Große Pläne, mangelnder Realismus

von 13. März 2016

Die Grünen kommen mit vier, ach nein, drei Themen: Bildung, Natur und Anti-Nazi. Sie wollen Schulen ohne Unterrichtsausfall. In der Tat hat die Schulpersonalpolitik des Landes inzwischen zu eklatenten Engpässen geführt. Also, um bei den Emojis zu bleiben, Daumen hoch. Die Grünen wollen hochqualifiziertes Lehrpersonal. Gut, aber woher nehmen, wenn nicht stehlen. Die Konkurrenz ist hart, denn Lehrer werden gerade knapp in Deutschland und andere Bundesländer locken mit Buschzulage und Verbeamtung. Und Sachsen-Anhalt? Die Grünen reden von “gerechten Bildungschance für jedes Kind”. Gerecht, statt gleich. Was bitte ist gerecht? Weltweit konkurrenzfähige Hochschulen sind ein großes Ziel. Beim World University Ranking von Times Higher Education ist die Ludwig-Maximilians-Universität München die beste Uni in Deutschland. Auf Platz 29. Es folgen Göttingen auf 67 und Heidelberg auf 70. Die Top-Uni im Osten heißt Humboldt Universität und die ist in Ost-Berlin. Sachsen-Anhalts Nachbarland Sachsen ist mit der TU Dresden auf Platz 135 dabei. Bis 400 geht das Ranking, Halle und Magdeburg sind aber weit und breit nicht zu sehen! Die Grünen des Landes hegen also Blütenträume. Es ist gut, sich Ziele zu setzen, nur sollten diese Ziele halbwegs realistisch sein. Die Grünen wollen die Erneuerbaren Energien in Sachsen-Anhalt voranbringen und sich von der Braunkohle verabschieden. Das scheint einer Wahl-o-mat-Auswertung auf Halles Marktplatz (Hallelife berichtete) zufolge zumindest mehrheitsfähig zu sein unter den politischen interessierten Bürgern. Doch die Medaille hat zwei Seiten. Alternativen zu umweltschädigenden Verfahren zu suchen, ist sehr zu begrüßen. Dass aber ganze Landstriche mit Windrädern verschandelt werden und inzwischen auch Vögel, nicht zuletzt der Rotmilan, ihre liebe Not damit haben, ist eine bedenkliche Entwicklung. Doch ein wichtiger Lobbyist, der Windkraftanlagenhersteller Enercon, sitzt direkt in Magdeburg. Und: Zur Energiebilanz gehört auch der Rohstoffeinsatz. Weil Wind nicht immer weht, muss die Grundlast für das Stromnetz aus Kohle- oder Gaskraftwerken kommen. Das ist die Crux. Strom aus Windkraft auf neuen Trassen quer durch Deutschland und diverse Waldgebiete transportieren zu wollen, ist abenteuerlich. Schützenswerte Altindustrieanlagen für Solarkraftwerke abzureißen, wie es zum Beispiel in Muldenstein geschah, ist kein Ruhmesblatt. Die Förderichtlinien zum Solarausbau haben zudem vielfach chinesische Solarmodule ins Land geholt, während der Großhersteller im eigenen Land, Q-Cells Insolvenz anmelden musste und schließlich von Südkoreanern übernommen wurde.

Ein bedenklicher Trend ist zudem aus der Förderung der Energiepflanze Raps zur Biodieselherstellung entstanden: Wohin das Auge blickt, sieht es seit Jahren schon großflächige Monokulturen, die dem von den Grünen betonten Naturschutz widersprechen. Gut, dass die Förderung inzwischen zurückgefahren wurde.

Die Grünen wollen die Saale nicht weiter ausbauen für den Schiffsverkehr. Das klingt für die Lobbyisten des Saalekanals nicht gut, ist aber sinnvoll. Vor 50 Jahren war die Schifffahrt auf der Saale noch einträglich, die heute benötigten Schiffsgrößen würden aber auch mit dem Ausbau der Saale oft nicht fahren können. Das ist freilich auch aus ökologischer Sicht bedauerlich, da die Treibstoffeffizient höher ist als bei jedem anderen Transportmittel.

Die Grünen sind für artgerechte Tierhaltung. Was sie dazu sagen müssten: Mit dem exorbitanten Fleischverbrauch ist in Deutschland, zumal im Osten, ist das schwer zu vereinbaren. Zu Öko gehören also Verzicht und Gesundheitsbewusstsein. Die Grünen erwähnen in ihrem Wahlprogramm auch gesunde regionale Lebensmittel. Da viele Produkte, die von den Menschen heute konsumiert werden, oft weiterverarbeitet sind, kann angesichts der zahlreichen Zusatzstoffe und Beimengungen von Dickmachern von gesund keine Rede mehr sein. Gesund wäre daher, streng genommen, nur noch vegane Nahrung, womit die artgerechte Haltung dann allein für Haustiere wie Hunde und Katzen noch relevant wäre. Öko ist, unabhängig davon, für viele Menschen mit schmalem Geldbeutel, kaum bezahlbar.

Gegen Nazis treten die Grünen auf und meinen AfD und NPD. Sie betreiben damit eine Pauschalisierung und Stigmatisierung, vor welcher der bekannte hallesche Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz in den vergangenen Monaten wiederholt gewarnt hat. Die NPD erklärt offen, die BRD abschaffen zu wollen. Die AfD betont hingegen immer wieder ihre Treue zur Demokratie und ihr Ziel, echte Opposition zu sein. Allerdings hat diese Partei in der Tat Kräfte angezogen, welche die Sicht der Grünen durchaus rechtfertigen. Ein schwieriges Thema. Menschenrechte sind für die Grünen nicht verhandelbar. Deswegen wenden sie sich gegen Hass und Hetze gegen Minderheiten. Bleibt zu fragen, ob Beschimpfungen wie “komische Mischpoke” (der Grüne Cem Özdemir über Pegida), “Pack” oder “Dunkeldeutschland” letztlich nicht auch Hetze ist, möge jeder selbst beurteilen. Widerstand gegen Extremisten ist freilich nicht nur moralisch gefordert und die Verteidigung der Menschlichkeit, sondern überlebenswichtig für einen Staat, der “Demokratie” auf seine Fahne geschrieben hat.

Weil es gerade um den Humanismus geht. Allem schönen Schein zum Trotz haben sich die Grünen weit von ihren Wurzeln entfernt. Kritiker sehen sie inzwischen als gutbürgerlich, als die neue FDP an. Spätestens 1999 hat die Partei ihre Unschuld verloren, als ihr Außenminister Joschka Fischer federführend verantwortlich war für einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Serbien. Dazu sei abschließend die Frage erlaubt: Befasst sich eigentlich irgendjemand mit Krieg als ökologische Katastrophe?