Gravierende Rechtsverstöße: Landesbehörde stoppt Bürgerentscheid

von 4. August 2017

Offiziell hat der Halle-Neustadt-Verein die Unterschriften für den Bürgerentscheid gesammelt, doch das Unternehmen trägt die Handschrift von Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand, der 2015 verkündete, für die Scheiben Lösungen zu finden. Mit dem Bürgerbegehren setzte er dem Stadtrat die Pistole auf die Brust und falls der Entscheid die gewünschte Zustimmung gefunden hätte, wäre diese Zustimmung verpflichtend gewesen und nicht mehr zu kippen. Doch das Unternehmen ist gekippt, noch ehe die Zustimmung möglich war.

Hallelife hat das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt nach den Gründen gefragt und veröffentlicht hier die vollständige Antwort von Pressesprecherin Denis Vopel, die am 3. August 2017 eintraf: „Das Landesverwaltungsamt beabsichtigt, das Bürgerbegehren zu beanstanden. Ein entsprechendes Schreiben ist gestern an den OB gegangen. Wir bedauern es ausdrücklich, allerdings liegen hier gravierende Rechtsverstöße vor, sodass wir leider keine andere Möglichkeit sehen. Neben anderen Punkten beanstanden wir hauptsächlich, dass eine transparente, plausible und für den Bürger nachvollziehbare Variantenanalyse bezüglich der Scheibe A fehlt. Der Bürgerentscheid ist ein Verfahren, welches bindend ist. Das heißt, wenn die Bürger in einem Entscheid für etwas votieren, dann ist die Stadt gezwungen, dies auch umzusetzen.

Aus diesem Grund sind an dieses Verfahren sehr hohe rechtliche Hürden gebunden. Der Bürger muss, um eine Entscheidung treffen zu können, alle Informationen zur Verfügung gestellt bekommen. In diesem Fall hätte dem Bürger dargestellt werden müssen, welche Varianten (selbst ersteigern, selbst sanieren, mieten usw.) denkbar sind, wie viel jede Variante kosten würde und vor allem wie hoch die Kosten für die Unterbringung der Verwaltungsmitarbeiter im Moment sind. Nur so kann der Bürger nachvollziehen, welche Kosten bzw. Einsparungen entstehen und nur so kann er sich tatsächlich ein umfassendes Bild machen und zu einer Entscheidung kommen.

Zunächst gibt es die Möglichkeit, im Rahmen einer Anhörung rechtliche Argumente auszutauschen. Anschließend ergeht ein Bescheid. Die Bürger, die die Unterschriften geleistet haben, können gegen die Zurückweisung des Bürgerbegehrens den Verwaltungsrechtsweg beschreiten. Die Kosten des Bürgerbegehrens tragen die Initiatoren. Da uns keine Informationen vorlagen, konnten wir im Vorfeld nicht beratend eingreifen, sodass wir erst nach Bekanntwerden der Unterschriftensammlung zum Bürgerentscheid tätig werden konnten.

Wir haben noch einmal alle einzuhaltenden Fristen überprüft. Eine Durchführung des Bürgerentscheides ist am 24. September 2017 leider nicht mehr möglich. Gemäß § 57 KWG LSA finden auf die Durchführung des Bürgerentscheides die Bestimmungen für die Wahl des Bürgermeisters und des Landrates mit Ausnahme der §§ 50 bis 53 entsprechende Anwendung. Nach § 6 Abs. 2 KWG LSA hat der Wahlleiter den Bürgerentscheid spätestens zwei Monate vor dem Tag des Bürgerentscheides öffentlich bekanntzugeben. Die wäre für eine Durchführung mit der Bundestagswahl der 24. Juli 2017 gewesen.

Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass wir der Stadt Halle in unserem Schreiben Wege aufgezeigt haben, wie nun weiter verfahren werden kann. Einerseits kann das Verfahren unter Berücksichtigung unserer Hinweise wiederholt werden. Andererseits kann auch der Stadtrat selbst einen entsprechenden Beschluss fassen. Es ist absolut zu begrüßen, die Verwaltung zu konzentrieren, konzeptionell über eine Aufwertung der Neustadt zu diskutieren und eine Nutzung der Scheiben anzustreben. Insofern unterstützen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln und stehen gern beratend zur Verfügung. Aus unserer Sicht wäre es fatal, wenn dieses gute und richtige Ansinnen nicht weiter verfolgt werden würde. Über 8000 Bürger haben sich eingebracht, wir hoffen, dass diese bei der Stange bleiben und trotz der Fehler sich auch weiterhin einbringen und engagieren.“

Der Stadtrat hatte für seine Entscheidung pro Bürgerentscheid mehr als 100 Seiten Material erst kurz vor Beginn der Sitzung bekommen, in der er dem Vorhaben zustimmen sollte. Einmal mehr versuchte OB Wiegand demokratische Prozesse auszuhebeln. Wie schon beim Deichbau am Gimritzer Damm ist das Landesverwaltungsamt eingeschritten.