Halle und die soziale Stadt

von 26. April 2011

In den letzten Jahren hat die Stadt Halle (Saale) stark vom Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ profitiert. Zahlreiche Projekte konnten in der Saalestadt realisiert werden. Ziel des Städtebauförderungsprogramms ist es, die „Abwärtsspirale“ in benachteiligten Stadtteilen aufzuhalten und die Lebensbedingungen vor Ort umfassend zu verbessern. Zwei Drittel der Gelder kommen von Bund und Land, das restliche Drittel muss die Stadt aufbringen. Gleich mit zwei Stadtgebieten hat sich Halle beteiligt. Insgesamt wurden bis Ende 2010 in der Silberhöhe ca. 5,7 Millionen Euro und in Halle-Neustadt ca. 14,6 Millionen Euro im Rahmen der Programme Soziale Stadt und Urban 21 investiert.

“Wohnqualität, die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum und die Angebote im Freizeitbereich” hätten erheblich verbessert werden können, führt Kerstin Hoffmann vom Stadtplanungsamt aus. “Die nichtinvestiven Maßnahmen trugen wesentlich zu einer Vernetzung und Verständigung der Akteure im Stadtteil und damit zu einer Steigerung der Identität mit dem Umfeld bei. Durch alle Maßnahmen konnte der Stadtteil bis heute stabil und die Segregation in Grenzen gehalten werden.“

Sinkende finanzielle Mittel
Aber wie geht es nun angesichts geplanter Kürzungen auf Bundesebene und der angespannten städtischen Haushaltssituation weiter? HalleForum.de hat bei der Stadtverwaltung nachgefragt. Größtes Problem ist vor allem das riesige Loch in der Stadtkasse mit dem noch nicht einmal bestätigten Haushalt für dieses Jahr. So dürfen aus dem Haushalt nur Projekte finanziert werden, zu denen die Stadt rechtlich verpflichtet ist oder die Weiterführung von Aufgaben unaufschiebbar ist. Das betrifft eine zwingende Erforderlichkeit (Gefahrenabwehr), dringendes sachliches Bedürfnis (städtische Aufgabenerfüllung) oder eine zeitliche Unaufschiebbarkeit (wirtschaftliche Kriterien). “Einige der geplanten Projekte aus dem Programm „Soziale Stadt“ erfüllen diese Kriterien nicht, vor allem die Projekte mit einem hohen sozialen Anteil. Diese Projekte können dann aufgrund des knappen Haushaltes der Stadt nicht finanziert werden (ein Drittel der Kosten) und die Fördermittel von Bund und Land müssen ggf. zurückgegeben werden”, so Kerstin Hoffmann.

Aber auch die Bundesregierung hat die Mittel für das Programm „Soziale Stadt“ von 95 Millionen Euro im letzten auf nur noch 28 Millionen Euro in diesem Jahr gekürzt. Für Sachsen-Anhalt bleiben von einst drei Millionen nur noch 900.000 Euro übrig. Geld, das nun auf alle Städte im Land verteilt werden muss. Doch in Halle läuft laut Stadtplanungsamt das Programm in den nächsten Jahren ohnehin aus. 2011 bis 2013 würden noch die bereits bewilligten Fördermittel aus den letzten Programmjahren bewirtschaftet. “Für die Stadt Halle bedeuten die Kürzungen vom Bund, dass bis 2013 nur die bereits bewilligten Mittel und keine weiteren zur Verfügung stehen.”

Folgen
“Das Ende des Programms „Soziale Stadt“ hat für den Stadtteil Folgen, die jetzt noch gar nicht abzusehen sind”, warnt Kerstin Hoffmann. So wären keine größeren Aufwertungen für den öffentlichen Raum mehr möglich, die Wohnungswirtschaft könnte bei Pilotprojekten wie zum Beispiel den Umbau eines weiteren Neubaublockes ähnlich dem Oleanderweg nicht mehr unterstützt werden. Nicht mehr finanziert werden könnte das Quartiersmanagement. “Ein wichtiger Vermittler und Anlaufpunkt im Stadtteil würde wegfallen. Die neu geschaffenen sozialen Strukturen würden deutlich geschwächt, was eine Destabilisierung des Stadtteils zur Folge hätte.”

