Hartz IV: weiteres Für und Wider

von 27. September 2010

Angesichts der “sozialpolitischen Kraftmeierei“ von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt mahnt der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Jürgen Scharf, eine Versachlichung der Diskussion an. Beide Parteien seien gut beraten, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht wider besseres Wissen konkrete Regelsatzhöhen herauszulesen, die in der Entscheidung keine Grundlage finden. „Es ist beachtlich, dass die SPD in Sachsen-Anhalt bereits zum jetzigen Zeitpunkt weiß, dass die nunmehr von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelsätze verfassungswidrig seien. Leider bleibt sie die Begründung hierfür schuldig. Man darf gespannt sein, wie sich die SPD-geführten Länder im Bundesrat verhalten werden. Es ist schwer vorstellbar, dass deren Ministerpräsidenten angesichts der Situation der Länderhaushalte eine wesentlich höhere Anpassung unterstützen werden. Auch die Forderung von Bündnis90/Die Grünen, der Regelsatz müsse deutlich über 400 Euro liegen, ist durch nichts belegt. Bevor sich die SPD ohne Not auf das Diskussionsniveau der Partei Die Linke erniedrigt, sollte sie sich doch zunächst mit den Berechnungsgrundlagen für die Regelsatzbemessung auseinandersetzen und klipp und klar diejenigen Positionen benennen, die aus ihrer Sicht nicht in Ordnung sind und die Folgerungen benennen, die sie daraus zieht. Dazu ist die pauschale und durch nichts untersetzte Behauptung, dies alles sei verfassungswidrig, nicht geeignet. Zu einer verantwortungsbewussten Politik einer Volkspartei, auch wenn sie sich auf Bundesebene in der Opposition befindet, gehört es schon, die Menschen im Land nicht wider besseres Wissen falsch zu informieren. Was die SPD verschweigt ist, dass Kindern endlich die auch von der SPD seit langem geforderten verbesserten Bildungschancen eröffnet werden. Durch die Gewährung dieser Sachleistungen wird sichergestellt, dass diese tatsächlich bei den Kindern ankommen und nicht zweckentfremdet werden können. Immerhin, und das darf nicht in Vergessenheit geraten, war und ist Hartz IV eine Erfindung von Rot-Grün auf der Bundesebene und nicht der CDU. Verfassungswidrig waren die seinerseits von Rot-Grün ermittelten Regelsätze. Damals betrug der Regelsatz 345 Euro. Jetzt so zu tun, als hätten Rot und Grün damit gar nichts mehr zu tun, ist schlicht und ergreifend unaufrichtig. So billig darf sich niemand in die Büsche schlagen“, sagte Scharf.

„Die Entscheidung der Koalition von CDU und FDP in Berlin, die Hartz IV-Sätze für Erwachsene nur minimal und für Kinder überhaupt nicht zu steigern, bedeutet in Wahrheit eine Verschlechterung für die von Hartz IV betroffenen Menschen, da vor allem durch das Sparpaket der Bundesregierung in diesem Bereich zweistellige Milliardensummen gekürzt werden z. B. durch die Streichung des Elterngeldes oder durch die Streichungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik“, sagt der Linke Fraktionsvorsitzende Wulff Gallert. „Diese Entscheidung hat für Sachsen-Anhalt erhebliche Auswirkungen. Für die hohe Zahl von Hartz IV-Betroffenen im Land verschlechtern sich die Lebensbedingungen in den nächsten Monaten. Der Kaufkraftverlust wird sich darüber hinaus negativ auf die ostdeutsche Wirtschaft auswirken. Besonders verheerend ist jedoch die Situation für die betroffenen Kinder. Für die etwa 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt, die in Hartz IV-Familien aufwachsen, hat die Bundesregierung ausgerechnet, dass sie eigentlich schon zu viel Geld bekommen würden. Dabei ist jedem klar, dass diese Kinder schon jetzt gewaltige Nachteile im Bereich der Bildung und der Teilhabe in der Gesellschaft haben. Diese Bundesregierung will offensichtlich nichts daran ändern. Die in Aussicht gestellten Sachleistungen von vermutlich 250 Euro pro Jahr und Kind sind nicht annähernd in der Lage, diese Defizite auszugleichen. Allein für das versprochene warme Mittagessen in Kindertagesstätte oder Schule müssen 400 bis 500 Euro pro Jahr bei sehr niedrigen Preisen veranschlagt werden. Darüber hinaus bleibt festzuhalten, dass die Begründung, dass dieses Geld nicht den Elternhäusern zur Verfügung gestellt wird, weil es dann bei den Kindern nicht ankäme, ein diskriminierender Vorwurf ist. Niemand käme auf die Idee, mit einer solchen Begründung das Kindergeld oder die entsprechenden Steuerfreibeträge zu reduzieren. Die politische Entscheidung gegen Hartz IV-Empfänger führt übrigens zu einer Ausweitung des Niedriglohnsektors. In Zukunft werden noch mehr Menschen bereit sein, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten, um ihre Situation ein Stück erträglicher zu machen. Das wird dazu führen, dass die Löhne in einigen Bereichen sinken oder zumindest nicht steigen werden. Dadurch geraten diejenigen, deren Einkommen sich knapp oberhalb der Hartz IV-Grenze befinden, ebenfalls in die Gefahr, zusätzlich Sozialleistungen beanspruchen zu müssen. Die besondere Betroffenheit von Sachsen-Anhalt verlangt, dass sich alle Parteien in diesem Land konsequent gegen diese politische Entscheidung stellen. Wenn die CDU in Sachsen-Anhalt dazu nicht bereit und in der Lage ist, sendet sie ein klares Signal gegen die Interessen von Hunderttausenden in diesem Land aus. Die LINKE wird zusammen mit Gewerkschaften, Sozialverbänden und allen, die für soziale Gerechtigkeit einstehen, gegen diese Politik protestieren. Das schließt ausdrücklich auch die SPD mit ein für den Fall, dass ihre Abkehr von der Agenda 2010 wirklich ernst gemeint sein sollte. Der Beweis dafür in Regierungsverantwortung steht allerdings noch aus.“

