Halles Haushalt im Würgegriff

von 20. Februar 2005

Die Haushaltssituation der Stadt Halle hat sich in diesem Jahr weiter verschlechtert. Das Defizit beträgt 240 Millionen EURO bei einem Verwaltungshaushalt von 507 Millionen EURO Ausgaben.
Die Präsidentin des Deutschen Städtetages hat festgestellt, daß die Kosten für die Kommunen beim ALG II aus dem Ruder laufen. Bundesweit werden Mehrkosten in Höhe von etwa 15 % erwartet, wenn das denn reicht. Das verteilt sich auf die alten Bundesländer mit 9% Kostenzuwachs und 40% in den neuen Bundesländern.
Auch die Zuwendungen durch Bund und Länder werden in den nächsten Jahren weiter schrumpfen.

Dennoch wird hart daran gearbeitet, den Haushalt der Stadt (und nicht nur dieser) zu konsolidieren. Es wird keine Entscheidung getroffen, ohne die sogenannte Haushaltskonsolidierung, quasi als naturgegebenen Dogma, zur Begründung heranzuziehen. Die einfache Logik heißt: Die Stadt hat Schulden und die müssen abgebaut werden. Es ist ein Gebet, das in allen Sitzungen und Ausschüssen herunter geleiert wird, nach dem Motto: Was man oft genug wiederholt, werden am Ende alle glauben müssen. Inzwischen wird an diesem Glaubensartikel von keiner Seite mehr gerüttelt, ja nicht einmal darüber nachgedacht. Von Zweifel sowieso keine Spur.
Warum aber hat die Stadt Schulden. Ist wirklich in fast allen deutschen Städten und Gemeinden so schlecht gewirtschaftet worden? Oder sind diese Schulden gewollt, also ein Teil der Politik, die in der Bundesrepublik veranstaltet wird?
Wo Schulden sind, ist auf der anderen Seite auch Kapital, sonst könnte man ja keine Schulden machen. Und es ist ja eine feine Sache: Schuldner zahlen Zinsen, je mehr, umso besser für den, der das Geld gegeben hat. Das Geld vermehrt sich praktisch im Schlaf. Und Kapital gibt es in Deutschland genug. Es weiß nicht mehr, wohin mit sich und sucht sich neue Betätigungsfelder.
Dann hat die Sache noch einen Vorteil. Irgendwann sind die Kommunen reif, ihr Tafelsilber zu verkaufen. Bevor der Zwangsverwalter kommt, können dann ruhigen Gewissens ("Wir konsolidieren den Haushalt!")die Wasser- und Energieversorgung, die Schulen, die Theater und Bibliotheken, die Müllabfuhr, vielleicht sogar die Gefängnisse und was die Stadt sonst noch alles besitzt, verkauft werden. Und genau das ist der Sinn der Bolkestein- Richtlinie, die gegenwärtig in der EU verhandelt wird, und der Sinn des GATS, das die WTO in Genf unter Dach und Fach bringen will. Schlicht und ergreifend geht es um die Privatisierung der gesamten öffentlichen Daseinsvorsorge. Das sagt nur niemand. Denn es ist ein milliardenschweres Geschäft. Stattdessen werden Beraterverträge abgeschlossen in sechsstelliger Höhe, um ein Gutachten über die sogenannten PPP-Verträge in Auftrag zu geben. Ein Gutachten wird natürlich das, was es da beachtet, auch gut finden, sonst hieße es ja "Schlechtachten". Nachdem die CBL-Verträge in den USA gescheitert sind wird nach einer neuen Möglichkeit gesucht, städtisches Eigentum zu privatisieren. Die selbstgeschaffenen Zwänge sorgen für die nötige "Einsicht".

Die Steuern für große Vermögen und Gewinne sind in den vergangenen Jahren drastisch nach unten gegangen, angeblich, um Arbeitsplätze zu schaffen. Das Gegenteil jedoch ist der Fall. Die Konzerne mit den höchsten Gewinnen bauen die meisten Stellen ab. Der Staat verzichtet also bewußt auf Steuereinnahmen. Die Steuern aus Arbeitseinkommen sind zwar gestiegen, aber da immer weniger Menschen Arbeit haben und immer mehr von den Almosen des Staates, genannt ALG II, abhängig sind, ist auch hier keine Besserung zu erwarten.
Was also könnte getan werden? Da die meisten deutschen Städte in einer ähnlichen Lage sind, müßte der deutsche Städtetag ein Schuldenmoratorium durchsetzen. Zumindest die Zinszahlungen müßten eingestellt werden, um den Kommunen Luft zum Atmen zu geben. Gegenfinanziert werden könnte eine solche Maßnahme durch die Einführung der Tobin Tax, die Schließung von Steueroasen und die konsequente Verhinderung von Steuerhinterziehung aller Spielarten. Geld ist genug da.

Eigenbeitrag friedrich