Was wurde gemacht
“In Halle-Neustadt konnte damit der öffentliche Raum in hervorragender und nachhaltiger Weise aufgewertet werden”, freut sich Kerstin Hoffmann über das bereits geschaffene. Und das ist auch für jeden sichtbar, der einmal nach Neustadt schaut. Die Freiflächen um die Wohnkomplexzentren am Treff und am Gastronom wurden mit ca. 3,5 Millionen Euro neu gestaltet. Das Zentrum von Neustadt wurde mit ca. 6,2 Millionen Euro aufgewertet, die Neustädter Passage wurde neu gestaltet und ein Marktplatz für Händler geschaffen. Als letztes Projekt im Zentrum wurde im Rahmen der IBA Stadtumbau 2010 mit Stadtumbaumitteln eine Skatebahn gebaut, deren Umfeld aber ebenfalls mit Mitteln aus der Sozialen Stadt neu gestaltet wurde wie zum Beispiel die Beleuchtung. Auch der viel beachtete Umbau eines Plattenbaus im Oleanderweg zu “Townhäusern” gehört zu den Projekten. Im Sport- und Freizeitbereich wurde mit Fördermitteln aus dem Programm „Soziale Stadt“ das Stadion in Halle-Neustadt umgebaut. Zur Förderung des Kinder- und Jugendsports wurden Sportflächen „Am Bruchsee“ hergerichtet, die nun in die Trägerschaft des Sport- & Kultur-Club TaBeA Halle 2000 e.V. übergegangen sind. Der Jugendclub Schnatterinchen in der Harzgeröder Straße wurde mit ca. 1,2 Millionen Euro Förderung neu errichtet.

Doch Geld floss auch in so genannte “nichtinvestive Maßnahmen”. Dazu zählt das Quartiersmanagement mit Betreuerin Jana Kirsch, die Kommunikations- und Kooperationsstrukturen im Stadtteil aufgebaut und Netzwerke gebildet hat. Das Quartiersmanagement soll zwischen den Akteuren im Stadteil, der Stadtverwaltung, der Wohnungswirtschaft und der lokalen Wirtschaft vermitteln. Es werden Netzwerke in der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit gebildet. Zusätzlich werden Fördermittel außerhalb der Städtebauförderung akquiriert und Beschäftigungsprojekte unter Einbeziehung der lokalen Wirtschaft initiiert. “Durch die Arbeit des Quartiermanagements werden viele Spannungen im sozialen Umfeld abgebaut bzw. abgemildert und damit der gesamte Stadtteil stabil gehalten.”

Welche Projekte sollen noch realisiert werden?
1,2 Millionen Euro stehen im laufenden Jahr bereit. Das Quartiermanagement kann damit erst einmal weitergeführt werden. Die Helen-Keller-Schule für behinderte Kinder wird bei der Einrichtung eines behindertengerechten Schulgartens mit Mitteln aus dem Programm „Soziale Stadt“ unterstützt. Als größtes investives Projekt für die nächsten zwei Jahre ist die Umgestaltung des ehemaligen Zentrums des 8. Wohnkomplexes vorgesehen. Die ehemalige Gaststätte am Meeresbrunnen und die desolate Brunnenanlage selbst sollen zurückgebaut werden. Auf der entstehenden Freifläche werden die Wege neu befestigt und die Grünanlagen erweitert. Das Ärgernis vieler Bürger, die leer stehenden Scheiben im Zentrum von Halle-Neustadt, wird zumindest planerisch in Angriff genommen. Da der Stadt keine der Scheiben gehört, ist ein direktes Eingreifen nicht möglich. Am Beispiel der Scheibe C (im Besitz des Landes Sachsen-Anhalt) soll exemplarisch für alle unsanierten Scheiben eine wirtschaftliche und gebäudetechnische Studie für eine mögliche Umgestaltung in Auftrag gegeben werden. Unter anderem soll geklärt werden, welche baulichen Veränderungen möglich sind, welche Nutzungen denkbar wären und was der Abriss kosten würde. Als weitere investive Maßnahmen sind für dieses Jahr die Ausbesserung der Fläche vor dem ehemaligen Südausgang des Halle-Neustädter Bahnhofes und die Schaffung von Parkplätzen vor dem Nachbarschaftszentrum Pusteblume geplant. Desweiteren sollen länger leer stehende Gebäude, für die keine Nutzung mehr gefunden werden konnte und die dem Vandalismus ausgesetzt sind, abgebrochen werden. Dazu gehören die ehemalige Kita in der Wolfsburger Straße, die ehemalige Bibliothek in der Lise-Meitner-Straße und das ehemalige DVZ-Gebäude in der Nietlebener Straße.

Die Politik
Auch die hallesche Politik weiß um die Notwendigkeit solcher Programme, kann es die Stadt doch angesichts einer geringen Steuerkraft nicht allein realisieren. Auf Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen soll der Stadtrat deshalb den Beitritt der Stadt Halle zum Bündnis Soziale Stadt beschließen. In dem Bündnis haben sich verschiedene Kommunen zusammengetan, um gegen die Mittelkürzung der Bundesregierung zu protestieren. Auch die Stadtverwaltung befürwortet "den Erhalt des Programms Soziale Stadt als einen wesentlichen Baustein der Städtebauförderung", so Baudezernent Thomas Pohlack. "Die Programmkürzungen bedeuten praktisch, dass über die bereits bewilligten Mittel hinaus bis 2013 keine weiteren Fördermittel zur Verfügung stehen werden. Außerdem stünde bei einem grundsätzlichen Auslaufen des Programms Soziale Stadt kein Förderprogramm mehr zur Verfügung, welches perspektivisch in Stadtteilen mit einer engen Verknüpfung von sozialen und städtebaulichen Problemstellung angewandt werden könnte."