„Die geplanten Änderungen bei den HARTZ-IV-Regelsätzen sind zu begrüßen“, sagt Veit Wolpert, Vorsitzender der FDP-landtagsfraktion. „Bei der Grundsicherung der Menschen herrscht nun endlich Transparenz. Künftig ist sowohl für Bezieher der Regelsätze aber auch für die vielen Steuerzahler nachvollziehbar, wie die Leistungen zu Stande kommen. Dies ist auch ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Gerade die zusätzlichen Sachleistungen für Kinder garantieren Chancengleichheit und gehen damit über deutlich über das Niveau der Grundsicherung hinaus. Die Unterstützung wird dort ankommen, wo sie tatsächlich benötigt wird: bei den Kindern. Denn Bildung ist die Grundvoraussetzung dafür, die Armutsspirale zu durchbrechen und Perspektiven zu schaffen. Der geplante Pauschalbetrag für die Kosten der Unterkunft wird die Gemeinden erheblich entlasten. Aufwendige und kostspielige Prüfungen werden nun unnötig. Den Beziehern werden darüber hinaus Anreize gesetzt, sparsam mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen. Die Anlehnung an den örtlichen Mietspiegel garantiert die Auskömmlichkeit der Beträge.“

DGB-Landeschef Udo Gebhardt sagte am Montag: "Die Bundesregierung trickst, um das Geld für Steuergeschenke an Wohlhabende und Millionen-Boni für Banker bei den Hartz-IV-Beziehern wieder einzusparen. Nichts von dem, was das Bundesverfassungsgericht der Regierung auferlegt hatte, ist erfüllt, – nämlich Transparenz der Berechnung, ein menschenwürdiges Existenzminimum und Sicherung allgemeiner Lebenschancen für Kinder. Sachsen-Anhalt hat eine besonders hohe Quote von Leistungsbeziehern, die Landesregierung sollte deshalb gegen die Bundespolitik Sturm laufen." Gebhardt sieht im Agieren der Bundesregierung zugleich einen Tiefpunkt politischer Kultur. Der DGB-Chef: "Das rechtfertigende Gestammel der Berliner Koalitionspartner vor den Kameras ist sehr peinlich. Da muss man sich fremdschämen. 19 Euro monatlich für Alkohol und Tabak in den Mittepunkt der Diskussion stellen zu wollen, diffamiert die Opfer verfehlter Wirtschaftspolitik." Gebhardt: "Es ist nicht nur ein (!) Skandal, wenn Leistungsbezieher mehr bekommen als Beschäftigte, wie Westerwelle immer gern anführt. Es sind zwei Skandale, wenn auch Arbeitslöhne nicht zum Leben reichen und mit Hartz IV aufgestockt werden müssen. Das ist in Sachsen-Anhalt bei etwa 40.000 versicherungspflichtig Beschäftigten der Fall."