stets mindesten 75 Prozent ihrer vertraglich vereinbarten „bis zu“-Bandbreiten auch tatsächlich zur Verfügung stellen müssen.

Keven Nau: Welche Rechte habe ich als Verbraucher wenn ich das Gefühl habe, durch das Gesetz benachteiligt zu werden?

Ilja Braun: Wenn Anbieter die versprochene Leistung nicht liefern, insbesondere im Hinblick auf die Downloadbandbreiten, soll es in Zukunft Sanktionen geben. Welche genau, muss der nationale Gesetzgeber festlegen. Hier ist das Bundeswirtschaftsministerium gefordert, möglichst bald eine verbraucherfreundliche Regelung zu treffen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, dass Verbraucher für erhebliche Leistungsverstöße, insbesondere im Hinblick auf die Downloadraten, in Zukunft Geld zurückbekommen.